Seit Donnerstagmorgen gibt es die deutsche „Huffington Post“. Vor dem Deutschland-Start bekam die Seite die Aufmerksamkeit, mit der sie einen Großteil ihrer Autoren bezahlen möchte. Nur: Das Layout der Seite sieht schrecklich konservativ aus.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wie führt man ein Produkt in den Markt ein? Indem man möglichst viel Aufmerksamkeit dafür generiert, und zwar möglichst noch bevor das Produkt überhaupt erhältlich ist. Falls das stimmt, haben die Macher der Deutschlandausgabe des Internetangebots „Huffington Post“ alles richtig gemacht. Zumindest in Fachkreisen wurde prominent über das Modell der Nachrichten- und Blog-Plattform diskutiert – dergestalt, dass auch die potenziellen Leser von dem neuen Angebot Notiz nehmen. Vier Millionen Unique User, also real existierende Leser, will die hierzulande vom Burda-Verlag getragene Nachrichtenseite binnen drei Jahren erreichen und in die Top-Fünf der journalistischen Online-Angebote aufsteigen und eine zweistellige Rendite erzielen.

 

Aufmerksamkeit ist im Zusammenhang mit der „HuffPo“ das Stichwort. Vor dem Deutschland-Start wurde teils aufgeregt über das Journalismus- und Geschäftsmodell der AOL-Tochter diskutiert. Die „HuffPo“ funktioniert hierzulande genau gleich wie in den USA, wo der Dienst seit 2005 online ist: Festangestellte Journalisten platzieren Nachrichten auf der Seite, Blogger liefern weitere Inhalte zu. Dafür fließt allerdings kein Geld, die Blogger werden vielmehr mit der Aufmerksamkeit belohnt, die sie sich dank der Weiterverbreitung via „HuffPo“ erhoffen.

Der Wert von Journalismus

Ob diese Praxis okay ist oder nicht, darüber wird weiter gestritten. Hochwertige Inhalte solle es nicht kostenlos geben, argumentieren die einen – weil das einen unabhängigen Journalismus verunmögliche. Blogger seien keine Journalisten, außerdem werde im Internet mit (geldwerter) Aufmerksamkeit gezahlt und eben nicht mit Geld, sagen die anderen.

Nicht nur diese Diskussion zeigt, dass sich das US-Modell „Huffington Post“ an den Eigenheiten des deutschen Medienbetriebs reiben kann. Journalismus sei auf dem Weg „from presentation to participation“, sagte Arianna Huffington am Donnerstagvormittag bei einer Pressekonferenz. Übersetzt heißt das in etwa, dass Journalismus nicht länger „wie der Frontalunterricht in den Fünfzigern“ wirken, sondern den Leser mit einbinden solle. Das deutsche Zitat stammt vom Geschäftsführer Oliver Eckert. „Sie können auch selbst Teil der Debatten werden und Gedanken und Ideen in eigenen Gastbeiträgen veröffentlichen“, sagt Sebastian Matthes zur Begrüßung. Sobald sein Arbeitsvertrag bei der „Wirtschaftswoche“ aufgelöst ist, wird er Chefredakteur. Er wird dann 15 Redakteure und gut fünfzig Blogger unter sich haben.

Wenig innovativ

Äußerlich und thematisch gibt sich das neue Angebot indes nicht sonderlich innovativ: Der erste Aufmacher war ein Aufruf an die Bundespolitik, endlich eine Regierung zu bilden. Das Layout der Seite entspricht dem der US-Ausgabe, es wirkt im Vergleich mit großen deutschen Nachrichtenangebote konservativ-überladen. Und um die nötige Aufmerksamkeit zu erzeugen, schreiben prominente Autoren: Boris Becker unter der Überschrift „Ich habe gehörig auf die Ohren bekommen“ oder Erzbischof Robert Zollitsch mit dem Beitrag „Todesstrafe kann auch Mord sein“.

Strategisch schwimmt die „HuffPo“ nicht mit dem Strom: Während viele Tageszeitungen bei ihren Nachrichtenseiten die Bezahlschranke herunterlassen, ist die „Huffington Post“ werbefinanziert. Gut möglich, dass die Seite Leser gewinnt, die grundsätzlich nicht bereit sind, im Internet veröffentlichte Beiträge zu bezahlen.

Womit man wieder bei der Diskussion um den Wert von Journalismus ist. Den vielleicht originellsten Beitrag zur Debatte, ob die „HuffPo“ Blogger entlohnen soll, lieferte der Blogger Kai Petermann. Ein „HuffPo“-Redakteur hatte ihn gefragt, ob er der Seite nicht gratis seine Texte überlassen wolle. Petermann veröffentlichte seine Antwort: „Ich gebe Ihren Vorschlag gern an meinen Vermieter, den Lebensmittelhändler, den Tankwart und die Telekom weiter. Vielleicht kann ich in Zukunft dort ja ebenfalls ohne Bezahlung alle nötigen Dinge bekommen. Sollte das klappen, werde ich mich gern bei Ihnen melden.“

Das Prinzip Huffington

Die Huffington Post wurde 2005 von Arianna Huffington und zwei Geschäftspartnern gegründet. Sie versammelt eigene Nachrichtenbeiträge und Blogtexte und schreibt Netzinhalte ab.

Im Februar 2011 kaufte der Internetkonzern AOL die Firma für 315 Millionen Dollar (rund 232 Millionen Euro). Huffington ist weiterhin die Chefredakteurin. Heute hat die US-Redaktion 800 bezahlte Mitarbeiter, darunter etliche Korrespondenten.

Die Huffington Post soll zum globalen Medienunternehmen ausgebaut werden – mit jeweils lokalen Ablegern. Seit 2011 wurden unter anderem in Kanada, Großbritannien, Frankreich und Italien Ableger gegründet. Deutschland ist der letzte von fünf großen Medienmärkten in Europa, in dem das Angebot verfügbar ist.