Auf der Hauptversammlung des Modekonzerns mangelt es an Kritik – bis Designfragen zur Sprache kommen. Dann machen einige Anleger ihrem Unmut über Schönheitswahn und das Fehlen von Angeboten ab Konfektionsgröße 40 Luft.

Stuttgart - So hat sich Claus-Dietrich Lahrs das mit den Emotionen nicht vorgestellt. Gerade hatte der Vorstandschef von Hugo Boss in seiner Rede auf der Hauptversammlung den Wert von persönlicher Beratung und Service beschworen; schließlich sei der Kunde „der Boss“. Insbesondere die weibliche Kundschaft hat der einstige Herrenausstatter aus Metzingen mittlerweile im Visier und an den Marketingausgaben gemessen sogar erstmals gleichgestellt. Dabei gelte umso mehr die Maxime, das Mode ein emotionales Produkt sei. „Unsere Kunden möchten nicht nur schöne Kleidung kaufen, sich möchten damit einen Haltung, einen Stil und eine individuelle Lebensart zum Ausdruck bringen.“

 

Der New Yorker Designer Jason Wu schneidert die Kollektion

Eine enttäuschte Kleinaktionärin in einer der vordersten Reihen brachte dann jedoch zum Ausdruck, was Frauen auch wollen: Kleider im Laden finden, die größer als Größe 38 sind. Darauf sollte der Hersteller achten, wenn er sein Geschäft mit Damenmode weiter ausbaut und sich die Kollektionen vom New Yorker Stardesigner Jason Wu schneidern lässt. Mehrere Gäste dachten offenbar dasselbe. „Sonst berauben sie sich eigener Verkaufschancen“, sagte der Aktionär Horst Bauer und holte gleich zum Rundumschlag gegen den Einzelhandel aus. „Viele Damen haben es satt, durch die Kaufhäuser in Stuttgart zu laufen und nichts zu finden.“ Es folgte der lauteste Applaus einer ansonsten nahezu kritikfreien Veranstaltung. Marken-Vorstand Christoph Auhagen konnte selbst diesen Vorwurf entkräften: Boss habe das Spektrum in den vergangenen zehn Jahren ausgebaut und biete heute auch Kleidung in Konfektionsgröße 46 an. Skeptisches Nicken im Saal.

Die Vertreter der Aktionärsschützer beglückwünschten die Boss-Führung für ihr solides Wirtschaften im zurückliegenden Geschäftsjahr. „Eigentlich wäre es meine Pflicht, mir besonders fiese Fragen für den Vorstand auszudenken“, sagte Filippo Siciliano von der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Doch beim Blick auf die Kennzahlen gebe es wenig auszusetzen. „Hugo Boss steht finanziell sehr gut da, Vorstand und Aufsichtsrat haben ihre Hausaufgaben gemacht.“ Andreas Schmidt von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) stimmte ein: „Wenn sie weiter so wachsen, sollte die Boss-Aktie eine echte Dividendenperle werden.“

Der Aktienkurs schließt 2013 auf einem Allzeithoch ab

In der Tat dürfen sich die Anleger schon heute freuen; über eine Dividende von 3,34 Euro je Anteilsschein (Vorjahr: 3,12 Euro) sowie einen Aktienkurs, der im vergangenen Jahr um 30 Prozent zugelegt und das Jahr 2013 mit einem Allzeithoch von 103,50 Euro beendet hat, sagte Vorstandschef Lahrs. Doch weiter aufwärts ging es für den Kurs seither nicht. Am Dienstagnachmittag notierte das Papier knapp unter 103 Euro. Vielleicht veranlasste das den Kleinaktionär Matthias Gaebler zu seiner Frage an den Aufsichtsrat: „Sollte man jetzt nicht aussteigen und Kasse machen, um dann bei einem Kurs von 80 Euro wieder einzusteigen?“ Eine Antwort erhielt Gaebler nicht.

Blieb noch die Frage nach den mittelfristigen Zielen von Boss. Vorstandschef Lahrs hält weiter daran fest, 2015 die Drei-Milliarden-Marke beim Umsatz knacken zu wollen, räumt aber ein, dies sei mittlerweile „ambitioniert“. Seit Lahrs 2008 die operative Führung in Metzingen übernommen hat, ging es für den Modekonzern nur bergauf. Der gebürtige Bielefelder war damals vom französischen Luxuslabel Dior geholt worden, vorausgegangen waren mehrere Wechsel im Vorstand und der Einstieg des Finanzinvestors Permira. Bei Dior Couture war Lahrs übrigens der kaufmännische Gegenpart von Karl Lagerfeld – noch einem, der weiß, was Frauen wollen.