Seit Kriegsbeginn sammelt die Merklingerin Karolina Nourddine Spenden und Hilfsgüter für die Ukraine. Ihr Engagement begann mit einem vollen Kofferraum und ist längst zu etwas Größerem geworden.
„Wir standen vor dem Fernseher und dachten, das darf nicht wahr sein“, erinnert sich Karolina Nourddine an den 24. Februar 2022. Der Tag, an dem Russland die Ukraine überfällt, ist für Karolina ein Wendepunkt. Sie möchte nicht tatenlos zusehen. Sofort ist ihr klar: Ich muss handeln. Die 42-Jährige lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Merklingen und arbeitet dort als Lehrerin in einer Vorbereitungsklasse. Nebenbei malt sie leidenschaftlich gerne. Doch seit Beginn des Krieges bestimmt ihr Engagement für die Ukraine ihren Alltag.
Geboren und aufgewachsen in Rybnik, einer Großstadt in der oberschlesischen Region Polens nahe der tschechischen Grenze, sind Karolinas Verbindungen zur Ukraine tief. In ihrer polnischen Heimatstadt gab es schon immer eine große ukrainische Community. Sprache und Kultur ähneln der polnischen sehr. Ihre Eltern verbrachten viele Urlaube auf der Krim und am Schwarzen Meer und erzählten ihr davon. „Selbst bin ich zwar nie dort gewesen, aber das Land war mir nie fremd“, sagt Karolina.
Ein vollgepackter Kofferraum
Wenige Tage nach Kriegsbeginn packt sie den Kofferraum ihres Auto bis unters Dach voll mit Schlafsäcken, Medikamenten und anderen Hilfsgütern. Dann geht es über 900 Kilometer Richtung Polen. „Ich habe im Auto geweint, ich war so überwältigt von meinen Gefühlen und all dem was passiert ist“, erzählt Karolina rückblickend. Ziel ist ihr Heimatort Rybnik, wo sie durch die ukrainischen Landsleute der Community bereits eine Anlaufstelle hat, die ihr vertraut ist. „Dort wussten sie besser als ich, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht wird.“ Eine befreundete Firma übernimmt schließlich den Weitertransport über die Grenze in die Ukraine. „Nach der ersten Lieferung war klar, ich mache weiter“, sagt Karolina. Und so kam es: Immer wieder gelangten Spenden durch Karolina aus Weil der Stadt in die Ukraine. Ihr Netzwerk wuchs beständig. Im März lernte sie Ivan Bogdan kennen, einen Polen, der in der Ukraine lebt und Hilfstransporte an die Front organisiert. Der Kontakt entstand durch ein Fernsehinterview, in dem Bogdan um Spenden bat. Seitdem arbeiten sie Hand in Hand. Auch der Arbeitskreis Asyl Weil der Stadt ist eine wichtige Säule für Karolinas Engagement. „Es war von Anfang an ein gegenseitiges Unterstützen und so machen wir das bis heute“, sagt Ute Wolfangel, Leiterin des Arbeitskreises. Karolina hat Kontakte in die Ukraine, während der AK Asyl vor Ort in Weil der Stadt hilft – sei es durch die Anmeldung zu Deutschkursen oder die Vermittlung von Wohnungen für Geflüchtete. Gemeinsam organisieren sie Spendenveranstaltungen wie Kuchenverkäufe und Benefizkonzerte. Alle Einnahmen fließen direkt in die Ukraine.
Ein Netzwerk aus Mut und Solidarität
Manchmal wächst Karolina alles über den Kopf. Familie, Vollzeitjob und ihr Engagement unter einen Hut zu bekommen, ist nicht einfach. „Natürlich wird es mir manchmal zu viel“, sagt sie. „Aber aufhören kommt überhaupt nicht in Frage.“ Was sie antreibt, sind vor allem die Frauen, die sie in den letzten drei Jahren kennenlernen durfte. „Ich bewundere das Durchhaltevermögen und die Stärke dieser Frauen“, sagt sie. Viele der Frauen, die selbst aus der Ukraine geflüchtet sind und anfangs Unterstützung beim AK Asyl suchten oder durch Karolina Hilfe fanden, engagieren sich heute selbst aktiv. Frauen wie Inna Kerusova und Yana Solop. Beide kommen aus der Millionenstadt Poltawa. Erst im September letzten Jahres wurde die Stadt von einem besonders schweren Raketenangriff getroffen, bei dem viele Menschen ums Leben kamen und Hunderte verletzt wurden. Sie packen mit an, organisieren Spenden und stehen anderen Geflüchteten zur Seite. Das Netzwerk lebt durch diese Frauen, ihre Stärke und ihren Zusammenhalt. „Man passt aufeinander auf“, sagt Karolina.„Es fühlt sich an wie eine große Familie“, beschreibt sie die enge Verbundenheit unter den Frauen.
Aus diesem Netzwerk soll mehr entstehen: Die Gründung des Vereins Karolina Art Aid ist in vollem Gange. Der Verein soll nicht nur eine Organisation für Hilfsgüter sein, sondern auch eine Anlaufstelle und ein Helfernetzwerk. Besonders für die ukrainische Community in Weil der Stadt. Gleichzeitig sind für die Zukunft viele Aktionen geplant, weitere Spenden zu generieren. Die nächste Kunstausstellung steht bereits in den Startlöchern. Sie soll am 12. Juli in der Wendelinskapelle stattfinden und den Titel „Take me to the Moon“ tragen. Der gesamte Erlös wird wieder in die Ukraine gehen. Weitere Informationen finden sich zukünftig auf der Internetseite: www.karolina-art-aid.com.