Hunde sind seit je beliebt im Reich der Mitte – neuerdings aber eher als Modeaccessoir denn als Delikatesse. Den traditionellen Leckerbissen findet man in Restaurants immer seltener, hat unsere Korrespondentin Inna Hartwich festgestellt.

Korrespondenten: Inna Hartwich

Peking - Vor ein paar Monaten noch, da hätten ein paar Gäste so ein Tierchen bestellt. In seiner ganzen Pracht sei es da gelegen, „hinten am Tisch in der Ecke, sehen Sie?“ Ein Hund, von der Schnauze bis zum Schwanz, in Sojasauce stundenlang gebrutzelt und dann in kleine Stücke geschnitten, „auch den Kopf und die Pfoten, sicher“. Die Bedienung, nennen wir sie Frau Meng, erzählt in epischer Breite von ungewöhnlichen Besuchern im kleinen schummrigen Restaurant im Osten Pekings. Vielleicht weil sie so entsetzt war, einen Hund zu servieren, vielleicht auch, weil sie so überrascht war, dass jemand „so etwas“ überhaupt noch bestellte. „Nur irgendwelche ungehobelten Bauern nehmen das noch in den Mund“, sagt Frau Meng. „Aber unser Land hat sich doch weiter entwickelt, hat sich verändert. Hund kommt kaum mehr auf den Tisch.“

 

Frau Meng heißt natürlich anders, doch sie will vorsichtig sein, denn Hundefleisch, einst als chinesische Delikatesse angepriesen, ist in Verruf geraten. Vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking hat die Regierung die Restaurants angewiesen, Hundefleisch von der Speisekarte zu nehmen. Frau Mengs Lokal tat das nicht, es hat sich von selbst erledigt. Dabei schütze geschmorter Hund vor Erkältung, verspreche Potenz, das rötliche Fleisch liefere innere Wärme, „fast so wie der Hammel.“ Vor allem im Winter äßen die Menschen noch Hund. Doch in Peking hätten sie sich davon abgewandt.

„So etwas essen nur noch Barbaren“

Frau Meng wird Recht behalten. 41 Restaurants bieten in Chinas Hauptstadt Hundefleisch an, so spuckt es die Suchmaschine im Internet aus. Will man das Fleisch aber dort bestellen, heißt es stets „Mei you“, haben wir nicht. „Hören Sie mir auf mit Hundefleisch. Wer isst das denn noch heutzutage? Nur Barbaren!“ Der Besitzer eines Restaurants in einer Seitengasse nicht weit vom Pekinger Arbeiterstadion ist sichtlich angewidert, sobald er das Wort „gourou“ hört, Hundefleisch. „Wir haben nur richtiges Fleisch, Rind.“ Auch in Lokalen einige Straßen weiter ist Hundefleisch längst aus dem Menü entfernt worden. „Wir halten Hunde, wir essen sie nicht. Gehen Sie mal ins Affenhäuschen, die Straße weiter, durch die Wohnanlagen, an der Müllkippe vorbei und an drei Schulen.“

Also los. Das Affenhäuschen: eine Bude mit acht Tischen in zwei Reihen, und drei Köchen, die sich auf zwei Quadratmetern die Herdplatten teilen. „Mei you, mei you, mei you“, kommt es aus drei Mündern. „Schon seit einigen Jahren bieten wir das Fleisch nicht mehr an“, erzählt die Tochter des Besitzers und verrührt seelenruhig Eigelb in der Metallschüssel. Es weise auf „niedrige menschliche Qualität“ hin, wenn jemand Hundefleisch verspeise. Und wer wolle in Peking schon als Grobian gelten?

Im Süden wird noch das Hundefleischfest gefeiert

Seit der Jungsteinzeit haben die Chinesen Hunde gegessen. Ihr Fleisch war stets teurer als Schwein oder Huhn. Zur Geburt eines Sohnes musste Hundefleisch auf den Tisch, war es „nur“ eine Tochter, begnügte sich die Familie mit Schweinefleisch. Heute finden sich die Hundefleisch-Esser vor allem im Süden des Landes, doch auch dort ist es eine kleine Minderheit. In der Provinz Guangxi veranstalten die Menschen jeden Sommer gar ein Hundefleischfest. Dabei haben sie allerdings zunehmend mit Tierschützern zu kämpfen. Denn Hunde sind längst keine Leckerbissen mehr im Land. Sie sind Haustiere.

Nicht dass es das nicht bereits früher gegeben hatte. Die herrschsüchtige kaiserliche Witwe Cixi ließ für ihre große Vierbeiner-Liebe ein „Hundehaus“ mit tausend Tieren bauen. Die Bediensteten parfümierten sie, führten sie aus, servierten ihnen erlesene Speisen. So einen Luxus kann sich die 25-jährige Cheng Sai nicht leisten. „Im ganz kleinen Rahmen aber bieten wir unseren Tieren alles, was ihr Herz begehrt“, sagt die Ökonomin, die vor drei Jahren aus der Provinz Shandong nach Peking kam und hier ihren Spa Love Pet im Erdgeschoss eines Wolkenkratzers eröffnete. Baden, Haare schneiden, Haare färben, Massage, Pediküre. Hundeknochen und eine bunte Hundeleine gibt’s dazu.

Zwei Stunden Schönheitspflege für 42 Euro

„Zwei Stunden dauert die Schönheitsprozedur, 360 Yuan (etwa 42 Euro) kostet die Behandlung“, erzählt sie in ihrem Laden, während ihr grauer Pudel Cooky immer wieder vom Sessel auf den Boden hüpft. Noch ist es leer im Tiersalon, einer der sechs Mitarbeiter saugt die Tierhaare weg. „Das Kundenaufkommen kann man nicht abschätzen, manchmal warten hier acht Leute und 16 Tiere.“

Im Schaufenster winden sich sechs Katzen um grün-graue Kratzbäume, im Hinterzimmer kläffen zwei Dutzend Welpen in den gelben Käfigen um Aufmerksamkeit. Cheng Sai arbeitet mit Tierheimen zusammen, veranstaltet Hunde-Aktionen, bei denen sie Hund und Möchtegern-Herrchen zusammenbringt. Sie nimmt auch Tiere für mehrere Tage auf: Die Käfige gelten als „Hundehotel“. Menschen, die Hunde essen, versteht sie genauso wenig wie den chinesischen Makler, der sich kürzlich für umgerechnet 1,4 Millionen Euro einen Tibet-Mastiff sicherte. Löwenblut soll das Tier mit der Löwenmähne haben. „Hunde sind bei uns längst ein Modeaccessoire geworden“, sagt Cheng Sai, „manche übertreiben es.“ An den Auswüchsen der neuen chinesischen Tierliebe will sie aber mitverdienen.