Die Bürokratie macht auch vor der Bewirtung bei Straßenfesten nicht halt. Ehrenamtliche fühlen sich von den Behörden gegängelt. 

Schriesheim - Der Coq à la Taverne gehörte jahrelang zu den Rennern beim Straßenfest in Schriesheim (Rhein-Neckar-Kreis). Serviert wurde das Hähnchen in Weißwein am Stand des Förderkreises, der sich der Pflege der Partnerschaft mit dem südfranzösischen Uzès widmet. Doch beim vorigen Fest Anfang September gab nur noch kalte Platten. Ihre warme Küche haben die ehrenamtlichen Partnerschaftsköche eingestellt. "Wir sind einfach nicht in der Lage, die Forderungen zu erfüllen, die die Lebensmittelkontrolle an uns stellt", sagt Hansjochen Schwaar, einer der Sprecher der Gruppe. "Und so wie uns geht es vielen Vereinen."

 

Der Umsatz des Förderkreises ist ohne die Hähnchen um die Hälfte gesunken. Das Geld wird fehlen, "bei den Schülerreisen in die Partnerstadt, die wir unterstützen ebenso wie bei unseren Chansonabenden, die sich nicht selbst tragen", sagt Schwaar.

Auch gegrillte Scampi hat diesmal in Schriesheim keiner mehr aufgetischt; das beliebte Wellfleisch musste von außen angeliefert werden. Und nicht nur in Schriesheim, sondern auch anderenorts in der Region klagen die Vereine, dass Haus- und Landfrauen immer weniger Kuchen spenden, seitdem amtlicherseits auch noch eine Zutatenliste gefordert werde.

Umfangreicher Leitfaden hat die Bewirtung erheblich erschwert

Die Zeiten, in denen die "Ehrenamtlichen" bei der Kerwe oder beim Altstadtfest einfach den Grill anwerfen und ihren Wein ausschenken konnten, sind vorbei. Zwölf Seiten lang ist der "Leitfaden für den Umgang mit Lebensmitteln auf Vereins- und Straßenfesten", den das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz herausgegeben hat - und den es tunlich zu befolgen gilt, wenn man nicht die Schließung seines Standes samt hohem Bußgeld riskieren will.

Von den baulichen Voraussetzungen bis zur Kennzeichnungspflicht und der Personalhygiene haben die amtlichen Festschützer nichts ausgelassen. Lebensmittelverkaufsstände müssen demnach "überdacht, sowie seitlich und rückwärts umschlossen sein und einen festen Boden haben". Ihre Wände "müssen möglichst hell, glatt und abwaschbar sein" - und nicht nur das: auch "leicht zu reinigen". Für Oberflächen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, sind "glatte, nichttoxische, abrieb- und korrosionsfeste Materialien" selbstredend Pflicht. Ganz wichtig ist - Guten Appetit! - der "Spuckschutz" der alles Essbare zu überdecken hat.

Und glaube keiner, zum Spülen reiche ein Eimer Wasser. "Es muss neben einer Geschirrspülmöglichkeit eine leicht erreichbare Handwaschgelegenheit mit ausreichender Warm- und Kaltwasserzufuhr, Flüssigseife sowie Einmalhandtücher vorhanden sein", heißt es im Leitfaden. "Das Reinigen von Geschirr und Gläsern sollte(...)maschinell erfolgen. Alternativ müssen (...) zwei Spülbecken genutzt werden.

Belegte Brötchen oder Salate mit einer Temperatur über zehn Grad Celsius sind tabu, Lebensmittelmittelbehälter und Wasserschläuche sind exakt vorgeschrieben. Wenn die Vertreterin der Überwachungsbehörde einen Stand besuche, "stehen die Betreiber stramm", notierte jüngst ein Reporter der "Rhein-Neckar-Zeitung", nachdem er mit einer Kontrolleurin bei einem Straßenfest war. Da hat die Inspektorin einen Waffelstand dicht gemacht, der keine Teigkühlung vorweisen konnte und gegen einen anderen Stand ein Bußgeld verhängt, weil der Fußboden fehlte.

Die Herzlichkeit auf den Festen geht verloren

Längst ist es vielerorts üblich, dass vor den Festen Abende veranstaltet werden, bei denen sich Vereine über die Vorschriften informieren sollen. "Die Auflagen werden immer härter, der Unmut ist groß, das merken auch wir", erklärt Roland Kern, der Sprecher der Stadt Weinheim. "Zu mir kommen die Leute und sagen: Bürgermeister, ich mach da nichts mehr", erzählt der Schriesheimer Schultes Hansjörg Höfer.

Das Risiko steige, dass bei den Festen zunehmend kommerzielle Anbieter das Angebot bestimmten. Doch das sei eigentlich nicht deren Sinn: "Da geht die Herzlichkeit verloren." Ähnliche Befürchtungen hegt auch Gerhard Kleinböck, SPD-Landtagsabgeordneter in Ladenburg, der die Probleme jüngst in einer kleinen Anfrage an die Landesregierung thematisierte.

In seiner Antwort hat Minister Alexander Bonde (Grüne) versichert, dass bei der Kontrolle "kleine bzw. traditionell arbeitender Einheiten" nicht überfordert werden sollten und für Vereinshelfer nicht die gleichen Vorschriften gelten, wie für Unternehmen. Doch die möglichen Gefahren für Verbraucher dürften "auch nicht unterschätzt werden". Er wolle daher im Interesse aller handeln.