Hype um den „Heiligen Amumbo“ Anleger beten diesen ETF an – sind sie genial oder irre?

Gehebelte ETFs haben in der Vergangenheit hohe Renditen erzielt – doch diese Produkte bergen enorme Risiken. Foto: KI/Midjourney//Montage: Ruckaberle

In Finanzforen wird ein ETF als „Heiliger Amumbo“ gefeiert. Sein Kurs ist um mehr als 5000 Prozent gestiegen. Doch der vermeintliche Heilsbringer hat seine Schattenseiten.

Digital Desk: Jonas Schöll (jo)

Eigentlich verbindet man mit der Börse kalte Zahlen, nicht warme Glaubensbekenntnisse. Doch ähnlich wie in der Kirche werden in Finanzforen im Netz auch Heilige verehrt. Einer davon: der „heilige Amumbo.“ Der heilige wer? Die Antwort ist ganz weltlicher Natur: Hinter dem etwas kryptischen Begriff, der aus dem Firmennamen des französischen Fondsanbieters Amundi und dem Wort Jumbo zusammengesetzt ist, steckt der „Amundi ETF Leveraged MSCI USA Daily UCITS ETF“.

 

Dieser börsengehandelte Indexfonds bildet die täglichen Kursbewegungen der US-Börse mit Faktor zwei ab – nach oben wie nach unten. Das heißt: Steigt der MSCI USA um zehn Prozent, klettert der Amumbo um 20 Prozent. Das gilt allerdings ebenso für Verluste: Sackt der US-Index um zehn Prozent ab, sinkt der Amumbo doppelt so stark.

„Macht der Amumbo auch mein Portfolio jumbo?“

„Macht der Amumbo auch mein Portfolio jumbo?“, reimen Nutzer der Internet-Plattform Reddit gerne. Was sie in ihrem Glauben bestärkt: Der Kurs ist, seit der ETF im Juni 2009 aufgelegt wurde, um mehr als 5000 Prozent gestiegen. Seither erzielt er eine durchschnittliche Jahresrendite von rund 28 Prozent. Zum Vergleich: Der MSCI USA, der dem Amumbo zugrunde liegt, machte 15,8 Prozent, der MSCI World etwa 12 Prozent.

Hier zu investieren und an den enormen Wertzuwächsen teilzuhaben? Das mag auf den ersten Blick verlockend sein. Aber kann Geld verdienen wirklich so einfach sein oder hat das Ganze doch einen Haken? Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gießt Wasser in den Wein. Nach seiner Einschätzung sind solche Hebel-ETFs riskanter, als sie auf den ersten Blick wirken: „Wir empfehlen gehebelte ETFs grundsätzlich nicht“, sagt der Finanzexperte. Das gilt auch für einen neuen Hebel-ETF, den Amundi vor wenigen Wochen auf den beliebten MSCI World aufgelegt hat.

Wenn der Hebel zur Renditebremse wird

Der Grund für die deutliche Absage: Auf lange Sicht sei der eine oder andere Crash an der Börse unvermeidlich. „Dann schlägt das Minus doppelt zu Buche, was die Gefahr birgt, dass Anleger dann kalte Füße bekommen und aussteigen“, mahnt Nauhauser. Außerdem würden gehebelte ETFs bei langen Seitwärtsbewegungen deutlich schwächer als ihre Basisindizes abschneiden.

Experte Nauhauser rät zu breit gestreuten ETFs wie dem MSCI World – ohne Hebel. Foto: Wolfram Scheible

Dass der Hebel in beide Richtungen wirkt, habe sich zuletzt im März und April dieses Jahres gezeigt, als US-Präsident Donald Trump mit seiner erratischen Zollpolitik heftige Marktreaktionen auslöste.

Anleger sollten die Risiken kennen

Da brach der Preis des gehebelten ETFs um fast 40 Prozent ein, während der MSCI USA nur etwa die Hälfte des Kursrückgangs verzeichnete. Auch der negative Effekt in einer Seitwärtsphase ist aktuell spürbar: Seit Jahresbeginn liegt der MSCI USA in Euro etwa ein Prozent im Plus, während der gehebelte ETF noch gut vier Prozent im Minus liegt.

Daniel Kanzler, Investmentchef beim Münchner Vermögensverwalter Gerd Kommer Invest, erklärt: „Gehebelte ETFs profitieren besonders von Boom Phasen bei gleichzeitig geringer Volatilität am Aktienmarkt.“ Die vergangenen 16 Jahre waren aus seiner Sicht in der Historie der Finanzmärkte einmalig. „Die 2000er Jahre waren dagegen besonders schlecht. Dort hätte ein gehebelter ETF schlechter abgeschnitten.“

5000 Prozent Rendite – doch es gibt einen Haken

Der vermeintliche Wunder-ETF hat einen Haken. Experte Kanzler rechnet vor: Steigt am ersten Tag der Kurs des MSCI USA um 20 Prozent und fällt am darauffolgenden Tag um 15 Prozent, liegt die Rendite über beide Tage bei 2 Prozent. Beim zweifach gehebelten ETF läuft es aber anders: dort steht am Ende ein Minus von 2 Prozent. Kurz gesagt: Obwohl der Markt gestiegen ist, hat der Hebel-ETF durch die Schwankungen Verlust gemacht.

„Die Einbrüche sind deutlich höher“: Experte Kanzler warnt vor Hebel-ETFs. Foto: Gerd Kommer Invest

Verbraucherschützer Nauhauser zeigt mit einem weiteren Rechenbeispiel, warum der Hebel des „Heiligen Amumbo“ auf Dauer unterhalb von zwei bleibt. Angenommen ein Index entwickele sich über fünf Tage wie folgt: +3 Prozent, -3 Prozent, +3 Prozent, -3 Prozent, +3 Prozent. Dann stünde der Index am Ende bei +2,81 Prozent, der zweifach gehebelte ETF jedoch nur bei +5,24 Prozent. Erwartet hätte man eine Verdopplung der Indexrendite auf +5,62 Prozent. Nauhauser erklärt: „Der Unterschied entsteht durch die tägliche Hebelung – Verluste wirken sich überproportional aus.“

Experten: So sollten Sie investieren

Dieses Pfadabhängigkeit genannte Risiko ignorieren viele Menschen, die auf ETFs mit Hebel setzen. Auch wenn einige gehebelte ETFs auf lange Sicht ihre Vorbilder ohne Hebel bislang zumindest übertroffen haben – als Baustein der Altersvorsorge sehen Fachleute wie Nauhauser oder Kanzler Produkte wie den „Heiligen Amumbo“ nicht. „Der Hauptnutzen von gehebelten ETFs ist nicht die langfristige Anlage, sondern gezieltes kurzfristiges Spekulieren auf steigende oder fallende Märkte“, sagt Investment-Profi Kanzler.

Wie Verbraucherschützer Nauhauser erachtet auch er breit gestreute, kostengünstige ETFs auf den MSCI World, MSCI ACWI oder ähnliche weltweite Indizes als deutlich sinnvoller für langfristige Anleger. Wem das dann immer noch zu „langweilig“ sei, und wer schon einmal einen normalen Aktienmarkteinbruch von über 30 Prozent tiefenentspannt erlebt habe, der könne über – maximal zweifach positiv gehebelte – breitgestreute Aktien-ETFs nachdenken. Er weiß aber auch: Zu einem Investment in den „Heiligen Amumbo“ gehört Nervenstärke – und eine Menge guter Glaube.

ETF
Zum Thema ETF hat Niels Nauhauser für die Verbraucherzentrale gerade das Buch „ETF als Geldanlage und Altersvorsorge“ veröffentlicht (28 Euro, ISBN: 978-3-86336-421-2).

Seminare
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bietet im Oktober zwei Online-Seminare zum Thema ETF:

ETF als Geldanlage und Altersvorsorge – warum ETFs die erste Wahl sind (6. Oktober, 18 Uhr)

Schritt für Schritt zum ETF – So setzen Sie Ihre Anlagestrategie um (20. Oktober, 18 Uhr)

Weitere Themen