Es geht um mehr als eine Milliarde Euro Schadenersatz: Ehemalige Aktionäre der Hypo Real Estate verlangen eine Entschädigung für erlittene Kursverluste. Gewinnen sie den Prozess, zahlt wohl am Ende der Steuerzahler.

Es geht um mehr als eine Milliarde Euro Schadenersatz: Ehemalige Aktionäre der Hypo Real Estate verlangen eine Entschädigung für erlittene Kursverluste. Gewinnen sie den Prozess, zahlt wohl am Ende der Steuerzahler.

 

München - Das Oberlandesgericht München verhandelt seit Montag in einem Musterprozess über milliardenschweren Schadenersatz für ehemalige Aktionäre der Hypo Real Estate (HRE).

Die früheren Anteilseigner der verstaatlichten Immobilienbank werfen dem Institut vor, viel zu spät auf die Belastungen durch die Finanzkrise hingewiesen zu haben. Am Donnerstag soll dazu auch der damalige HRE-Chef Georg Funke vor Gericht aussagen. Wie lange sich das komplexe Verfahren hinziehen wird, war zunächst nicht abzusehen.

Akten füllen mehrere Regale

Das Gericht sieht durchaus Anhaltspunkte dafür, dass zumindest nicht alle Presse- und Pflichtmitteilungen in Ordnung gewesen sein könnten, wie der Vorsitzende Richter Guido Kotschy sagte. "Es kommt sicherlich auf einige Einzelheiten an", erklärte er beim Prozessauftakt. Die Akten für das Verfahren füllen mehrere Regale im Gerichtssaal. Bisher gebe es nur vorläufige Einschätzungen.

Neben Akten und Mitteilungen stehen auch Pressemitteilungen und Äußerungen von Managern im Mittelpunkt der Beweisaufnahme. So etwa eine Mitteilung vom 3. August 2007 in der die HRE betonte, keine Belastungen aus der Finanzkrise in den USA zu erwarten. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass diese Aussagen zu positiv waren, sagte Kotschy. Genaueres müsse nun geklärt werden. Der Musterprozess soll beispielhaft für alle Anlegerklagen gegen die HRE zentrale Fragen klären.

Entschädigung für massive Kursverluste

Die Kläger fordern eine Entschädigung für die massiven Kursverluste ihrer Aktien, die früher im deutschen Leitindex Dax notiert waren. Am 15. Januar 2008 hatte die HRE in einer Pflichtmitteilung massive Belastungen bekanntgegeben und damit die Börse geschockt.

Innerhalb eines Tages brach die Aktie um mehr als ein Drittel ein und sackte danach weiter ab. Viele Aktionäre verloren dadurch ein Vermögen und fordern nun einen Ausgleich für ihren finanziellen Schaden.

Nach Ansicht ehemaliger Anleger hat das Management um den damaligen Chef Georg Funke bereits vor Weihnachten 2007 von den Problemen gewusst, die Öffentlichkeit aber nicht in ausreichendem Maß informiert. Die HRE als Beklagte sieht das anders. "Nach Überzeugung der HRE war die Kommunikation zu jedem Zeitpunkt angemessen. Diese Position werden wir vor Gericht vertreten", hatte ein Sprecher vor Verfahrensbeginn gesagt.

Lehman-Pleite macht Strich durch die Rechnung

Im September 2008 war die HRE in größte Not geraten, weil ihre irische Tochter Depfa Geld langfristig verliehen, sich aber extrem kurzfristig Geld dafür besorgt hatte. Nach der Lehman-Pleite ging diese Rechnung nicht mehr auf und sie kam nicht mehr an Geld für die Refinanzierung: Es fehlten plötzlich 35 Milliarden Euro. Nach der Notrettung mit Steuermilliarden wurde die HRE verstaatlicht. Die Aktionäre mussten ihre Papiere zum Preis von 1,30 Euro an den Bund abgeben.

Am Landgericht München gingen nach dem HRE-Drama unzählige Schadenersatzklagen ehemaliger Anleger ein. Sollte ihre Musterklage vor Gericht Erfolg haben, würde das vermutlich Finanzlöcher reißen, für die wohl der Bund als Eigentümer aufkommen müsste - letztlich also die Steuerzahler.

Musterkläger für die Aktionäre ist der Jurist Christian Wefers aus Nordrhein-Westfalen, der für mehrere Kapitalanlagefonds aus Deutschland und anderen Ländern auftritt. Rund 90 Anleger hatten ihre Ansprüche von insgesamt rund 900 Millionen Euro an ihn abgetreten. Dieses Geld plus Zinsen wollen sie zurück. Damit geht es inzwischen um eine Summe von mehr als einer Milliarde Euro.