In „Das Alphabet der Schöpfung“ entwirft I. K. Callis das Bild eines agilen und erfolgreichen Biotech-Unternehmens, das sich hinter den Kulissen an einem alten, düsteren Traum der Menschheit versucht. Eine Rezension von Lukas Jenkner.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Das Sujet ist so alt wie die Schauerliteratur: Mary Shelley hat es bereits Anfang des 19. Jahrhunderts mit ihrem „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ zu einem Klassiker gemacht, der vor allem durch die Schwarzweißverfilmungen mit Boris Karloff in der Rolle des zum Leben erweckten künstlichen Menschen fest im Bewusstsein der Gruselfans verankert ist: Der Traum des Menschen, ein Ebenbild seiner Selbst abseits der natürlichen (oder je nachdem göttlichen) Schöpfung zu erschaffen.

 

Seither ist das Thema immer mal wieder aufgegriffen worden. Später, als die Menschheit von der DNA und den gruseligen Möglichkeiten der Genetik erfahren hatte, schrieb zum Beispiel Michael Crichton das Thema fort: Dessen 1990 zum Leben erweckte Dinosaurier sind einfach nicht totzukriegen und trampeln gerade in einer neuen Trilogie durch die Kinos dieser Welt.

Hinter der hippen Fassade lauert das Grauen

Die Horrorvision vom künstlichen Menschen und die Möglichkeiten der Genetik verbindet I. L. Callis in ihrem dieser Tage erschienen „Das Alphabet der Schöpfung“. In dem Thriller wird der Journalist Alexander Lindahl von einem alten Freund aus Studiumszeiten nach Berlin eingeladen. Max van Damme hat das aufstrebende Gentechnik-Unternehmen Phoenix auf die Beine gestellt. Nun soll Lindahl für die Investoren die Erfolgsgeschichte der Firma aufschreiben.

Vor Ort stellt Lindahl allerdings bald fest, dass hinter der penetrant-positiven, fröhlichen und nervend-agilen Fassade von Phoenix das Grauen lauert. Junge, brilliante Wissenschaftler erleiden Nervenzusammenbrüche oder kommen nachts unter merkwürdigen Umständen ums Leben. In einen Moor im Brandenburgischen entdeckt Lindahl schließlich das Ergebnis eines geheimen Hybrid-Forschungsprogramms – bei dem indirekt auch die Überreste eines vor vielen Tausend Jahren in den Alpen umgekommenen Urzeitmenschen eine Rolle spielen.

Lücken in der Indizienkette

I. L. Callis hat einen flotten Wissenschaftsthriller geschrieben, in dem es bald zur Sache geht. Dass mit dem Unternehmen Phoenix gar nichts stimmt, wird schnell klar, und bald liegen auch schon die ersten Leichen herum. Die Lage gerät schließlich derart außer Kontrolle, dass zum Beispiel ein niedergeschossener Pförtner einen eher beiläufig zur Kenntnis genommenen Kollateralschaden darstellt.

Sprünge in der Handlung und gleich mehrere Erzählstränge machen es allerdings nicht immer einfach, dem Geschehen zu folgen, und zuletzt leidet „Das Alphabet der Schöpfung“ wie viele Thriller an der einen oder anderen Lücke in der Indizienkette, die der Leser besser nicht hinterfragt. Aber wer einen Wissenschaftsthriller in der Tradition eines Frank Schätzing ohne dessen ausufernde Geschwätzigkeit schätzt, ist mit Callis’ Buch gut bedient.

I. L. Callis: Das Alphabet der Schöpfung. Thriller. Emons Verlag Köln 2018. Gebunden mit Schutzumschlag, 480 Seiten, 22 Euro. Auch als E-Book.