Der neue Entwicklungschef Ulrich Hackenberg kennt seine Mannschaft bereits gut und sieht das als gute Ausgangsbasis. Er will noch einmal überprüfen, ob es doch noch eine Chance für die Serienfertigung des Elektro-Sportwagens R8 e-tron gibt.

Frankfurt/Main - Schwungvoll kommt Ulrich Hackenberg bei der Präsentation der Neuheiten im knallroten Audi A3 e-tron in die Halle gefahren, lächelnd steigt er aus und wird von Konzern-Kommunikationschef Stephan Grühsem, der durch den Abend führt, mit den Worten empfangen: „Es ist für mich immer noch ein bisschen ungewohnt, dich in einem Audi zu sehen“. In den vergangenen Jahren war Hackenberg, einer der wichtigsten Männer im Entwicklungsbereich der Marke VW, wenngleich seine Karriere einst bei der Marke mit den vier Ringen begann.

 

Hackenberg stammt aus Herne, studierte Maschinenbau, promovierte 1985 im Fachbereich Fahrzeugbau an der RWTH Aachen. Danach holte ihn Ferdinand Piëch, damals Entwicklungschef, zu Audi. Wenige Jahre später übernahm Hackenberg bei Audi die technische Projektleitung für die gesamte Modellpalette. 1998 wechselte er nach Wolfsburg, wo Martin Winterkorn Entwicklungschef der Marke VW war. 2002 kehrte er zu Audi zurück als Winterkorn dort Chef wurde. Anfang 2007 kehrte er nach Wolfsburg zurück als Winterkorn zum Vorstandsvorsitzenden des gesamten Konzerns aufstieg. Hackenberg ist einer der engsten Vertrauten Winterkorns. „Wir sind bezüglich der Einschätzung von vielen technischen Fragen ziemlich synchron. Natürlich hat das damit zu tun, dass wir sehr lange miteinander arbeiten“, sagt Hackenberg.

Wachsende Nervosität in Wolfsburg

Es sah eigentlich ganz danach aus, als ob die beiden gemeinsam in Wolfsburg auf das Rentenalter zusteuern würden – doch dann begann sich das Personalkarussell bei der Tochter in Ingolstadt in schwindelerregendem Tempo zu drehen. Im Sommer vorigen Jahres löste Wolfgang Dürheimer den Audi-Entwicklungschef Michael Dick ab. Dürheimer war lange Entwicklungschef von Porsche und dann Chef von Bentley und Bugatti. Im Juni dieses Jahres war es jedoch für den 55-Jährigen schon wieder vorbei mit dem Job in Ingolstadt. Der Allgäuer, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, habe die Komplexität des Konzerns verkannt, Krach mit Wolfsburg bekommen und die Audi-Entwicklungsmannschaft mit abrupten eigenwilligen Entscheidungen gegen sich aufgebracht. Nun soll Ulrich Hackenberg, bisher Entwicklungschef der Marke VW, die Wogen wieder glätten. „Ich kenne die Mannschaft gut“, sagte der 63-Jährige. „Ich weiß was die können. Und die wissen auch, was sie von mir zu halten haben. Dies schafft die Basis für ein sehr gutes Verhältnis.“ Hackenberg soll neben seiner Aufgabe bei Audi weiterhin die markenübergreifende Entwicklung des Konzerns steuern, das heißt vor allem, die Baukästen weiterentwickeln, die er geschaffen hat. Nach diesem Konzept verwenden die einzelnen Marken bei ihren Modellen möglichst viele Teile gemeinsam. Dies spart Kosten. „Weil es dabei um eine große Matrix von Komponenten geht, die zusammenspielen müssen, braucht man jemand der das ordnet“, sagt Hackenberg. „Dabei geht es auch darum, dass die richtigen Menschen am richtigen Platz sind. Wir haben bei Audi weit über 7000 und im VW-Konzern weit über 40 000 Entwickler. Die muss man so einsetzen, dass es miteinander läuft und nicht gegeneinander.“

Die häufigen Wechsel im Audi-Entwicklungsressort deuten auf eine wachsende Nervosität in Wolfsburg hin, und dies nicht nur, weil Audi etwa die Hälfte des Konzerngewinns einfährt. Audi liegt Aufsichtsratschef Piëch und Vorstandschef Winterkorn auch deshalb besonders am Herzen, weil sie gemeinsam Audi mit technischen Spitzenleistungen in die Liga der Premiumhersteller gebracht haben. Doch seit einiger Zeit wächst die Kritik, wonach Audi den Schwung verliert und insbesondere im Wettlauf um alternative Antriebe heute zu wenig zu bieten hat. Während BMW in diesem Jahr auf der Automesse IAA mit dem Elektroauto i3 nichts weniger beansprucht, als das Auto neu erfunden zu haben, und Daimler die ganze Bandbreite vom Elektro-Smart bis zum Elektro-Supersportwagen SLS und sämtliche Spielarten des Hybridantriebs sowie die Brennstoffzelle anbieten kann, muss sich Audi auf den Hybridantrieb und ein neuartiges Gasfahrzeug beschränken. Der vollmundig versprochene Neckarsulmer Elektro-Super-Sportwagen und mögliche SLS-Konkurrent R8 e-tron wurde vor der Markteinführung gestoppt.

„Audi muss sich neu erfinden“

Das Urteil des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer fällt vernichtend aus: „Audi muss sich neu erfinden“, fordert der Leiter des Forschungsinstituts CAR. „Was Ferdinand Piech als eine Innovationsmaschine nach vorne gebracht hat, ist ideenlos geworden“, kritisiert der Wissenschaftler. BMW habe auf dieser IAA mit dem Carbon-Auto i3 das Kernthema Leichtbau besetzt, Daimler mit seiner Exkursion auf den Spuren von Bertha Benz das Zukunftsthema autonomes Fahren.

Im Design, so Dudenhöffer, sei Audi gegenüber Mercedes, BMW und Land-Rover langweiliger geworden, bei der Elektromobilität fahre die VW-Tochter hinterher und auch bei modernen Formen der Mobilität wie dem Carsharing liege Daimler mit Car-2-go vorn. „Vorsprung durch Technik“, so der Duisburger Professor, „machen heute andere“.

„Audi ist sicherlich diejenige Konzernmarke, die den Anspruch hat, bei der Innovation führend zu sein. Und das muss auch so sein“, sagt Hackenberg. Beim Elektroantrieb habe Audi zunächst einmal seine Hausaufgaben gemacht. Der gesamte Konzern habe sich mit dieser neuen Technik intensiv auseinandergesetzt. „Zunächst einmal müssen wir unsere klassischen Stärken, wie etwa den Quattro-Antrieb oder den Leichtbau weiterentwickeln und das wird auch geschehen“, sagt Hackenberg. Audi habe auch einige Entwicklungen gemacht, die sehr progressiv waren, wie etwa den Elektrosportwagen R8 e-tron oder anderes. Hackenberg will noch einmal prüfen, ob eine Serienfertigung doch noch eine Chance haben könnte. „Die Technologien entwickeln sich weiter und wir werden prüfen, inwieweit es sinnvoll ist, das noch einmal aufzugreifen,“ sagt der neue Mann in Ingolstadt. Derzeit sei der Plug-in-Antrieb das sinnvollste Konzept für den Kunden, also die Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor, der an der Steckdose aufgeladen werden kann. „Und dieser Antrieb muss jetzt unter Audi-Gesichtspunkten entsprechend variiert und ausgebaut werden.“ Dieser im A 3 e-tron eingebaute Antrieb sei extrem sportlich und habe sehr gute Fahreigenschaften. Trotzdem könne man 50 Kilometer elektrisch fahren. „In diesem Bereich sind wir insgesamt besser als die Wettbewerber“, meint Hackenberg.