Bei einem Workshop erarbeiten rund 100 Bürger tollkühne Ideen für das neue Stadtquartier Backnang-West. Sie schlagen unter anderem vor, einen See anzulegen und eine Seilbahn zu bauen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Eine Seilbahn oder eine „Highspeed-Rolltreppe“ von der Murr hinauf bis zum Backnanger Bahnhof, ein See zum Schwimmen mitten in Backnang, gespeist mit Murrwasser, preiswerte, ökologisch vorbildliche Wohnungen, Elektro-Busse, die in Richtung Altstadt und zum Bahnhof fahren, eine Hochschule oder Universität inklusive Studentenwohnheim: Diese Ideen, man könnte manche davon als tollkühn bezeichnen, und eine ganze Reihe andere Projektvorschläge haben rund 100 Bürger bei einem mehrstündigen Workshop am Mittwochabend für das neue Stadtquartier Backnang-West erarbeitet.

 

Das rund 15 Hektar große Areal – gelegen zwischen der Friedrichstraße und dem Murrtal-Viadukt – soll nach den Vorstellungen der Backnanger Kommunalpolitiker zu einem Großprojekt der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 in der Region Stuttgart werden.

Baudezernent: Wir wissen jetzt, was Sie wollen.

Die Murrstadt habe gute Chancen, zum Zuge zu kommen, das hatte der IBA-Intendant Andreas Hofer, bereits im Frühjahr bei einem Besuch im Gemeinderat erklärt. Noch indes ist nichts entschieden. Die Stadtverwaltung jedenfalls ist und bleibt optimistisch – und hat jetzt die Bürger aufgerufen, bei insgesamt vier Workshops Vorschläge für das neue Stadtquartier zu erarbeiten.

Beim ersten Bürgerworkshop erklärte der Baudezernent der Stadt, Stefan Setzer, zu vorgerückter Stunde: „Ziel erreicht. Wir wissen jetzt, was Sie wollen.“ Wohnen und Arbeiten am Fluss, mit diesen Worten lässt sich knapp zusammenfassen, was sich die Backnanger, die zur Veranstaltung gekommen sind, wünschen.

Rad- und Fußweg am Murrufer und Dachgärten

Konkret vorgeschlagen werden unter anderem unterirdische Parkplätze und ein Seniorenheim, Lebensmittelgeschäfte zur Nahversorgung des neuen Gebiets, die dem Handel in der Innenstadt aber keine allzu große Konkurrenz machen sollten. Die Menschen wünschen sich Plätze oder ein Park zum Flanieren, einen Rad- und Fußweg am Murrufer und Dachgärten.

Mehrere jüngere Teilnehmer sagten, ihnen sie besonders wichtig, dass das selbstverwaltete Jugendzentrum, das mitten auf dem Gelände ist, in jedem Fall an Ort und Stelle erhalten bleibt. Die Bürger wollen, dass mehrere ältere Industriegebäude stehen bleiben und zu schicken Wohnlofts oder modernen Arbeitsplätzen werden. Zugleich wünschen sie sich auch moderne Häuser, die aber maximal fünf Stockwerke haben sollten. „Ein Hochhaus passt nicht her“, sagte ein älterer Mann und sprach damit ganz offenkundig für die große Mehrheit der Bürger im Technikforum, wo der Workshop stattfand.

IBA-Intendant: Gesicht der Stadt wird sich grundsätzlich ändern

Mit dieser Aussage spielte der Mann auf die hochfliegenden Pläne an, die der Chef der Backnanger Firma Riva, Hermann Püttmer, verfolgt. Ihm gehört rund ein Drittel der in Rede stehenden Fläche. Das Herzstück von Püttmers Vorhaben ist ein Hochhaus, das in den Augen seiner Kritiker ganz gut nach Chicago passen könnte, das aber nichts sei für die Stadt Backnang mit ihren rund 38 000 Einwohnern. Was auch immer in den nächstren Jahren konkret gebaut wird, der IBA-Intendant hatte schon bei seiner Visite im Mai erklärt: Das Gesicht der Stadt werde sich „grundsätzlich ändern“.

Beispiele für neue Ansätze des Bauens

IBA
Das Ziel der Internationalen Bauausstellung (IBA) Region Stuttgart 2027 ist es, Beispiele für neue Ansätze des Bauens, Wohnens und Arbeitens zu präsentieren. Insgesamt sind bis dato 72 Projekte im sogenannten IBA-Netz gelistet. Welche tatsächlich zu IBA-Projekten werden, soll im Frühjahr 2020 feststehen.

Workshops
Die 15 Hektar Fläche des Gebiets Backnang-West gehören mehreren Eigentümern, unter anderen der Firma Riva und der Stadt Backnang. Parallel zu den Bürgerworkshops finden Gespräche mit Fachleuten statt. 2020 soll für das Areal ein städtebaulicher Wettbewerb ausgeschrieben werden. Die Ideen der Bürger und der Experten sowie die Vorstellungen der Eigentümer müssen unter einen Hut gebracht werden. Die nächsten drei Workshops finden bis Ende dieses Jahres statt. Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung sollen bei einer Abschlussveranstaltung am Dienstag, 14. Januar, im Technikforum präsentiert werden.