Der schnellste Zug Deutschlands wird 25 Jahre alt. Doch die 249 Hightech-Flitzer machen der Deutschen Bahn AG weiter große Probleme, wie interne Unterlagen zeigen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Zu solchen Festakten kommt die Prominenz gerne. Am kommenden Donnerstag feiert Rüdiger Grube, Chef der Deutschen Bahn AG, mit Gästen wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt in Berlin den Geburtstag von Deutschlands Parade-Zug. Genau 25 Jahre zuvor, am 2. Juni 1991, startete auf der Strecke Hamburg-München der erste Intercity Express (ICE). Der Hightech-Flitzer wurde rasch zum Erfolgsmodell, dessen Technik, Komfort und Umweltfreundlichkeit Maßstäbe setzte.

 

Auch bei den Kunden kommt der Zug bestens an. Im Schnitt 216 000 Fahrgäste nutzen jeden Tag trotz teils saftiger Preise die ICE-Flotte, 80 Millionen waren es allein voriges Jahr. Mehr als 1,8 Milliarden Kilometer haben die Züge bereits zurückgelegt. Der ICE steht für eine neue Ära im Schienenverkehr. Viele Städte und Regionen sind dank der Hochgeschwindigkeitsflotte, die auf dem 1400 Kilometer großen Neu- und Ausbaunetz bis zu Tempo 300 fährt, schneller erreichbar denn je.

Doch der ICE war leider auch immer ein Sorgenkind der Bahn. Vor allem die komplexe Technik verursachte von Beginn an viele Probleme – und den schlimmsten Bahnunfall der letzten Jahrzehnte. Bei der Katastrophe von Eschede, wo am 3. Juni 1998 der ICE 884 zwischen Hamburg und Hannover entgleiste, starben 101 Menschen und 88 wurden schwer verletzt. Ein defekter Radreifen war damals die Ursache.

Die Katastrophe blieb ein Einzelfall

Eine Katastrophe solchen Ausmaßes blieb ein Einzelfall. Die Sicherheit im deutschen Schienenverkehr gilt im internationalen Vergleich als sehr hoch. Im Gegensatz zum Autoverkehr, wo allein 2015 fast 3500 Menschen auf hiesigen Straßen starben, kommen nur wenige Personen zu Schaden. Das ist auch bemerkenswert, weil das deutsche Bahnnetz vielerorts stark ausgelastet ist und zudem schnelle ICE-, langsamere Regional- und schwerfällige Güterzüge sich die meisten Strecken teilen.

Sorgen um die Sicherheit muss sich im ICE niemand machen. Bei Service und Komfort in den Zügen dagegen sieht es weniger gut aus, wie interne Unterlagen der DB Bahn Fernverkehr zeigen, die unserer Redaktion vorliegen. Klimaanlagen, WCs, Bordküchen und Antriebstechnik – überall gibt es Probleme, zum Leidwesen vieler Fahrgäste. Laut der Mittelfristplanung bis 2020 war im vorigen Jahr nicht einmal jeder zweite Fernzug ohne solche Funktionseinschränkungen einsatzbereit, nämlich nur 48 Prozent.

Eines der wichtigen Ziele von DB-Fernverkehrschefin Birgit Bohle ist, die Verfügbarkeit ihrer Fahrzeuge, zu denen auch die betagten Intercity-Züge (IC) gehört, zu erhöhen. Doch die Technikprobleme sind komplex, und so wird sich die Lösung noch Jahre hinziehen. Auch das zeigen interne Papiere. Demnach werden in diesem Jahr nur 55 Prozent der Flotte tadellos funktionieren. 2017 sollen es 67 Prozent sein, 2018 dann 81 Prozent. Erst 2020 sollen alle Züge fehlerfrei sein.

Nur Positives zum Festtag

Zum ICE-Jubiläum blendet die Bahn diese Misere aus. Der Staatskonzern verweist lieber auf das Fitnessprogramm „Reset“, mit dem seit April alle 249 ICE mit 2200 Wagen und ab Herbst alle 1400 IC-Reisezugwagen und knapp 200 Loks herausgeputzt werden sollen. Für 15 Millionen Euro werden unter anderem 34 000 Polster getauscht, Teppichflächen in der Größe von 13 Fußballfeldern ersetzt und Technikmängel behoben.

Das schwierigste und teuerste Problem lässt sich indes nicht so rasch beseitigen. Es sind die für Risse und Brüche anfälligen Radwellen und Antriebseinheiten der meisten ICE-Modelle, die die DB-Aufsichtsräte wieder intern beschäftigen. Seit 2008 im Kölner Hauptbahnhof ein ICE 3 entgleiste, muss der Konzern die Achsen in kurzen Abständen kontrollieren, um das Risiko eines weiteren Bruchs zu minimieren.

Damals legte die Aufsichtsbehörde sogar einen Teil der ICE-Flotte zwangsweise still. Danach durften die Züge zwar wieder fahren. Mehr als die Hälfte der Flotte muss seither aber bis zu fünfzehn Mal häufiger zur Kontrolle in die Werkstatt und fehlt damit im laufenden Betrieb, was bis heute viele Einschränkungen und ausgedünnte Fahrpläne verursacht. Daran wird sich so schnell nichts ändern.

Denn allein der notwendige Tausch von mehr als 1000 Radsätzen bei den 63 ICE 3-Modellen wird noch bis Mitte 2018 dauern, wie die DB bestätigte. Damit wird der Tausch erst vier Jahre später erledigt sein als ehemals von DB-Vorstand Volker Kefer angekündigt. Der Grund: die Entwicklung und Zulassung der Ersatztechnik dauerte viel länger als geplant, zudem stritten Bahn und Hersteller lange um Schadenersatz.

Die Probleme werden nicht weniger

Am Ende jedoch wird die DB auf dem Großteil der Gesamtkosten in deutlich dreistelliger Millionenhöhe sitzen bleiben. So hat bei den 67 ICE-T-Neigetechnikzügen, wo sogar 28 Radsätze pro Zug getauscht werden müssen, der Ersatz noch nicht einmal begonnen. Die ICE-T müssen seit Jahren sogar schon nach 21 500 Kilometern zur Kontrolle in die Werkstatt, also alle paar Tage. Und die Probleme werden nicht weniger. Wie Unterlagen des DB-Aufsichtsrats zeigen, wurden schon vorigen Sommer vermehrt Risse an den Bremshohlwellen von ICE 1 und 2 festgestellt, deren Technik bisher als weniger anfällig galt. Bei der Kontrolle aller 59 ICE1-Züge seien bei zwei Prozent der Wellen Risse ermittelt und die Bauteile getauscht worden, bestätigte der Konzern unserer Redaktion.

Die DB-Experten wollen die Hohlwellen künftig mit feineren Messmethoden überwachen. Darauf will auch das Eisenbahnbundesamt achten. Die Aufseher haben den Konzern aufgefordert, die Prüfintervalle anzupassen, bis die anfälligen Bauteile ausgetauscht und bessere Varianten konstruiert worden sind. Über die weitere Entwicklung will die Behörde auf dem Laufenden gehalten werden.