Zwei Schwedinnen, die was mit Mode machen und mit ihrem Song in der Coke-Light-Werbung waren: klingt albtraumhaft? Ist aber eine auf subtile Weise herausragende Show. Die "90s-Bitches" aus Schweden machen poppige Clubmusik und eine Show, die man so souverän nicht erwartet hätte. Und als nächstes singen sie den Song für die Fußball-WM 2014.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Popkarrieren laufen, allem Myspace-Twitter-Tumblr-Hipstertum zum Trotz, immer noch oft genug nach klassischem Muster ab - also mit reichlich Werbebudgets und klassischer Live- sowie On-Air-Präsenz. So etwa im Falle von Icona Pop: Die beiden Schwedinnen schafften es mit einem Song von ihrer zweiten EP - "I love it" - in die Coke-Light-Werbung. So etwas erzeugt offenbar immer noch genügend Aufmerksamkeit, um einen Werbesong in die regulären Charts zu bringen. 2012 war das. Es folgten eine Tour als Support für Marina and the Diamonds, ein Auftritt bei der Michalsky Stylenite im Rahmen der Fahion Week und damit das zumindest temporäre Eindringen in das Modegeschäft. Zumal Aino Jawo und Caroline Hjelt natürlich bekennen, absolute Fashion Victims zu sein. Die Tour durch die Clubs ist der bislang letzte Aufschlag in der Platzierung dieses Musik-Duos am Markt, wobei Stuttgart die vorerst letzte Station in Deutschland ist.

 

Die Duftmarke ist also gesetzt: Club-Pop, irgendwas mit Mode, Mädelspower und Coke light. Die Songs auf ihrer EP "Iconic" erinnern spontan an den aufgekratzten Sound der (ebenfalls schwedischen) Kapelle The Sounds, wenngleich ohne Gitarren und mit einem ganzen Eck mehr Elektronik. Der teilweise fast görenhafte Gesang der beiden Schwedinnen ist auf jeden Fall ein Wiedererkennungsmerkmal. 

"I don't care, I love it"

Und die Show? Vorab im Netz lässt sich von dem nicht leicht zu meisternden Stylenite-Auftritt bis zum knicklichternden Gig im Glasslands-Club in New York-Williamsburg (also im Hipsterviertel) fast alles zwischen glatter TV-Show und knisternder Clubnacht finden. In Stuttgart sind die Voraussetzungen für Letzteres insofern ungünstig, als das Konzert wegen des anschließenden Auftritts von DJ Koze und Co. bereits kurz nach zehn beendet sein musste - die meisten Clubs haben um diese Uhrzeit noch nicht einmal geöffnet. I don't care, I love it?

So haben sie es am Samstag ganz am Ende gesungen. Und man nimmt es Aina Jawo und Caroline Hjelt ab, dass sie "ihren Traum leben". So sagt es Hjeldt, als sie von den Partys in ihrer "Hippie-WG" erzählt, bei denen jeder reinkonnte und auf denen sie Jawo kennenlernte. Jetzt sind die beiden beste Freundinnen und auf Welttournee. Umarmung, "I love it!"

So souverän

Ja, das auch. An der Show von Icona Pop ist aber weniger das Neue der Musik das wirklich Interessante. Auch wenn man Frauen, die an Synthesizern rumspielen, inzwischen so sexy finden darf wie einst Bassistinnen: Die beiden Icona-Pop-Girls müssen sich vom Techniker zwischendurch mal den Synthesizer wieder richtig einstellen lassen und wirken dabei mehr wie Mädchen, denen man alle lästigen Pflichten abnimmt. Das Bemerkenswerte ist, wie die beiden sich auf der Bühne bewegen. Damit ist nicht das Herumhüpfen von Caroline Hjelt gemeint, auch nicht die fast ständig in die Luft gereckte und damit reichlich entpolitisierte erhobene rechte Faus; es geht auch nicht um das pseudo-ausdrucksstark verzerrte Gesicht von Aina Jawo beim Singen oder Bass-Raus-und-wieder-Reindrehen. Vielmehr macht die Selbstverständlichkeit, mit der diese beiden Frauen die Bühne für sich einnehmen und wie sie aufs Publikum zugehen, diese Show besonders: die bemerkenswerte Nähe zu den Zuhörern.

Die Anhänger im nicht ganz vollen Rocker 33 sind leicht zu begeistern. "I'm a 90s Bitch" steht auf den T-Shirts, die sich viele nach dem Konzert kaufen - bei der Mehrzahl bezieht sich das Jahrzehnt auf das Geburtsdatum statt auf die Zeit, in denen man club-sozialisiert wurde. Aber was soll's. Die beiden Damen haben ihre Show voll und ganz im Griff; sie haben das Bier in der einen und ihre Fans in der anderen Hand, sind nah dran und doch erhaben. Man wartet eigentlich nur noch darauf, dass Icona Pop zum Stagedive ansetzen. 

Und die Fußball-WM 2014?

Man kannte so ein Auftreten (zumindest bei Frauen) bisher höchstens  vom Punk; vielleicht  von einigen wenigen Rock-Röhren oder Peaches. Dass nun massentaugliche Club-Acts wie die Zwei-Frauen-Combo Icona Pop eine so selbstsichere Show abliefern (und es vielleicht selbst gar nicht merken), ist doch ein Schritt nach vorn. Diese beiden Schwedinnen in die Tradition der Riot-Grrrls oder sonstiger Frauenpower-Bewegungen zu stecken, wäre übertrieben. Doch sie (und ihre Show) sind weit weniger Plastik und Coke, als die bisherige Karriere von Icona Pop glauben macht. 

Musikalisch freilich wird man sich noch auf einige 90er-Momente einstellen müssen. Die neue Single "We got the world" könnte in der nächsten Coke-Werbung anlässlich der Fußball-WM 2014 laufen. Leslie Gores frühen Disco-Hit "It's my party" interpretieren Icona Pop in einer bassmäßig völlig übertriebenen Club/Hip-Hop-Version, und generell dominieren Synthesizer-Sounds, die man vor zehn Jahren noch wütend abgelehnt hätte. Aber was soll's. Hauptsache Spaß gehabt: I don't care, I love it.