Wie sollte das Zusammenspiel der denkmalgeschützten Siedlung und ihrer Nachbarn, allen voran die Kunstakademie, aussehen? Auf diese Fragen fanden offenbar gerade Planungsteams mit Ortskenntnis die besten Antworten.

Wie sieht das künftige Zusammenspiel der denkmalgeschützten Stuttgarter Weißenhofsiedlung mit ihrer Umgebung aus? Und wie könnte sich das alles zur Internationalen Bauausstellung 2027 StadtRegion Stuttgart präsentieren? In diesen Fragen gibt es jetzt größere Klarheit, denn im offenen städtebaulichen Ideenwettbewerb Weißenhof 2027 hat das Preisgericht unter dem Vorsitz der Architekturprofessorin Dörte Gatermann (Köln) entschieden.

 

Den ersten Preis erkannte es einem Entwurf zu, aus dem sich nach den Worten von Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) auch eine klare Positionierung für das künftige Besucher- und Informationszentrum Weißenhof ergibt. Es ist als terrassiertes Empfangsgebäude angedacht – und als Auftakt zur verkehrsberuhigten Weißenhofsiedlung und zum Campus der Kunstakademie gleichermaßen.

Der siegreiche Beitrag stammt von der Arbeitsgemeinschaft Schmutz & Partner Freie Architekten/Innenarchitekten mit den Büros Scala Freie Architekten Stadtplaner und Pfrommer + Roeder, allesamt Stuttgart. Auf ihrem Entwurf will die Stadt nun aufbauen und nach Pätzolds Worten „die weiteren Planungsschritte zügig vorbereiten“. Dazu werden auch Realisierungswettbewerbe gehören, um beispielsweise die konkrete Planung für das Empfangsgebäude zu finden. Seine Realisierung bis 2027 zur IBA hat höchste Priorität, gilt zeitlich aber auch als sportliche Herausforderung. Anderes wird am Weißenhof – wie auch an einigen anderen Spielorten der IBA – 2027 noch im Entwicklungsprozess sein. So ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Erweiterung der Kunstakademie bis dahin beendet werden kann.

Ein heterogener Ort neu gedacht

Die Jury urteilte, der selbstbewusste Vorschlag des ersten Preisträgers bringe eine Aufwertung der bisher „heterogenen Situation“. Er setze an den richtigen Stellen kräftige bauliche Akzente und vervollständige den Akademie-Campus auf selbstverständliche und funktional überzeugende Weise. Für das Preisgericht sei ausschlaggebend gewesen,hieß es, dass diese Arbeit die Akademie, die Weißenhof- und die Beamtensiedlung sowie die Brenzkirche stadträumlich und architektonisch vielschichtig verknüpfe. Ein Unterfangen übrigens, für das nicht nur ein Büro auf Verkehrsberuhigung zwischen Brenzkirche und Akademie setzte.

Gemäß dem Siegerentwurf sollen sich am Weißenhof zwei neue Platzbereiche ergeben sowie Neubauten der Akademie entlang der Stresemannstraße mit einem siebengeschossigen Gebäude als prägnantem Abschluss zum Augustinum hin. Besonders entlang der Straße Am Weißenhof sollen inszenierte Aussichtspunkte, sogenannte Stadtbalkone, Bänke und Baumgruppen die Weißenhofsiedlung aufwerten. Bestätigt hat sich überdies im Wettbewerb eine schon früher aufgekommene Idee: das Grundstück Bruckmannweg 10, seit einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg eine Brache mitten in der weltberühmten Siedlung, wird für experimentelles Bauen in den Blick genommen, nicht für Rekonstruktion des früheren Gebäudes.

35 Beiträge waren eingegangen

In dem offenen Wettbewerb, zu dem 35 Beiträge eingereicht wurden und in dem gerade die Lokalmatadoren ihre Ortskenntnis und Intuition ausspielen konnten, ging es um nicht weniger als die Vorbereitung der Weißenhofsiedlung auf das Jahr 2027. Dann wird die Ikone der Moderne in der Architekturgeschichte, schon lang ein Kulturdenkmal, 100 Jahre alt, was auch der Anlass und der Ausgangspunkt für die IBA ’27 ist. Daher bezeichnete der IBA-Intendant Andreas Hofer den jetzt beendeten Wettbewerb auch als eine Herzensangelegenheit der IBA-Macher. Bliebe die Weißenhofsiedlung wie sie ist, wären sie und ihr Umfeld nach Hofers Einschätzung dem IBA-Ausstellungsjahr weder baukulturell noch logistisch für den erwarteten Besucheransturm gewachsen. So war Veränderung verlangt, obwohl das denkmalgeschützte Ensemble nicht verändert werden kann.

Die Akademie-Erweiterung als Impuls

Als Schlüssel dafür fungierten die Erweiterungspläne der Akademie und das Empfangs- und Besucherzentrum, das im Jahr 2027 zur IBA fertig sein soll, urteilte Hofer. Das Empfangszentrum löse nicht nur ganz praktische Probleme bei der Ankunft der Besucher, es schaffe auch Großzügigkeit neben den kleinteiligen Strukturen der Siedlung und kläre die räumlichen Verhältnisse am Killesberg. Hofer: „Auf dieser guten Basis lässt sich jetzt eine freiräumliche, ökologische, verkehrliche und denkmalpflegerische Diskussion führen, wie sich der Weißenhof und die Brenzkirche in das neue Gefüge einordnen können, ohne dass sie ihre Geschichte verlieren.“

Auch Kai Fischer, Chef der Abteilung Vermögen und Hochbau im Finanzministerium, attestierte dem von der Stadt und vom Land in Kooperation mit der IBA ausgelobten Wettbewerb großen Nutzen: Er habe wertvolle und nachhaltige Perspektiven für die Weiterentwicklung des Quartiers für einen Campus der Zukunft erbracht.

Der Wettbewerb

Teilnehmer
Die 35 Beiträge kamen aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Spanien, Polen, Bulgarien, Frankreich und den USA. Es hatten sich auch länderübergreifende Arbeitsgemeinschaften zusammengefunden.

Ergebnis
Die Jury vergab insgesamt fünf Preise und zwei Anerkennungen. Der zweite Preis ging an Bottega + Ehrhardt Architekten GmbH (Stuttgart) mit Koeber Landschaftsarchitektur GmbH (Stuttgart) und Ute Meyer Stadtplanung. Den dritten Preis erhielten UTA Architekten und Stadtplaner GmbH (Stuttgart) mit Gutiérrez-Delafuente Arquitectos SLP (Madrid). Der vierte Preis wurde Mäckler Architekten (Frankfurt am Main) mit USUS Landschaftsarchitektur AG ( Zürich) zuerkannt, der fünfte Preis Studio Cross Scale (Stuttgart) mit Laux Architekten (München) und Blank Planungsgesellschaft (Stuttgart). Eine Anerkennung erhielten FFFW von Ferrari & Walter Architektenpartnerschaft mit Amelie Rost Architect, Yellow Z – Abel Bormann Koch Architekten und Stadtplaner und plancontext GmbH (alle Berlin). Eine weitere Anerkennung ging an metris architekten + stadtplaner mit Steffen Becker, Freier Landschaftsarchitekt (alle Heidelberg).

Ausstellung
Pläne und Modelle aller 35 Wettbewerbsbeiträge sind vom 23. Juni bis zum 8. Juli von 10 bis 18 Uhr in der ehemaligen Filiale von Conrad Elektronik im Postquartier (Kronenstraße 7) zu sehen. Auszüge der preisgekrönten Entwürfe sind vom 23. Juni an im Internet unter folgender Adresse zu sehen: