Bei einer Demonstration und Kundgebung mit rund 250 Teilnehmern auf dem Waiblinger Rathausplatz stellt sich der IG Metall-Bezirk hinter die Forderung von sieben Prozent mehr Lohn und 170 Euro mehr für Auszubildende – und blickt auch auf die große Politik.

Donnerstag, 11.45 Uhr. Es ist zum eigentlichen Kundgebungsauftakt in der Waiblinger Altstadt noch recht ruhig am Rathausplatz. Bis auf die Musik, bei der die Gewerkschaftler der IG Metall auf so ziemlich alles zurückgreifen, was der gewerkschaftliche Rock- und Pop-Fundus von Bella Ciao bis zu den Toten Hosen oder Neil Youngs „Keep on rockin in the free world“ so hergibt. Punkt 12 Uhr, also mit rund einer Viertelstunde Verspätung, taucht aus Richtung Kurze Straße dann – angeführt von zwei Polizeifahrzeugen – der Demonstrationszug auf. Mit Pauken und Trompeten und einem bunten Strauß an Plakaten und Transparenten bevölkern 200 bis 250 IG Metaller den Rathausplatz. Das ausgegebene Ziel: Druck machen für die laufenden Tarifverhandlungen, deren dritte Runde dieser Tage erfolglos endete.

 

Start bei der Firma Syntegon – aus besonderem Grund

Gestartet ist der Demonstrationszug der Metaller gut eine Stunde zuvor vor den Toren des bisherigen Stammsitzes der Firma Syntegon, der demnächst in die Schweiz verlegt werden soll. Während der Kundgebung wurde harsche Kritik am Management von Syntegon Waiblingen laut. Dies sei ein deutliches Beispiel dafür, dass ein Teil der Probleme in der Metall- und Elektrobranche nicht nur an schwierigen derzeitigen Rahmenbedingungen liege, sondern teils schlicht hausgemacht sei. Die Forderung der Syntegon-Mitarbeiter auf deren Plakaten: „Sicherheit für alle Beschäftigten“ und „Keine betriebsbedingten Kündigungen“.

Die vierte Verhandlungsrunde, so berichtete auf dem Rathausplatz die erste Bevollmächtigte und Geschäftsführerin der Kooperationsgeschäftsstellen Ludwigsburg und Waiblingen, Susanne Thomas, werde am voraussichtlich entscheidenden Verhandlungstermin am 11. November konzentriert durch die IG Metall-Bezirke Bayern und Küste geführt werden. Der Forderung der IG Metall nach sieben Prozent mehr Lohn und 170 Euro mehr im Monat für die Auszubildenden steht bisher ein Angebot der Arbeitgeberseite von 3,6 Prozent gegenüber, verteilt mit 1,7 und 1,9 Prozent auf zwei Jahre.

Wenig Ernst am Verhandlungstisch?

Von „Bluffern“ unter den Verhandlungsführern der Arbeitgeber berichtete die Bevollmächtigte. Unter den Vertretern von Südwestmetall gebe es die fast zynische Bemerkung, beim eigenen Angebot müsse eigentlich eine Null davor. Die Reaktion auf dem Waiblinger Marktplatz: Lautstarke Buhrufe und Trötenprotest. Susanne Thomas weiter: „Was sich da abspielt, empfinde ich nicht als Verhandlungen.“ Ein Unding sei dies auch angesichts der Tatsache, dass die Beschäftigten in der Coronazeit „Power gezeigt haben, während die Chefetage daheim im Homeoffice gesessen ist“.

Verweis auf Donald Trump und Christian Lindner

Der zweite Bevollmächtigte des IG-Metallbezirks, Christian Friedrich, hatte sich zunächst begeistert gezeigt, „dass so viele Kolleginnen und Kollegen zum Rathausplatz gekommen sind“. Beim Aktionstag gehe es zunächst vor allem um Solidarität. Gerade in Zeiten eines Wahlsiegs von Donald Trump in den USA und dem von den Liberalen in Gestalt von nun Ex-Finanzminister Christian Lindner provozierten Aus für die Regierungskoalition in Berlin „ist es wichtig, dass wir zusammenhalten“. Explodierende Inflation, die dafür sorge, dass auch jetzt die Lebenshaltungskosten auf extrem hohem Niveau verbleiben, seien nur ein Faktor, der ein nennenswertes Plus bei den Tarifen erfordere. Zumal es im kommenden Jahr auch keine Ausgleichszahlungen wie in den vergangenen Jahren geben werde.

Klar sei letzten Endes, betonte die erste Bevollmächtige des IG-Metall-Bezirks Waiblingen-Ludwigsburg, „dass der Geldbeutel gefüllt wird – her mit der Kohle, aber in die richtigen Kanäle“. Es gehe schließlich auch darum, die Kaufkraft im Sinne der Bedürfnisse der Gesamtwirtschaft zu stärken und so Arbeitsplätze zu sichern. „Wir nehmen die Gesamtsituation mit der Sieben-Prozent-Forderung ernst“, sagte Thomas. „Wir können von Waiblingen aus Trump oder Lindner und Co nicht beeinflussen, aber wir müssen den Menschen Mut machen.“

Von Bosch zu Syntegon Technology

Geschichte
 Syntegon ist vor 55 Jahren als Robert Bosch Apparatebau GmbH gegründet worden. Nach dem Verkauf der Bosch-Verpackungssparte an die luxemburgische Beteiligungsgesellschaft CVC Capital Partners entstand 2020 Syntegon Technology als eigenständiges Unternehmen.

Daten
 Syntegon Technology beschäftigt laut eigenen Angaben rund 6300 Mitarbeiter an 39 Standorten in 17 Ländern. Am Hauptsitz in Waiblingen sind rund 700 Menschen beschäftigt. Vorsitzender der Geschäftsleitung ist Torsten Türling, der den Posten von Michael Grosse übernommen hat.

Aktuell
 Der Verpackungsspezialist will seinen Stammsitz in Waiblingen aufgeben und in die Schweiz verlagern. Direkt betroffen sind laut dem Management nur zehn bis 20 der insgesamt rund 700 Mitarbeiter. Doch auch auf den Rest der Belegschaft kommen Veränderungen zu.