Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Also weg mit Riester?
Ich sehe jedenfalls keine Rechtfertigung mehr für Milliardensubventionen in einen Versicherungszweig, der seine sozialpolitische Zielsetzung nicht erfüllt hat. Klar ist aber auch: Wer einen Riester-Vertrag abgeschlossen hat, darf jetzt aber nicht der Verlierer sein. Er muss im Zuge der Besitzstandswahrung unterstützt werden und eine verlässliche Perspektive für sein Produkt haben.
Welche von allen Maßnahmen bei der Rente hat für Sie oberste Priorität?
Im Zentrum steht, das Rentenniveau zu stabilisieren und wieder anzuheben. Notwendig sind auch Begleitmaßnahmen zur Armutsprävention für bestimmte Versicherungsbiographien, aber Alterssicherung sollte nicht nur als Armutsthema diskutiert werden. Rente ist auch das Äquivalent zur Anzahl der Versicherungsjahre und zur Höhe der eingezahlten Beiträge – dieses Prinzip ist unverzichtbar für die Akzeptanz in der Gesellschaft. Auch da gibt es Korrekturbedarf, weil auch für Versicherte mit einer erfüllten Erwerbsbiografie mitunter ein drastischer Absturz im Lebensstandard droht.
Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte noch im Frühjahr eine Stabilisierung des Rentenniveaus verlangt – ist er ein glaubwürdiger Mitstreiter?
Das Problem mit Herrn Seehofer ist, dass seine Standpunkte alles andere als zuverlässig sind. Wenn er sich den Forderungen der Gewerkschaften anschließen sollte, ist er willkommen. Unsere Durchsetzungsstrategie auf ihn zu gründen, hieße jedoch, eine Burg auf Sand zu bauen.
Soll in der nächsten Legislaturperiode eine parteiübergreifende Rentenkommission eingerichtet werden, wie in der CDU erwogen wird?
Ich bin da skeptisch. Die IG Metall sieht ihr Konzept als einen mittelfristigen Prozess. Wir haben schon einiges erreicht – wie die Rente mit 63. Die Konzeption von Andrea Nahles ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, geht aber nicht weit genug. Ich glaube, dass die Situation hinreichend analysiert ist und dass wir nicht noch mal eine Kommission brauchen, die umfassend das Thema hin- und her wälzt. Kommissionen sind sinnvoll, wenn es darum geht, das Gelände zu sondieren. Aber in der Rentenpolitik sind wir weiter. Mir wäre es lieber, wenn bei der Bundestagswahl politische Mehrheiten zustande kämen, die es ermöglichen, den nächsten, überfälligen Schritt beim solidarischen Wiederaufbau des Alterssicherungssystems zu machen.
So ist mit Ihrem Konzept ein Koalitionswunsch verbunden, weil es sich nur mit Rot-Rot-Grün umsetzen ließe?
Wir wollen Mehrheitsverhältnisse, die an unseren Vorschlägen möglichst nah dran sind – mit welchen Parteien, das werden wir sehen.
Die Mehrausgaben würden nach Ihrem Konzept 36 Milliarden Euro betragen – wer wären denn die Verlierer?
Wir haben einen Finanzierungsmix aus vier Elementen vorgeschlagen: erstens die Steuerfinanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wie der Mütterrente, zweitens ein deutlicher Einstieg in die Erwerbstätigenversicherung mit der unverzüglichen Ausdehnung auf die Selbstständigen – drittens eine Nachhaltigkeitsreserve, die in den Jahren mit günstiger Arbeitsmarktentwicklung aus Überschüssen der Rentenversicherung aufgebaut wird. Viertens wird wohl eine moderate Anhebung des gesetzlichen paritätischen Beitragssatzes notwendig werden – Zeitpunkt und Höhe hängen davon ab, wie die anderen Instrumente greifen. Damit ist die jüngere Generation in jedem Fall besser gestellt, als wenn sie sich ohne paritätischen Arbeitgeberanteil über den Kapitalmarkt mit seinen Zinsrisiken versichern muss.
Sie wollen auch die Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung bringen – wie realistisch ist das?
Ich halte das nicht für utopisch. Das Problembewusstsein dafür wächst. Wir haben seit Jahren eine Diskussion, ob alle Bereiche des Berufsbeamtentums in Zukunft noch durch Beamte besetzt werden müssen. Zudem stöhnen die öffentlichen Gebietskörperschaften unter der Last der permanent anwachsenden Pensionszahlungen. Gangbar wäre es, einen Fixpunkt zu setzen: wer ab diesem Zeitpunkt neu in den Beamtenstatus kommt, sollte in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Beamte mit vorhandenen Pensionszusagen bleiben ausgenommen. Das erhöht zunächst die Lohnkosten, würde sich aber über mehrere Jahrzehnte rechnen. Eingesparte Mittel bei der Beamtenversorgung könnten umgeschichtet werden.
Ohne Steuererhöhungen geht es aber nicht?
Wenn wir die versicherungsfremden Leistungen über Steuern finanzieren, wird man das allgemeine Steueraufkommen betrachten müssen. Momentan hat Finanzminister Schäuble jedenfalls mehr Geld, als wir für unsere Vorschläge bräuchten.