Iggy Pop in Stuttgart Punk in jeder Geste
Der 75-jährige Iggy Pop hat im Beethovensaal der Liederhalle seine großen Hits gespielt und gezeigt, wieso er „Godfather of Punk“ genannt wird.
Der 75-jährige Iggy Pop hat im Beethovensaal der Liederhalle seine großen Hits gespielt und gezeigt, wieso er „Godfather of Punk“ genannt wird.
Er zappelt und hoppelt über die Bühne, er macht Windmühlenarme und turnt am Mikrofonständer, er gestikuliert wild und geht in Pose wie eine Grazie: Was Iggy Pop im Beethovensaal aufführt, ist eine begnadete, bizarre Rock-Performance. Es gibt nicht viele 75-Jährige, die das könnten – Iggy Pop aber hat sein Leben lang nichts anderes gemacht, sein Körper ist darauf geeicht, sich im Rhythmus einer Band zu bewegen. Als „Godfather of Punk“ wird er gerne bezeichnet, die Sex Pistols und andere zitieren ihn als Vorbilder. An diesem Abend wird deutlich, warum: Iggy Pop trägt die rebellische Haltung in jeder Geste, vermittelt Unbeugsamkeit in jedem Blick. Nach zwei Songs ist das Sakko weg, der freie Oberkörper ist eines seiner Markenzeichen. Stagediving, als dessen Erfinder er gilt, kann er nicht mehr machen, aber er wirft gerne das Mikrofon weg – und einmal gleich den ganzen Mikrofonständer quer über die Bühne.
Schon beim zweiten Song stehen alle der knapp 2000 Besucher im bestuhlten Saal, wie das zuletzt öfter der Fall war. Bei diesem Künstler kommt das nun wirklich nicht überraschend, man hätte sich ihn gut auch unbestuhlt im LKA oder auf der Freilichtbühne Killesberg vorstellen können. Das Programm ist eine Best-of-Reise, am Ende des ersten Blocks spielt Pop drei seiner ganz großen Hits direkt hintereinander. Er habe noch „Lust for Life“, bellt er im fröhlichen Gassenhauer in Dur.
Die Musik dazu schrieb ihm David Bowie 1977 nach dem gemeinsamen Drogenentzug in Berlin auf den Leib; richtig populär wurde der Song erst knapp 20 Jahre später, als der Regisseur Danny Boyle ihn in seinem Film „Trainspotting“ verwendete – einer schwarzen Komödie über eine Clique heroinabhängiger Mittzwanziger in Edinburgh.
Ebenfalls 1977 im Berliner Hansa-Studio hat Iggy Pop „The Passenger“ aufgenommen, eine Hymne mit nur einem einzige Riff des Gitarristen Ricky Gardiner. Darin erzählt er davon, wie der Mensch durchs Leben treibt und sich dabei zwischendurch fühlt, als gehöre ihm die Welt. Minutenlang singen die Stuttgarter den berühmten „La la la“-Refrain im Chor, und Iggy Pop dirigiert.
Dann folgt „I wanna be your Dog“, die erste Single seiner Band The Stooges aus dem Jahr 1969 . Das Gitarrenriff klingt wie eine Drohung, die Begleitband steigert sich in ein fiebriges Inferno hinein, während der Frontmann den Songtitel rezitiert, als handele es sich um eine Verkündigung. Iggy Pop, der letzte Überlebende der Stooges, liebt die Theatralik – und er spielt weitere Songs der Gruppe, mit der er von der Provinz in Michigan aus die Welt erobert hat: „I’m sick of you“, „Gimme Danger“ und zum Abschluss „Search and Destroy“.
Iggys kehlige Männerstimme funktioniert noch, seine Band ist besser eingespielt, als das mitunter breiige Klangbild vermuten lässt. Die Gitarristin Sarah „Noveller“ Lipstate erzeugt ihre wabernden Effekt-Kaskaden, es gibt ein Orgelsolo zu hören und der Trompeter und der Posaunist, zwei New Yorker Jazz-Profis, dürfen funkelnde Soli beisteuern. In „Run like a villain“ baut Iggy Pop James Browns „Sex Machine“ ein, und er adelt die Düsseldorfer Krautrockband Neu!, indem er ihren Song „Hero“ von 1975 spielt.
Am Ende sind manche Besucher völlig begeistert, andere weniger. „Eine Offenbarung!“, ruft ein verschwitzter Mann beim Hinauslaufen, „der Sound war eine Unverschämtheit“, befindet eher unterkühlt eine Frau. Recht haben sie beide.