Die Zahl neuer Ausbildungsverträge in der Region Stuttgart ist 2012 gesunken. Dies alarmiert die IHK, die ohnehin einen härteren Kampf um Fachkräfte erwartet.

Auf dem Arbeitsmarkt in der Region Stuttgart gibt es nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart gegenwärtig noch keinen flächendeckenden Fachkräftemangel; trotzdem passen Angebot und Nachfrage immer weniger zueinander, was die wirtschaftliche Entwicklung hemmt. Wie der neue IHK-Präsident Georg Fichtner bei seiner ersten Pressekonferenz sagte, fehlen den Unternehmen zurzeit etwa 65 000 Akademiker, Meister, Techniker, Betriebswirte und Fachkräfte. Demgegenüber rechnet Fichtner mit 16 000 gering qualifizierten Menschen, die auf Jobsuche sind.

 

Die Zahl der Ausbildungsverträge sinkt

Nach Fichtners Worten hat der Fachkräftemangel im vorigen Jahr verhindert, dass mehr neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Das Thema, so sagte er, verliere trotz der abgeschwächten Konjunktur auch im laufenden Jahr nicht an Brisanz. So gebe es bei Elektroingenieuren einen gravierenden Engpass. Die Schere wird sich nach Prognose der IHK in den kommenden Jahren weiter öffnen, so dass in einem konjunkturellen Spitzenjahr 2030 bis zu 126 000 Fachkräfte fehlen könnten. Für ganz Baden-Württemberg haben die Kammern mit ihrem Fachkräftemonitor, der mit Hilfe des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifor in Darmstadt entwickelt wurde, ein Defizit von bis zu 474 000 Fachkräften im Jahr 2030 ermittelt .

„Weder Wirtschaft noch Politik und Gesellschaft dürfen in ihrem Engagement für eine bessere Ausschöpfung der vorhandenen Fachkräftepotenziale nachlassen“, sagte der IHK-Präsident, der im Hauptberuf geschäftsführender Gesellschafter des Stuttgarter Ingenieurbüros Fichtner ist. Fichtner: „Die Weiterbildung gering qualifizierter Arbeitskräfte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und nicht zuletzt die Förderung der dualen Ausbildung sowie eine verbesserte Willkommenskultur für ausländische Fachkräfte müssen dringend von der Politik vorangebracht werden.“ Zur Verschärfung des Fachkräftemangels trägt auch das nachlassende Interesse der Jugend an einem Ausbildungsberuf bei. In der Region Stuttgart wurden im vorigen Jahr 11 300 Ausbildungsverträge abgeschlossen, 0,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. „Am Angebot der Betriebe liegt es nicht, dass die Zahl der Ausbildungsverträge sinkt“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter. So seien fast 1700 neue Lehrstellen geschaffen worden, und 900 Ausbildungsbetriebe seien dazugekommen. Es werde immer schwerer, freie Ausbildungsplätze zu besetzen. Richter: „Auch der doppelte Abiturjahrgang hat sich nicht positiv auf die Bewerberzahlen niedergeschlagen.“ Das Bild für ganz Baden-Württemberg sieht ähnlich aus.

Manchmal wäre eine Lehre die bessere Entscheidung

Dass die Betriebe so stark um den nachwuchs kämpfen müssen, lastet die Kammer auch der Politik an, genauer: deren „einseitiger Ausrichtung“ am Studium. Die Landesregierung will, dass 50 Prozent eines Jahrgangs einen Hochschulabschluss erwerben soll. Nach den Worten von Richter stellt sich aber die Frage, „ob es für so manchen Jugendlichen wirklich das Beste ist, Abitur zu machen und zu studieren.“ Die Kammer verweist auf die hohe Zahl der Studienabbrecher – etwa 25 Prozent – als Indiz dafür, dass sich ein Teil der Jugendlichen besser für eine Lehre entschieden hätte. „Wir fordern bessere Entscheidungshilfen für Gymnasiasten bei der Wahl zwischen Studium und Lehre“, sagte Richter. Ein Teil der Kammerorganisation könnte sich als Konzept eine betriebsnäher gestaltete gymnasiale Oberstufe vorstellen. Diskutiert wird auch über Spezialangebote für Studienabbrecher, die die Erfahrung aus einigen Semestern Studium mitbringen und mit einer klassischen Lehre womöglich unterfordert wären.Stuttgart -