Die IHK und die Handwerkskammer in Stuttgart begrüßen die meisten Pläne der rot-grünen Regierung. Die Lage der Betriebe ist gut.  

Stuttgart - Die Lage der Betriebe im Land ist phänomenal gut." Geradezu euphorisch äußerte sich der Präsident der IHK Region Stuttgart, Herbert Müller, gestern angesichts der Konjunkturumfrage im ersten Quartal 2011. Mehr als die Hälfte aller Betriebe bewerteten ihre Lage als gut, das seien fünf Prozentpunkte mehr als zu Jahresbeginn, so Müller. Gründe dafür seien mittlerweile neben dem Export auch die Binnennachfrage und der private Konsum. In den noch nicht absehbaren Risiken, die in den aktuellen Krisen nach dem verheerenden Erdbeben in Japan und in den Umwälzungen in Nordafrika lägen, sähen die Betriebe nur ein nachrangiges Risiko. Kritischer schätzten sie steigende Energie- und Rohstoffpreise ein. Ähnlich optimistisch beurteilen auch die Handwerker in der Region ihre Lage. Hier ist der Konjunkturindikator laut dem regionalen Handwerkspräsidenten Rainer Reichhold auf einen Rekordstand gestiegen.

 

Überwiegend positiv äußerten sich die beiden Verbandschefs auch zu den wirtschaftspolitischen Plänen der grün-roten Regierungskoalition im Land. "Große Teile des wirtschaftspolitischen Teils des Koalitionsvertrags könnten aus unserer Feder stammen", sagte Müller. Die Regierung werde sicher darauf schauen, dass sie die führende wirtschaftliche Position des Landes nicht aufs Spiel setze, zeigte sich Reichhold überzeugt. Er begrüßte unter anderem den Plan des designierten Finanz- und Wirtschaftsministers Nils Schmid (SPD), sich für die Finanzierungsmöglichkeiten des Mittelstandes einzusetzen.

Entscheidend ist die Frage nach dem Energiemix

Allerdings sehen beide Wirtschaftsverbände auch kritische Passagen in dem 85-seitigen Vertragswerk. Sorge bereiteten der Wirtschaft vor allem drei Dinge, so Müller: die Haltung der Koalitionäre zum Bahnprojekt Stuttgart21, die Festlegung, Straßenneubauten nur noch in begründeten Einzelfällen zu realisieren, und die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 auf fünf Prozent des Kaufpreises, um den Ausbau von Angeboten in der frühkindlichen Bildung finanzieren zu können. Statt die Steuer zu erhöhen und damit junge Familien davon abzuhalten, in die Zukunft zu investieren, hätte die Koalition lieber die Studiengebühren beibehalten sollen, sagte Müller. Beide Maßnahmen haben ein vergleichbares Volumen von etwa 130 bis 140 Millionen Euro. "Die Grunderwerbsteuer zu erhöhen halten wir für grottenfalsch."

Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 kritisierte Müller vor allem die Haltung des designierten Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne) zum Stresstest, der zeigen soll, ob das Projekt innerhalb des Finanzrahmens von 4,5 Milliarden Euro verwirklicht werden kann. Hermann, der als Verkehrsexperte bei der Schlichtung mitgewirkt hatte, hat sich bereits mehrfach überzeugt gezeigt, dass S21 den Test nicht ohne teure Nachbesserungen bestehen werde.

Zu den energiepolitischen Passagen des Vertrages sagte Müller, es spräche eine große Kompetenz aus ihnen. Nun komme es aber darauf an, wie die Pläne konkret umgesetzt würden. Entscheidend sei beispielsweise die Frage, wie der Energiemix der Zukunft aussehe und wie schnell er umgesetzt werden solle. "Auf alle Fälle muss die Versorgung sicher und bezahlbar bleiben." Das Handwerk sieht nicht zuletzt Auftragschancen in der Energiewende. Zur Aufforderung des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt an Unternehmen im Land, angesichts der drohenden grün-roten Regierung nach Bayern überzusiedeln, sagte Müller, ihm sei kein einziger entsprechenden Plan eines Betriebs bekannt.