Aktivisten bringen illegal eine Gedenktafel für die Opfer der rassistischen Morde von Hanau an der Rückseite des Stuttgarter Rathauses an. Aus den Reihen der CDU und der AfD gibt es Kritik, das Linksbündnis will eine dauerhafte Installation als Gedenkort, andere diskutieren noch.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Aktivisten haben bereits am 19. Februar im Rahmen von Gedenkveranstaltungen anlässlich des Jahrestags der rassistischen Morde in Hanau eine Gedenktafel für die Opfer an der Rückseite des Stuttgarter Rathauses angebracht, gegenüber vom Café Tatti. Genehmigt wurde das nicht, was auch zu Kritik aus der Kommunalpolitik führte. So schrieb der CDU-Stadtrat Markus Reiners auf seiner Facebook-Seite: „Das ist Sachbeschädigung.“ Derartiges Handeln lasse sich nicht rechtfertigen – wo, fragt Reiners, bleibe da das Rechtsverständnis des für die Tafel verantwortlichen Aktionsbündnisses.

 

Die Morde selbst nennt er dagegen „schrecklich“, einen Gedenkort ohne Zustimmung der Rathausausspitze und Genehmigung zu schaffen, hält er aber für falsch. Auf Nachfrage unserer Zeitung erläutert Reiners seinen Standpunkt: So eine Gedenktafel und die Suche nach einem passenden Ort wäre ein wichtiger symbolischer Akt – „aber nicht in einer Nacht- und Nebelaktion.“ Der erst kürzlich nachgerückte AfD-Stadtrat Kai Goller pflichtet Reiners bei. Die Aktion sei eine „Umwidmung des Rathauses zur ideologischen Litfaßsäule.“

Aktion des zivilen Ungehorsams

Womöglich war die Provokation solcher Reaktionen auch etwas das Kalkül des Aktionsbündnisses „Stuttgart gegen Rechts“, dem viele politisch linksgerichtete Organisationen in Stuttgart angehören. So heißt es dort auf der Webseite zu der Gedenktafel: „Mit einer Aktion des zivilen Ungehorsams haben wir einen dauerhaften Gedenkort für die Ermordeten von Hanau, aber auch für alle anderen Menschen die von Rechten getötet wurden, geschaffen.“

Dass die Gedenktafel ihren Weg in zuständige Gremien findet, wie von dem CDU-Stadtrat Markus Reiners verlangt, ist nur eine Frage der Zeit. Das Linksbündnis im Stuttgarter Gemeinderat arbeitet zur Stunde einen Antrag aus, der fordert, dass die Gedenktafel bleibt, wo sie ist. Bereits am Freitag soll er eingereicht werden. Der SÖS-Stadtrat und 2020 knapp unterlegene OB-Kandidat für Konstanz Luigi Pantisano erhofft sich, dass die Idee vom ökosozialen Lager im Stuttgarter Gemeinderat mitgetragen wird. „Es darf bei diesem Thema nicht nur bei Sonntagsreden bleiben“, sagt Pantisano.

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Ob das ökosoziale Lager im Gemeinderat mitzieht, ist noch unklar. Die SPD will sich zu dem Thema zunächst noch nicht äußern und am Donnerstag in einer Fraktionssitzung darüber beraten. Die Grünen betonen, dass es zwar wichtig sei, das Gedenken an den rassistischen Anschlag wach zu halten. „Dafür stellen wir uns aber andere Formen als die dauerhafte Sicherung einer Gedenktafel am Rathaus vor“, sagt der Grünen-Fraktionschef Andreas Winter. Seine Begründung: Ziemlich schnell würden weitere Initiativen ebenfalls einen Anspruch erheben. Es drohten Streitereien, befürchtet er.

 

Tragödie nicht politisch ausschlachten

Auch gehen nicht alle in der CDU-Fraktion wie Markus Reiners, der die Gedenktafel-Aktion in sozialen Medien kritisiert, in die Offensive. Sein Partei- und Gemeinderatskollege Maximilian Mörseburg sagt: „Wir wollen nicht, dass diese Tragödie politisch ausgeschlachtet wird.“ Der Vorgang solle von Verwaltung Staatsanwaltschaft unabhängig überprüft werden.

Das Stuttgarter Ordnungsamt scheint vorerst nicht aktiv zu werden. Auf Anfrage bei der Stadtverwaltung zitiert diese die Kulturverwaltung – sie prüfe derzeit, welcher Ort sich für diese Form des Gedenkens eignet. „Bedauerlich ist, dass die Initiatoren nicht das Gespräch mit der Verwaltung gesucht haben und eigenmächtig das Schild platziert haben“, heißt es da. Am Mittwochvormittag hing die Gedenktafel jedenfalls noch vor Ort.