Der Stuttgarter DJ und Künstler Crypt hat illegale Graffitis gesprüht. Dafür wurde er mehrmals von der Polizei belangt. Sprühen sei für ihn wie ein Virus, sagt er. Dann machte er sich als Designer selbstständig. Wir haben mit ihm über die Lust am Kick gesprochen.

Stuttgart - Als der Stuttgarter Künstler und DJ „Crypt“ 15 Jahre alt war, da hat ihn das Virus infiziert. Das war auf einer HipHop-Jam, 1996, dort war er fasziniert von den Sprayern, die ihre Kunst zeigten. Sein nächster Gang war der zu einem Graffiti-Laden, wo er sich die nötige Ausrüstung kaufte.

 

Sprayen – ein Hobby am Rande der Illegalität. Bis heute hat ihn das Virus nicht mehr losgelassen: „Manchmal schlummert es, aber es kann immer wieder voll ausbrechen“. Crypt suchte den Kick beim illegalen Sprühen. Heute empfängt er in seiner gerade bezogenen Parterre-Wohnung in einem schicken Neubau in Stuttgart-West.

Niemals im Suff sprühen

Früher hatte Crypt oft Probleme mit der Polizei, obwohl er bei seinem ersten Kontakt mit der Strafverfolgung seiner Mutter versprochen hatte, mit dem Sprühen aufzuhören. Das Virus hatte ihn infiziert. Als er zum ersten Mal erwischt wurde, war er noch minderjährig, 15 Jahre alt, hatte grade angefangen, war noch unerfahren. „Klar, mit der Zeit wirst du erfahren, kennst die Tricks, weißt dich zu schützen“.

Niemals im Suff sprühen, sagt er. Denn illegal sprühen ist ein Hochleistungssport. Es ist Katz und Maus mit der Polizei. Dem Anderen immer einen Schritt voraus sein. Je erfolgreicher man das schafft, desto angesehener wird man in der Szene. Je öfter man seinen Namen an einer Wand hinterlassen konnte, taggen genannt im Graffiti-Jargon, desto größer der Respekt der Anderen. „Bei mir war es primär die Sucht, den eigenen Namen zu verbreiten“, sagt er, „Irgendwann kamen die Leute dann auf den Trichter: auf Zügen sehen das ja noch mehr“. Natürlich taggt niemand seinen bürgerlichen Namen, jeder hat ein Künstlerpseudonym.

Woher der Kick kommt

Noch mehr Ansehen gibt es für Orte, die besonders schwierig zugänglich sind oder an denen die Gefahr der Entdeckung besonders hoch ist. Sprayer, die sich in einer Gruppe, Crew genannt, zusammengeschlossen haben, gehen zum Teil sehr professionell vor, erzählt Crypt. So kommt es zu den Graffiti an hohen Schlöten oder so genannte Rooftops, Graffiti auf Dachvorsprüngen. Dafür braucht man professionelle Ausrüstung, man muss sich abseilen, um an diese Stellen zu gelangen. Das Misstrauen ist hoch in diesen Gruppen. „Manch einer wird da schon richtig paranoid“, sagt Crypt.

Die Angst vor der Polizei hat Crypt nie abgehalten, weiterzumachen. Im Gegenteil. Zwei Mal wurde er erwischt, dann hatte er die Tricks drauf, passte besser auf. Beim zweiten Mal blieb es nicht dabei, die besprühte Brücke zu übermalen, lediglich die Farbe musste er damals bezahlen. Beim zweiten Mal kam die Polizei in sein Haus und das seiner Freunde, gleichzeitig, in einer konzertierten Aktion, nachdem ein anderer Sprüher sie verpfiffen hat, wie Crypt erzählt, von jemandem, der selbst erwischt wurde und sich davon eine Strafminderung erhofft habe. „Ich kam abends von der Arbeit zurück. Meine Mutter erwartete mich schon. ‚Hast du mir etwas zu erzählen?’, fragte sie.“ Eine eigene Soko Graffiti wurde eingerichtet in dem kleinen Ort bei Stuttgart, in dem er aufgewachsen ist. Die Strafe damals: 50 Sozialstunden, Gerichts- und Anwaltskosten.

Graffiti, ein Extremsport

Damit hat er noch Glück gehabt. Nicht alle kommen so gut davon. Crypt kennt Graffiti-Künstler, die für ihr Hobby ins Gefängnis wanderten. Manchmal, weil sie beim Schwarzfahren erwischt wurden, aber schon zu viele Vorstrafen hatten, wie er sagt: „Denen vermasselt so ein Graffiti das Leben. Die kommen als andere Menschen aus dem Knast raus“.

Graffiti ist wie Extremsport, es gibt einen Kick, einen Adrenalinstoß, beschreibt Crypt das Phänomen. Deshalb werde man auch süchtig danach. Das Virus Graffiti. „Die Verbote pushen die Sprüher erst noch mehr“, sagt er, „wenn dann die Bahn so am Rad dreht“. Man hätte von Anfang an anders darauf reagieren sollen. Aber auch er ist sich bewusst: Viele machen es eben wegen des Kicks. Eine Legalisierung kann da nur teilweise helfen. „Natürlich fördert es die Jugendkultur, mehr junge Menschen können sich ausprobieren, ganz legal. Aber dann gibt es eben auch mehr Sprüher“. Und irgendwann kommt bei vielen dann der Moment, es auszuprobieren wollen, das Gefühl erleben zu wollen, eine illegale „Bombe“ zu platzieren, wie es im Graffiti-Jargon heißt.

Heute nur noch legal

„Ich freue mich über einen geilen Tag, wenn’s geil ist, feier ich das hart ab“, sagt Crypt, „man denkt dann nicht an den Hausbesitzer“. Aber die richtig geilen Tags seien selten, findet er, meistens seien sie eher hässlich und keine Verschönerung. „Deshalb finde ich das nicht so cool.“ Und auch an Kirchen, an schönen oder alten Gebäuden müsse so etwas nicht sein. „Aber entlang von Bahnlinien ist das doch eine Verschönerung.“

Crypt sprüht inzwischen nur noch legal. Er hat sich selbstständig gemacht, als Designer: „Bei mir war das vor allem aus Zeitgründen“. Die illegalen arbeiten nachts und schlafen tagsüber. Aber Skills hat er beim Sprühen erworben, jetzt kann er sie legal und gewinnbringend einsetzen. Viele Künstler gehen diesen Weg, sie verdienen gutes Geld mit Auftragsarbeiten und Ausstellungen. Das Virus aber schlummert in allen.