Filme und Musikstücke kommen nicht immer legal aus dem Internet in deutsche Kinderzimmer. In vielen Fällen machen sich die jungen Raubritter selbst zum Verteiler der illegalen Ware, was Eltern vor Gericht bringen und teuer zu stehen kommen kann.

Stuttgart - Jannik ist ein neugieriger Gymnasiast mit einer Leidenschaft für Englisch. Beim Palavern im Internet schloss er Freundschaft mit einem Inder, der ihm eine Freude machen wollte: „Du musst nur dieses Portal runterladen, dann hast du den neuen Film, ganz umsonst“, empfahl er. Und tatsächlich, es klappte. Allerdings steckte einige Wochen später der Brief einer in Juristenkreisen gut bekannten Anwaltskanzlei im Briefkasten von Janniks Mutter. Wegen der illegalen Verwendung und Weitergabe eines urheberrechtlich geschützten Films wurde sie abgemahnt und sollte 800 Euro bezahlen. Die Mutter fiel aus allen Wolken.

 

Beim Runterladen wird der Nutzer zum Dealer

Der geforderte Betrag ist klein im Vergleich zu den Forderungen, die beim Stuttgarter Amtsgericht eingereicht werden. „Im Schnitt geht es um 1000 Euro, für das illegale Runterladen und Verbreiten eines ganzen Albums werden schon mal 3000 Euro verlangt, aber es wurden durchaus schon über 5000 Euro geltend gemacht“, sagt Richter Klaus Hinrichs, Abteilungsleiter für Zivil- und Zwangsvollstreckungssachen. Obwohl zahlreiche Streitfälle, vor allem bei kleineren Beträgen, außergerichtlich geregelt werden, habe das Amtsgericht Stuttgart allein im Jahr 2016 insgesamt 630 Urheberrechtssachen verhandeln müssen.

Zum größten Teil ging es um die Nutzung von Internet-Tauschbörsen. Man lädt dort Filme, Musiktitel und Computerspiele herunter, doch die Datei wird dann automatisch wieder im Internet angeboten. Filesharing nennen es die Experten. „Das führt dazu, dass jeder Downloader gleichzeitig zum Uploader wird und das Urheberrecht in mehrfacher Hinsicht verletzt“, sagt Hans-Peter Rumler, Präsident des Stuttgarter Amtsgerichts.

Spezialisierte Kanzleien arbeiten für Urheber

Inzwischen hätten sich Unternehmen darauf spezialisiert, Adressen von Filesharern aufzuspüren. Sie setzten eine Kontrollsoftware ein, die das Internet überwache und die IP-Adressen der Nutzer feststelle. Wie eingangs geschildert, mahnt eine Anwaltskanzlei zunächst den IP-Nutzer ab, fordert dazu auf, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben und Schadenersatz zu bezahlen. Bei Weigerung droht eine Klage vor Gericht.

Viele Betroffene ziehen eine außergerichtliche Einigung vor, denn vor Gericht vermutet man in den IP-Inhabern, den Müttern und Vätern, zunächst einmal den Täter. Leben noch Kinder im Haus, müssen Familien „in einem zumutbaren Rahmen“ offenlegen, wer Zugang zum Internet hatte und ob im Haus lebende Kinder über die Gefahren belehrt wurden. Haben sie das versäumt, haften Eltern für ihre Kinder, haben sie aufgeklärt, sind die Kinder schuldfähig. Einigt man sich vor Gericht nicht in einem Vergleich, müssen die Richter auch die Kinder vernehmen. „Das wollen Eltern in der Regel nicht“, sagt Richter Hinrichs.

Im schlimmsten Fall kann selbst ein Kind mit Schadenersatzansprüchen überzogen werden: Wenn es das 7. Lebensjahr vollendet hat, einsichtsfähig und zurechnungsfähig ist. „Das ist natürlich bei einem Dreijährigen nicht der Fall, bei einem Zehnjährigen hingegen wird es schon interessant“, sagt Klaus Hinrichs. Er empfiehlt daher dringend den Abschluss einer Familienhaftpflichtversicherung, zumal ein Vollstreckungstitel 30 Jahre Gültigkeit habe. Strafrechtlich sind Jugendliche, ob sie nun ein Haargel oder geistiges Eigentum stehlen, erst vom 14. Lebensjahr an zu belangen – nur der Streitwert differiert erheblich.

Für einen Formbrief stellen Anwälte Pauschalrechnung

Die eingangs erwähnte Mutter kam übrigens mit einer Zahlung von 200 Euro und den Anwaltskosten davon. „Ohne Jurist hätte ich gegen die Forderung nichts ausrichten können“, sagt die Frau, die namentlich nicht genannt werden will. Inzwischen gebe es Anwälte, die im Falle einer Mahnung für eine Pauschale von 200 Euro tätig würden. In vielen Fällen reiche der Versand eines bestimmten Formbriefs nämlich aus. Der Freund aus Indien sei übrigens bis heute nicht behelligt worden.

Kosten und Nerven sparen sich Eltern, indem sie sich informieren bei Internetadressen wie klicksafe.de oder schau-hin.info. Computerexperten raten ferner zu personalisierten Zugängen für das Internet, der Sperrung bestimmter Web-Seiten und dazu Kinder von der Installation von Software auszuschließen. Letzteres ist bei Jugendlichen wohl Verhandlungssache.