Die Serie „Game of Thrones“ hat den dänischen Schauspieler Nikolaj Coster-Waldau in der Rolle des Jaime Lannister zum international bekannten Star gemacht. Bei der Fantastik-Messe Comic Con in Stuttgart hat er Auskunft gegeben über seine Rolle, den Erfolg der Serie und ihren Bezug zur Realität.

Stuttgart - Viele sind am Wochenende nur seinetwegen zur Comic Con auf die Stuttgarter Messe gekommen: Nikolaj Coster-Waldau. Der 47-jährige Däne spielt den „Königsmörder“ Jaime Lannister im Serienerfolg „Game of Thrones“, einen komplexen Charakter, der als zynischer Krieger zum Publikumsliebling avanciert ist. Ein knappes Jahr vor der Ausstrahlung der finalen neunten Staffel gibt der Schauspieler im Gespräch mit unserer Zeitung Einblicke in seinen Charakter und outet sich als großer Fußballfan.

 
Herr Coster-Waldau, für viele gibt es derzeit kein größeres Drama als die Fußball-WM. Nun ist nach Deutschland auch ihr Heimatland Dänemark ausgeschieden. Wie geht es Ihnen damit?
Ganz okay. Ich will absolut nicht hämisch sein, aber es fühlt sich ein bisschen gut an, dass Dänemark auch mal weiter gekommen ist als Deutschland. Aber vielleicht hängt das auch mit Karma zusammen, denn was nach dem Ende des Spiels gegen Schweden passiert ist, gehört nicht in die Kategorie „guter Sportsgeist“.
Wer wird Ihrer Meinung nach Weltmeister?
Ich hoffe, es wird ein Team, das noch nie Weltmeister war. Belgien vielleicht? Oder Mexiko? Junge, wenn Mexiko gewinnen würde, würde das wohl einen Ausschlag auf der Richterskala geben. Oder stellen Sie sich mal vor, China wäre dabei, würde gewinnen und eineinhalb Milliarden Menschen würden gleichzeitig aufspringen. Die Erde würde aus ihrer Umlaufbahn gekickt werden!
Sie sind glühender Fan von Leeds United, kommen aus Dänemark, haben eine grönländische Frau und wirken in internationalen Serien- oder Filmproduktionen mit. Kosmopolitischer geht es kaum. Spielen da Ländergrenzen überhaupt eine Rolle?
Ein Teil in mir sagt, dass mir Grenzen ganz egal sind und wir sie überall öffnen sollten. Gerade die Länder der Welt, denen es so gut geht wie uns, dürfen sich nicht aus der Verantwortung nehmen. Doch ein anderer Teil von mir sagt, dass mir meine Identität sehr wichtig ist. Es ist wichtig, seine Wurzeln zu kennen und zu wissen, wo man herkommt. Ist das gegeben, ist man wahrscheinlich gefestigt genug, um sich nicht allzu viele Gedanken über Grenzen machen zu müssen. Grenzen sind doch nur künstliche Konstrukte, die sich in den letzten 500 Jahren immer wieder stark verändert haben und deswegen eigentlich gar nicht ernst genommen werden können. Wir scheinen aber nun mal in Zeiten zu leben, in denen Grenzen und nationale Identität für viele Menschen leider wieder sehr wichtig sind.
In „ Game of Thrones“ spielen Grenzen natürlich eine ganz andere Rolle, überhaupt ist die Serie eher Polit-Thriller als Fantasy. Wie viel Realität steckt Ihrer Meinung nach in „Game of Thrones“?
Das muss man von zwei Seiten sehen. Einer der Gründe, weshalb die Serie so erfolgreich ist, liegt darin, dass sie reine Fiktion ist. Es ist eine fiktive Welt, die man auch als solche akzeptieren kann. Man muss sie nicht zwangsläufig in einen historischen und geografischen Kontext einordnen. Umso besser wird die Serie aber eben dadurch, dass man unsere Welt mühelos in dieser fiktiven Welt erkennen kann. Menschen bleiben Menschen, und die Protagonisten in „Game of Thrones“ bieten sehr viele Möglichkeiten zur Identifikation. Selbst die, die furchtbare Dinge tun oder von Machthunger getrieben sind, offenbaren Seiten, in denen man sich wiederfindet – ob man will oder nicht.
Gibt es denn gewisse Protagonisten, die Sie an real existierende Personen aus der Politik erinnern?
Die gibt es bestimmt. Doch wer das tut, engt die Serie meiner Meinung nach viel zu sehr ein. Sobald man die fiktiven Charaktere mit echten Menschen zusammenbringt, geht etwas verloren. Denn das ist ja das Besondere an „Game of Thrones“: Man kann die Serie auch als reine Fantasy genießen.
Obwohl man natürlich weiß, dass die Rosenkriege im England des 15. Jahrhunderts ein großes Vorbild waren.
Exakt, das ist ja das Tolle. Historisch interessierte Menschen sehen die Serie wieder ganz anders. Das erklärt für mich auch, weshalb „Game of Thrones“ ein weltweites Phänomen ist. Jeder findet etwas anderes darin.
Sie spielen Jaime Lannister seit Folge eins, sind seit acht Staffeln und acht Jahren der Königsmörder. Was ist das Besondere daran, so lang dieselbe Rolle zu spielen?
In der finalen neunten Staffeln holen wir die Ernte ein, die wir all die Jahre ausgesät haben. Wir haben so viel Zeit mit diesen Charakteren verbracht, dass sie längst ein eigenes Leben entwickelt haben. Das ist beim Film anders: Bei 90 Minuten hat man einfach nicht die Zeit, um Charaktere neben den Hauptdarstellern zu entwickeln. Actionfilme langweilen mich deswegen. Ich baue keine Beziehung zu den Personen auf, mich kümmert ihr Schicksal nicht. Bei „Game of Thrones“ gibt es locker mal 20 Charaktere, die man kennt, an denen man hängt und die einem etwas bedeuten.
Obwohl nicht von Anfang an klar war, dass es überhaupt so viele Staffeln geben würde.
Das ist richtig. Deswegen haben wir uns immer nur um die jeweils aktuelle Staffel gekümmert. Wir wussten, wohin wir kommen müssen, und haben uns nur auf diese Reise konzentriert. Weil sich viele der Charaktere im Laufe der Zeit stark verändert haben, wurde das umso spannender und aufregender, aber natürlich auch herausfordernder. Im Filmgeschäft hat man dafür in der Regel keine Zeit. Was natürlich schade ist, denn Schauspieler wollen vor allem eines: gute Geschichten erzählen. Und das geht in zwei Stunden eben nicht so gut wie in 80 Stunden. Dadurch erreicht man eine Tiefe, die mit Schwarzweißdenken überhaupt nichts mehr zu tun hat. Die Helden begehen schreckliche Taten und die Mörder verhalten sich wie Helden.
Sie haben Töchter und Schwestern. Ist es da nicht schwierig, einen Charakter zu spielen, der ein Verhältnis mit seiner Schwester hat und gleich in der ersten Staffel einen Jungen aus dem Fenster wirft?
Leicht sind solche Szenen nicht, doch beim Dreh ist niemand von ihnen dabei. Natürlich muss man sich fordern, muss auch mal an seine Grenzen gehen. Oder darüber hinaus. Das ist meine Aufgabe als Schauspieler. Aber ehrlich gesagt, fand ich einige andere Szenen deutlich verstörender als meine. Auf eine merkwürdige Weise haben meine sogar einen Sinn ergeben. Wenn man sich den Charakter des Jaime Lannister anschaut, versteht sich. Die Opferung von Sharin Baratheon auf dem Scheiterhaufen in Staffel drei fand ich zum Beispiel viel schwerer zu verkraften. Doch auch die ergab dramaturgisch einen Sinn und war nur konsequent. Die Welt Westeros ist ein brutaler Ort, das mag stimmen. Doch sie ist bei Weitem nicht so brutal wie die unsere.
Sie sind ein großer Verehrer von Hans-Christian Andersen. Warum sind Geschichten oder Märchen so wichtig?
Sagen und Märchen erzählen uns etwas über das Leben. Kinder können ebenso etwas daraus ziehen wie Erwachsene. Das ist wie bei einem Pixar-Film: Sie sprechen jeden an. Bei Hans-Christian Andersen oder den Gebrüdern Grimm gilt das auch, sie sind unterhaltsam und lehrreich zugleich. Meine Frau kommt aus Grönland, und die Geschichten, die sie sich dort erzählen, sind einfach nur unglaublich. An eine erinnere ich mich besonders: Sie handelt von zwei Freunden. Einer der beiden macht versehentlich etwas falsch, was der andere ihm nicht verzeiht. Ihr Konflikt schaukelt sich immer weiter hoch. Am Ende der Geschichte steht ein einzelner Satz: Und so kam der Krieg in die Welt. Obwohl: Das könnte auch aus der einen oder anderen Ehe stammen.