Der ausgemusterte Flakpanzer Gepard und der sowjetische Kampfpanzer T 72 stehen auf den Exportlisten für die Ukraine. Im Panzermuseum von Munster sind sie jetzt der Hit.

Man zieht sich am T-72 an der Vorrichtung fürs Minensuchgerät hoch und blickt in die Lucke der Fahrerkabine: ein Plastikschalensitz, ein paar Drähte, etwas Rost – und so eng, dass ein Mensch über 1,60 Meter wohl Probleme hat, die Luke zu schließen. Ein furchtbarer Arbeitsplatz. „Da könnte man klaustrophobische Zustände kriegen“, sagt auch Norbert Wahl, einst Hubschrauberpilot bei der Bundeswehr, jetzt Aufsichtsperson im Deutschen Panzermuseum, das von der Stadt Munster, der Bundeswehr und einem Förderverein getragen wird. Im Turm des T-72 sei es noch enger, sagt Wahl, der Blick dort hinein, wo der Kommandant und der Richtschütze arbeiten, bleibt heute verwehrt. „Die Bundeswehr hat den Schlüssel“, sagt Wahl, die Exponate im Museum sind alle im Besitz der Bundeswehr und zu rund zwei Dritteln fahrbereit.

 

Eine rollende Burg aus Stahl

Seit dem Ukraine-Krieg erfährt das Panzermuseum eine ungeahnte Aufmerksamkeit – und das Interesse gilt nicht nur Kuriositäten wie dem ersten deutschen Kampfpanzer, dem monströsen „A 7 V“ von 1918, einer rollenden Burg aus Stahl, neben dem ein Soldat locker nebenher laufen konnte, auch alle Panzer, die jetzt im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine als gebrauchtes Exportgut genannt werden, stehen in den Hallen: Marder, Leopard 1 und 2, Gepard, die verschiedensten sowjetischen Schützenpanzer der BMP-Reihe aus NVA-Beständen zum Teil für die Bundeswehr umgebaut und mit Blinker und Rückspiegel versehen – und natürlich die Kampfpanzer der T-Serie.

Panzer seien „Todesfallen“, sagt der Direktor

„Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg“, steht in großen Lettern ein Walter-Benjamin-Zitat am Eingang des Museums. Für den Direktor, den Militärhistoriker Ralf Raths ist die Mission des Hauses zu zeigen, dass Panzer im Verteidigungskrieg „nicht nur abstoßend“ seien, aber man wolle auch keine Verklärung von ihnen: „Panzer sind auch Gewaltmaschinen und Todesfallen, diese Gegensätze wollen wir zeigen.“ Raths hat sich in den letzten Wochen oft gewundert, wie leichtfertig Gäste in deutschen Talkrunden nach Panzern gerufen haben, den Aspekt ausblendend, „wie verwundbar man in einem Panzer ist, wie rasch darin Soldaten verbrennen können“.

Selbst 50 Panzer machen einen Unterschied aus

Aber auch er hält in der jetzigen Kriegslage Panzerlieferungen an die Ukraine für angezeigt: „Ein Panzer ist besser als kein Panzer. In diesen Tagen und Wochen kann es für den Widerstand der Ukrainer einen großen Unterschied ausmachen, ob sie 50 oder 100 Panzer mehr einsetzen können – da ist es egal, ob das Material nun genau so veraltet ist wie der T-72.“ Auch Lieferungen gebrauchter Leopard 1, so Raths, könnten sinnvoll sein. Sie könnten als Einzelpanzer zur Flanken- oder Räumesicherung eingesetzt werden, „wenn dort keine feindlichen Panzer oder Panzerabwehrwaffen sind“. Vom Museum ist die Panzertruppenschule einen Steinwurf entfernt. Man kennt sich in Munster, dem viertgrößten Standort der Bundeswehr, tauscht sich aus, und Raths erlaubt sich daher die Aussage, dass für Ukrainer die Bedienung eines Leopard 1 in einem Crashkurs „in wenigen Wochen“ zu erlernen sei. Das heiße nicht, dass man dann annähernd das volle Potenzial des Panzers nutzen könne.

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Den Gepard hält Raths für ein „hocheffizientes System, auch wenn er mit Technik aus dem vordigitalen Zeitalter betrieben wird“. Aber der sei „deutlich schwieriger zu bedienen als etwa ein Marder und die Ausbildung dauert entsprechend länger“. Vor allem im Internet hat das Panzermuseum , das im Jahr rund 115.000 Besucher aht, enorm an Resonanz zugelegt. Mit seinen Beiträgen auf dem Kanal Youtube hat es kürzlich die Grenze von 100.000 Abonnenten durchbrochen, das vierfache der Abo-Zahl des Deutschen Museums in München.

Auf Youtube ist das Museum erfolgreich

Mit jüngeren Videos zum Ukraine-Krieg und seine militärstrategischen Fragen hat Militärhistoriker Raths Abrufzahlen bis zu 400.000 erzielt. „Obwohl wir darin gar keine Panzer zeigen und ich nur erkläre“, sagt Raths. Schon in früheren Videos hatte sich Raths mit dem sowjetischen Panzer T-72 befasst, der 20.000 bis 30.000 mal produziert worden ist und einen „Verkaufsschlager“ darstellte, der in 30 Länder exportiert worden ist. Mit seiner flachen Silhouette sollte der T-72 – er ist nur 2,29 Meter hoch – sich vor Angriffen gewissermaßen wegducken. Die etwas schwächere Panzerung als beim Leopard 2, aber vor allem die Tatsache, dass die Munition nicht getrennt gelagert wird vom Innenraum wie bei westlichen Panzern, machte ihn bei einem Beschuss zur Falle: „Da braucht nur ein Splitter durchschlagen und es kommt zur Explosion, oft sprengt die den ganzen Turm weg“, so Raths. Das habe für die Besatzung katastrophale Folgen.

Die russische Kriegsführung hat sich nicht geändert

Für die „Häme“, die westliche Kommentatoren über den schleppenden Vormarsch der Russen in der Ukraine gehabt hatten, hat Raths wenig Verständnis. Man habe anfangs wohl die Erwartung gehabt, dass ähnlich wie die amerikanischen und britischen Panzerverbände bei der Aktion „Desert Storm“ im Golfkrieg durch die Wüste eilten, ein ähnliches Tempo in der Ukraine möglich sein müsse. Aber die Umstände seien ganz andere und die Russen hätten – zumindest am Anfang – auf den massiven Artilleriebeschuss als Begleitmaßnahme ihres Vormarsches verzichtet. Vielleicht im Irrglauben, dass sie als Befreier begrüßt werden? Eine große Unbekannte ist nun jedenfalls auch für Raths die Frage, inwieweit mangelnde Ausbildung oder fehlende Truppenmoral bei den Russen ein Grund für das weiterhin beobachtbare Ausbleiben eines militärischen Erfolges sind. Ein grundlegendes Element der sowjetischen Kriegsführung seit dem Zweiten Weltkrieg aber hätten auch die Russen jetzt nicht verändert: „Sie setzen auf Masse und die höhere Man-Power.“ Der Faktor Zeit könnte dabei dann auch eine Rolle spielen.