Ab sofort fährt jeden Abend ein Nachtzug vom Hauptbahnhof in Stuttgart nach Venedig. Auch andere Reiseziele stehen auf dem Plan.
Seit Sonntagabend ist Stuttgart wieder fester Bestandteil des europäischen Nachtzugnetzes. Der Nightjet (NJ) 237 fährt ab sofort täglich nach Venedig. Auch so genannte Kurswagen nach Wien, Budapest, Zagreb, Ljubljana und saisonal auch nach Rijeka werden an unterschiedlichen Haltepunkten unterwegs abgekoppelt.
Die Premierenfahrt ist am Sonntag pünktlich um 20:29 Uhr ab Gleis 15 gestartet. Eine ganze Menge Prominenz aus der Politik- und Bahnwelt freute sich am Bahnsteig über das neue Angebot - und trotzte der Eiseskälte.
“Venezia Santa Lucia” - allein wenn das aus den Lautsprechern über die Bahnsteige hallt, wird Fernweh geweckt. “Es war einmal Kult, Nachtzug zu fahren”, sagte Landesverkehrsminister Winfried Hermann kurz vor der ersten Nightjet-Abfahrt am Stuttgarter Hauptbahnhof vor zahlreichen Gästen. Neben einigen Landtags- und Bundestagsabgeordneten war auch Landtagspräsidentin Muhterem Aras dabei.
Nachtzüge sollen wieder Kult werden
Hermann habe sich schon sehr lange auf diesen Termin gefreut. Auch, weil er immer wieder von jungen Menschen gefragt werde, warum es keine Nachtzüge mehr gebe. Der Minister freue sich, dass es ihm gelungen sei, dass dieser Nachtzug jetzt ab Stuttgart fahre - und nicht wie andere Nachtzüge an Stuttgart vorbei. „Nachtzug fahren sollte wieder Kult werden.”
Laut Sabine Stock, Vorständin der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), wird Stuttgart ein wichtiger und fester Bestandteil des europäischen Nightjet-Netzes. Die ÖBB sind inzwischen zum größten Nachtzuganbieter Europas geworden, in Deutschland kooperieren sie mit der Deutschen Bahn, die unter anderem Sitzwagen für die Nightjets zur Verfügung stellt. Stock sagt: „Diese Nightjet-Verbindung wird nicht die letzte bleiben.”
Die Europa-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg (Bündnis 90/Die Grünen) beschäftigt sich im Ausschuss für Verkehr und Tourismus des Europaparlaments intensiv mit der grenzüberschreitenden Bahninfrastruktur. „Wir brauchen die Schiene als Rückgrat eines dekarbonisierten Verkehrs in Europa in der Zukunft”, sagte sie am Sonntagabend. Ein durchgetaktetes europäisches Nachtzugnetz sei zwar zurzeit noch eine Vision, aber Termine wie der in Stuttgart machten Hoffnung, dass es irgendwann Realität werde.
Auch die Marketing-Vorständin Fernverkehr der Deutschen Bahn, Stefanie Berk, freute sich über das neue Nightjet-Angebot: „Der Nachtzug ist nicht nur ein starkes Symbol für klimafreundliches Reisen, sondern auch für ein vernetztes und grenzenloses Europa.” Inzwischen seien 41 deutsche Städte an das europäische Nachtzugnetz angebunden, weitere sollen folgen.
Tickets gibt es ab 50 Euro
Der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Michael Theurer, pries die Nachtzüge als „eine tolle klimafreundliche Alternative zum Fliegen für Reisende in Europa” an. Im Rahmen der Initiative “TransEuropExpress 2.0” sollen gemeinsam mit den europäischen Nachbarn mehr grenzüberschreitende Verbindungen auch im Nachtzugangebot geschaffen werden.
„Stuttgart fährt wieder Nachtzug”, sagte Oberbürgermeister Frank Nopper, der an eine lange Tradition erinnerte: Von 1883 bis 2009 - mit zum Teil längeren Unterbrechungen - hielt der Orient-Express auf seinem Weg von Paris zunächst nach Konstantinopel in Stuttgart. Im Laufe der Jahrzehnte änderten sich Abfahrts- und Zielort mehrfach, bis er am 14. Dezember 2009 endgültig eingestellt wurde.
Da war aus dem Luxuszug aber schon längst ein mehr oder weniger normaler Schnellzug geworden, der halt noch den Namen trug. Der OB hofft nun auf eine Wiedergeburt dieser Tradition und sagt: „Das ist ein Gewinn auf der ganzen Linie für alle Städte entlang der Strecke.”
Der NJ 237 fährt täglich um 20:29 Uhr an Gleis 15 des Stuttgarter Hauptbahnhofs ab. Er braucht für die Strecke 12 Stunden und 5 Minuten und kommt in Venezia Santa Lucia planmäßig um 8:34 Uhr an. Einen Sitzplatz gibt es ab 49,90 Euro, einen Liegeplatz im Abteil mit sechs Liegen ab 79,90, einen Platz im Schlafwagen ab 99,90 Euro.