Die Staatsgalerie Stuttgart bietet Gruppen seit Neuestem einen exklusiven Besuch am Abend an. Eine Privatgruppe hat den Test gemacht – und ist über allerlei Hürden, Komplikationen und Kosten gestolpert.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Einige sind verärgert und sagen sofort ab. Denn eigentlich ist für Mitglieder des Galerievereins der Besuch der Staatsgalerie Stuttgart kostenlos. Warum sollten sie jetzt trotzdem Eintritt bezahlen? Seit vielen Jahren trifft sich eine private Gruppe von Kunstinteressierten regelmäßig in der Staatsgalerie, um gemeinsam über Werke zu sprechen – und tat das bisher meist am Freitagnachmittag. Zum Jahresbeginn hat die Staatsgalerie ihre Öffnungszeiten eingeschränkt und schließt nun bereits um 17 Uhr. Wer später kommen will, kann eine exklusive Sonderöffnung buchen, bei der man angeblich das ganze Museum für sich alleine hat. Das gefällt der Stuttgarter Kunsttruppe, die beschließt, das zu testen, was dem Publikum angeblich „größere Flexibilität“ beschert, wie die Staatsgalerie angekündigt hat.

 

Doch schon bald zeigt sich, dass man für den exklusiven Besuch vor allem eines benötigt: gute Nerven. Denn nach diversen E-Mails mit der zuständigen Abteilung im Museum wird klar, dass man seinen Besuch keineswegs so flexibel gestalten kann, wie man will. Es werden nur zwei feste Termine angeboten: 16.45 Uhr und 17.45 Uhr. Mehr noch, für den exklusiven Besuch gewährt die Staatsgalerie ein Zeitfenster von nur einer Stunde, was für die Sammlung, aber auch für eine Sonderausstellung mehr als knapp bemessen ist. „90-minütige ,Time-Slots’ bieten wir nicht an“, schreibt eine Mitarbeiterin des Museums, „bei längerem Besuch müssten Sie dann zwei Zeitkontingente buchen.“

Wer neunzig Minuten bleiben will, muss doppelt zahlen

Dabei hat es allein die Kostenstruktur der neuen Sonderöffnungszeiten schon in sich. Für eine Sonderausstellung fallen mindestens hundert Euro an – für bis zu zehn Personen. Jeder zusätzliche Teilnehmer zahlt zehn Euro – und das leider auch, wenn man als Mitglied des Galerievereins eigentlich kostenlos in die Staatsgalerie käme. Während einige nun lieber zu Hause bleiben, entscheidet sich der Rest der privaten Gruppe, das Abenteuer zu wagen, wird aber nur sechzig Minuten buchen – aus Kostengründen. Die Ansage der Staatsgalerie ist deutlich: „Bei einem Besuch von 1,5 Stunden oder 2 Stunden wird der Grundbetrag und auch die zusätzlichen Eintritte zweimal berechnet.“

Es gibt noch weitere Hürden. So ist die Kasse zur Spätöffnung nicht mehr besetzt. Deshalb müssen die Tickets für die Spätöffnung online im „Ticketshop“ erworben werden. „Hierfür benötigen Sie die genaue Personenanzahl“, heißt es. Anders gesagt: Es kann sich niemand kurzfristig der Gruppe anschließen. Und falls jemand krank werden sollte, muss er trotzdem bezahlen.

Beliebt macht man sich mit solchen Maßnahmen gewiss nicht. Die Gruppe ist trotzdem frohgemut – und erleichtert, weil zwei Teilnehmer zu früh gekommen sind und deshalb gerade noch verhindern können, dass das Museum schließt und damit der exklusive, außerdem ja bereits bezahlte Besuch ins Wasser fällt. Wegen eines Missverständnisses ist im Museum nicht richtig kommuniziert worden, dass die Gruppe das zweite Zeitfenster um 17.45 Uhr gebucht hat, nicht das erste.

Endlich muss man mal nicht flüstern, sondern kann reden, lachen, diskutieren

Als die Gruppe tatsächlich allein in der Staatsgalerie steht, sind dennoch alle halbwegs versöhnt. Die Aufsicht ist freundlich – und natürlich ist es sehr angenehm und luxuriös, die Kunst für sich zu haben. Man muss nicht flüstern, kann lachen und diskutieren – was das Grüppchen denn auch munter tut.

Die 16 Personen haben sich notgedrungen nur vier Werke vorgenommen. Und auch wenn sie gern noch mehr hören, schauen, lesen würden, heißt es nach fünfzig Minuten schon wieder Adieu sagen, damit man pünktlich nach einer Stunde das Haus verlassen hat. Deshalb ziehen die Kunstfreunde nun eben weiter in die Württembergische Landesbibliothek, wo man auch um neunzehn Uhr noch willkommen ist. In einer Ecke lassen sie ihre Eindrücke Revue passieren und diskutieren über das, was sie gesehen haben – und nun eben notgedrungen aus der Erinnerung besprechen.

Die private Gruppe wird die Sonderöffnung nicht mehr nutzen

Und wie schneidet die Staatsgalerie Stuttgart bei den Museumsgängern ab? Solch ein exklusiver Besuch des Museums, da sind sich alle einig, hat viel Charme. Das komplizierte Prozedere und die diversen Probleme beim Buchungsvorgang – geschenkt. Die zusätzlichen Kosten für die Mitglieder des Galerievereins, nun ja, die würden einige Teilnehmer sogar zähneknirschend wieder in Kauf nehmen. Aber im Schweinsgalopp durch eine Ausstellung hetzen zu müssen, ins Museum zu gehen, ohne links und rechts schauen zu können, das mag sich dann doch niemand mehr antun, weshalb die Gruppe nach dem Testlauf bereits beschlossen hat: Die Sonderöffnung der Staatsgalerie werden sie sicher nicht mehr in Anspruch nehmen.