Rüdiger Grube, Vorstandschef der Bahn, hat viele Baustellen im Konzern. Am Dienstag tagt der Aufsichtsrat des Staatskonzerns. Die StZ listet im Vorfeld der Sitzung die wichtigsten Baustellen auf.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Knapp sieben Jahre nach seinem Amtsantritt blickt Vorstandschef Rüdiger Grube auf zahlreiche Baustellen im größten deutschen Staatskonzern. Am Dienstag berät der Aufsichtsrat  erneut über sein „Zukunftskonzept Bahn“, am Mittwoch wird der Bahn-Chef eine enttäuschende Bilanz vorlegen. Hier die Problemzonen im Überblick.

 

Schlechte Ergebnisse

Die Bahn soll dem Steuerzahler nicht mehr auf der Tasche liegen und wirtschaftlich arbeiten. So lautete ein Ziel der Bahn-Reform 1994, mit der die Bundesbahn in die Deutsche Bahn AG umgewandelt wurde. Die Bilanz, die Grube am Mittwoch vorlegt, weist erstmals seit zehn Jahren wieder Verluste aus, und das bereits vor Steuern und Zinsen. Noch Mitte 2015 hatte die DB-Spitze einen nur leicht gesunkenen Gewinn von zwei Milliarden Euro erwartet.

Steigende Verschuldung

Weniger Schulden –   so lautete ein anderes Ziel Grubes bei Amtsantritt. Doch allein 2015 wuchs der Schuldenberg von 16,2 auf 17,5 Milliarden Euro. Geld wurde lange auch für teuere Zukäufe im Ausland und außerhalb des Kerngeschäfts  ausgegeben, wie für den Speditionskonzern Schenker und die britische Bustochter Arriva. Laut internen DB-Unterlagen werden die Nettoverbindlichkeiten bis 2020 auf 22 Milliarden Euro steigen. Damit hat die Bahn seit der Reform fast so viele   Schulden aufgehäuft wie die frühere Bundesbehörde.

Aufgeblähte Konzepte

„Mehr Qualität, mehr Kunden, mehr Erfolg“ – so ist Grubes Konzept  „Zukunft Bahn“ überschrieben. Bis 2020 sollen 55 Milliarden Euro investiert, aber auch Angebote, Kosten und Jobs gekappt werden. Der Alltag auf der Schiene und interne Papiere der DB-Spitze zeigen: Bisherige Konzepte verpufften zu oft wirkungslos.   

Massive Qualitätsprobleme

Der Schienenverkehr ist ein komplexes System, das Sorgfalt und langfristiger Planung bedarf. Wenn jahrelang in Infrastruktur und Züge zu wenig investiert und auf Verschleiß gefahren wird, rächt sich das in Form von wachsenden Qualitäts- und auch Sicherheitsproblemen. Solche Fehlentwicklungen lassen sich nicht auf einen Schlag kurzfristig korrigieren. Bau und Modernisierung von Zügen, Bahnhöfen, Brücken, Tunneln, Sicherheitstechnik und Gleisstrecken dauern viele Jahre.

Zu teure Fernzüge

Der Fernverkehr auf der Schiene muss ohne direkte staatliche Zuschüsse auskommen. Auch deshalb gibt es kaum Konkurrenz zu den ICE-, EC- und IC-Zügen der DB, die ihr Angebot auf lukrative Strecken konzentriert, Fahrpläne ausgedünnt und viele Städte vom direkten Anschluss abgehängt hat. Ergebnis: Immer mehr Kunden fahren lieber Fernbus, die zudem meist viel billiger sind.

Häufige Verspätungen

Die Pünktlichkeit der DB ist auf einen Tiefpunkt gesunken. Nur jeder vierte Fernzug kam voriges Jahr mit weniger als sechs Minuten Verzug an – wodurch Fahrgäste häufig ihre Anschlüsse verpassen. Im subventionierten Regionalverkehr musste der Konzern in den letzten vier Jahren mehr als 500 Millionen Euro Vertragsstrafen wegen unpünktlicher Züge zahlen.

Viele Auftragsverluste

Ein großer Teil der DB-Gewinne kommt bisher aus dem subventionierten Regionalverkehr und lukrativen Langzeitverträgen, die teilweise auslaufen. Ein Großteil der Aufträge im Wettbewerb geht an DB-Konkurrenten, die bessere Angebote machen. Im ersten Halbjahr 2015 gewann die DB nur noch 27 Prozent der Neuvergaben – darauf musste der zuständige Vorstand gehen.  

Debakel im Güterverkehr

Noch desaströser ist die Lage im Frachtverkehr auf der Schiene, der seit fünf Jahren Verluste einfährt und nun weiter massiv zusammengestrichen werden soll. Sparen, streichen, schrumpfen, so sehe kein Zukunftsprojekt aus, kritisiert die einflussreiche Gewerkschaft EVG und fordert, die DB-Spitze solle ihre „Geisterfahrt“ beenden.  

Baustelle S21

Bei Stuttgart 21 rückt die Stunde der Wahrheit näher. Vor drei Jahren stimmte die DB-Spitze unter politischen Druck dem Weiterbau zu, trotz einer weiteren Kostenexplosion auf fast sieben Milliarden Euro, die das Großprojekt für den Konzern bereits unwirtschaftlich machte. Inzwischen werden die Kosten vom renommierten Bahnexperten Martin Vieregg auf zehn Milliarden Euro veranschlagt. Wie die DB die Mehrkosten finanzieren soll, ist offen. Vieregg rät zur Sanierung des bestehenden Kopfbahnhofs. Das würde nach seinem Gutachten für den Steuerzahler noch fast sechs Milliarden Euro billiger werden als der S21-Weiterbau.   

Missmanagement

Mit den Problemen wächst die Kritik an Grube, dessen Vertrag 2017 ausläuft. Sein Stellvertreter Volker Kefer und der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla, dessen Wechsel auf einen hoch bezahlten DB-Posten heftig kritisiert wurde, werden schon als Nachfolger gehandelt. Kefer hat viele Probleme wie S21 jedoch mit zu verantworten, Pofalla als früherer politischer Strippenzieher der Bundeskanzlerin zum größten Staatskonzern ebenfalls. Dem CDU-Politiker fehlen zudem wichtige Kenntnisse und Erfahrungen im Kerngeschäft des größten Verkehrskonzerns Europas.