Imagefilme über Kleinstädte sind meist dröge – doch Welzheim im Rems-Murr-Kreis macht vor, wie augenzwinkernd, erfrischend und sympathisch solche Clips sein können.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Imagefilme sind so eine Sache. Schlecht gemacht, können sie gewaltig nach hinten losgehen. Denn dröge Monologe von Geschäftsführern oder Bürgermeistern, garniert mit GEMA-freiem Gedudel und amateurhaftem Bildmaterial, begeistern nun mal die wenigsten Menschen. Gut, dass es auch anders geht. Die Kleinstadt Welzheim im Rems-Murr-Kreis, 11 000 Einwohner und im Schwäbisch-Fränkischen Wald gelegen, macht es mit ihrem neulich veröffentlichten Imagevideo vor. Ein junger Filmemacher mit Welzheimer Wurzeln hat es umgesetzt – herausgekommen ist eine kreativ-augenzwinkernde Liebeserklärung an die Stadt mit ihren Bewohnern und Eigenheiten.

 

Regisseur Jonathan Hieber ist ein echter Tausendsassa

Schon der Einstieg des Videos mit dem Titel „Welzheim – hoch oben, tief entspannt“ ist ein Hingucker: Eine lebensechte Miniatur der Schwäbischen Waldbahn dampft über ein ebenso lebensechtes Modell des Viadukts an der Laufenmühle. Was folgt, ist ein Mosaik der Welzheimer Menschen und Orte – mal als liebevoll gestaltete Miniaturen, mal in natura.

Unter anderem haben die Römergruppe Numerus Brittonum, der Welzheimer Oscar-Gewinner Marcus Vetter, die Sternwarte, Welzheimer Familien, Kindergärten und Schulen, Menschen mit Behinderung, Senioren, Vereine, aber auch örtliche Firmen kurze Auftritte. Oft sind diese mit kleinen Gags und einer Portion Augenzwinkern versehen. So prostet der Kugelstoßer Niko Kappel den Zuschauern von einem Gummiflamingo aus zu. Die Botschaft des Videos, unterm Strich: Welzheim sei idyllisch, sympathisch, vielfältig, lebenswert und modern.

 

Besonders herausragend ist dabei der Stil. Durch den Mix aus Miniaturen, dem Off-Kommentar des Profi-Sprechers Axel Jomeyer und durch schnelle Schnitte und viele bewusste Jumpcuts wird der Clip erst richtig sehenswert. Verantwortlich für den Imagefilm sind Jonathan Hieber und Sandra Bihlmaier. Ersterer ist 23 Jahre jung, stammt aus Welzheim und betreibt in Stuttgart die kleine Produktionsfirma Atelier 037. Zweitere ist 32, arbeitet seit fünf Jahren für die Stadt Welzheim und ist dort für Social Media und Kommunikation zuständig. Sie hat Hieber schlussendlich mit dem Video beauftragt – auch, weil er in Welzheim aufgewachsen ist und Stadt sowie Menschen kennt. „Es war uns wichtig, ihm dabei viel künstlerischen Freiraum zu lassen“, erklärt Bihlmaier.

Und so fungierte Hieber nicht nur als Kameramann, sondern führte auch Regie, schrieb in Absprache mit der Stadt das Drehbuch und zeichnete das Storyboard. Für den von ihm gewählten Stil – eine Hommage an den US-Regisseur Wes Anderson („Grand Budapest Hotel“) – war eine exakte Planung besonders wichtig. „Es ist selten, dass man von einem Auftraggeber so freie Hand bekommt. Das war es mir wert, eine Extrameile zu gehen und zum Beispiel die Miniaturkulissen selbst zu bauen – unterstützt von einigen Freunden“, erzählt Hieber. Hilfe kam auch von Kollegen Marc Widmaier, der 3D-Animationen beigesteuert hat. Insgesamt dauerte die Arbeit an dem Film rund ein Jahr.

Der Imagefilm von Welzheim wird auf Youtube und Co gefeiert

Für ihr Werk haben Hieber und Bihlmaier jede Menge gutes Feedback bekommen – nicht nur bei der Premierenfeier im Rathaus, sondern auch von der Internetgemeinde. „Der Youtubekanal von Welzheim hatte vorher nur eine Handvoll Videos und Follower. Wir wussten also nicht, wie viele sich das Imagevideo gleich am ersten Tag ansehen würden – zehn oder eher hundert?“, erzählt der junge Filmemacher.

Das Resultat überraschte die Macher: Binnen der ersten beiden Tage erzielte der Clip auf Youtube 10 000 Aufrufe. Das kann sich sehen lassen, vor allem für diese Art Video und einen ziemlich unbekannten Kanal. Auch die allermeisten Kommentare fallen positiv bis begeistert aus: „Hollywoodqualität“, findet jemand, „zum Weinen schön“, jemand anderes. „Bester Imagefilm, den ich bisher für eine Stadt gesehen habe. Da möchte ich sogar von München aus wieder zurück nach Welzheim“, schreibt ein weiterer Nutzer.

Das Video soll nun nicht nur im Netz, sondern auch auf Messen, beim traditionellen Sommerempfang der Stadt und bei anderen Events gezeigt werden. „Es war uns wichtig, dass das Video nicht nur Außenstehende anspricht, sondern wir haben darin auch einige kleine Insider für die Welzheimer versteckt“, verrät Sandra Bihlmaier. Und so kommt darin nicht nur Prominenz aus Wirtschaft, Sport und Politik kurz zu Wort, sondern beispielsweise auch der Schulhausmeister Ronny Müller, als „bester Hausmeister und Seelsorger“.

Das Team hinter dem Video ist klein, aber oho. Foto: Atelier 037

Der Plan, ein für viele Menschen ansprechendes Filmchen zu schaffen, ist offenbar aufgegangen. „Wann kommt Teil 2?“, will einer der Youtube-Zuschauer wissen. Eine Fortsetzung des Welzheim-Clips ist zwar nicht in Planung. Aber Jonathan Hieber verrät, dass er schon eine Anfrage aus einer Nachbargemeinde Welzheims bekommen hat. Möglicherweise gibt es also bald einen weiteren Imagefilm aus seiner Werkstatt zu sehen. Wem das nicht genug ist, der kann sich zudem das 20-minütige Making-Of zu dem Video zu Gemüte führen, bei dem die Beteiligten die Zuschauer hinter die Kulissen blicken lassen.