Wenn jede Stunde eine Geschichte erzählt, hat der Tag 24 Geschichten. Eben diese erzählen wir in einer Serie. Von 23 Uhr bis Mitternacht schauen wir im Imbiss Inn in Möhringen vorbei. Mit diesem fettigen Bett-Schmankerl endet die 24-Stunden-Serie.

Möhringen - Zack, da liegt der Speck auf der Bratfläche, fliegen die Zwiebeln auf den Burger, wird der deftige Happen mit Ketchup bedeckt und von einem Plastikspieß durchbohrt. Hinter der Theke des Imbiss Inn unweit des SI-Centrums steht Ivanka Maric. Ihre Handgriffe sind geübt. Im Licht der Neonröhren bedient sie routiniert eine Schlange von Menschen. Es riecht nach Bratenfett und Kalorien. Wer hier in der letzten Stunde des Tages herkommt, möchte seinen Heißhunger stillen, genießen, nicht an den Zeiger der Waage zu Hause denken. Heute haben sich mal wieder besonders viele Kunden vom Duft der Hamburger, Würste und Pommes anlocken lassen, Maric hat einen anstrengenden Tag hinter sich. Ein Mann im Hemd bestellt einen American Burger mit Pommes. „Ihre Begleitung bekommt nichts?“, fragt Maric mit Blick auf die Dame an seiner Seite. „Danke, ich bin nur zur Dekoration dabei“, erwidert diese und lacht.

 

Pfefferspray braucht es bisher nicht

Den Imbiss neben der 24-Stunden-Tankstelle an der Plieninger Straße gibt es bereits seit 30 Jahren. „Ein Reutlinger hat ihn damals eröffnet“, erzählt Maric während einer kurzen Verschnaufpause, in der alle Kunden versorgt sind. Nachdem der Gründer seinen Ruhestand antrat, übergab er seinen Laden an Rodin Janeta, die heutige Inhaberin. „Zu dem Zeitpunkt hatte sie bereits seit 18 Jahren hier gearbeitet“, sagt Maric. Auch heute noch stehe die Chefin selbst hinter der Theke. Das Team um sie herum besteht aus fünf, sechs Leuten, alles Kroaten. Der Imbiss hat den ganzen Tag offen, von 8 Uhr morgens bis Mitternacht. Probleme mit Betrunkenen oder dergleichen habe es aber auch zur fortgeschrittenen Stunde nie gegeben. „Wenn die Polizei zu uns kommt, dann zum Essen“, sagt Maric mit einem Zwinkern. Ihre Kollegin habe 15 Jahre lang ein Pfefferspray zur Spätschicht mitgenommen und nie gebraucht.

Die Pause ist vorbei, zwei Mädchen und ein junger Mann betreten den Imbiss. Sie wollen ihren abendlichen Ausflug mit einem gehaltvollen Betthupferl beenden. „Was gibt’s hier so?“, fragt eines der Mädchen den jungen Mann, der offenbar schon öfters hier war. Beim Blick auf die Tafel an der Wand erhellt sich ihr Gesicht kurz – nur um sich direkt darauf zu verziehen. „Elisabethburger – der heißt wie ich. Aber igitt, da ist Schokoladensoße mit drauf“, sagt sie und wirft ihr Haar über die Schulter. Eine verständliche Reaktion, möchte man meinen. Doch tatsächlich erfreut sich der Burger mit den Kartoffelpuffern und der Schokoladensoße großer Beliebtheit. „Von denen habe ich heute schon mehrere verkauft“, sagt Maric. Die langhaarige Elisabeth lächelt ungläubig und bestellt einen „Die Schöne und das Biest-Burger“.

Benannt ist der Elisabethburger wie viele andere in der Auswahl nach einem Musical. Eine gute Marketingstrategie, denn durch die Lage am SI-Centrum kommen viele Musicalbesucher nach der Aufführung vorbei. Zu den kreativen Kreationen gehören der Mamma-Mia-Burger oder ein Vampirburger – wobei Letzterer durch eine Jalapeño-Paste den Genuss zu einer scharfen Angelegenheit macht.

Kleiner Stepptanz vor der Kasse

Der Zeiger der Uhr geht langsam auf die Zwölf zu, doch immer noch finden Musicalbesucher ihren Weg in den Imbiss. „Habt ihr noch auf?“, fragt einer der Männer. „Ich öffne gerade erst“, scherzt Maric, während die turbulente Gruppe schon in den Raum drückt. Sie reden über die besuchte Vorstellung, zwei von ihnen legen einen kleinen Stepptanz vor der Kasse hin. „Das ist zu viel Auswahl, ich kann mich nie entscheiden“, beklagt sich eine der Frauen. Beim Lesen der Karte bewegt sie ihre Lippen stumm mit. Einer der Begleiter empfiehlt ihr die Currywurst Spezial. „Das ist hier nicht so wie in der Kantine, wo man sich zuerst freut, wenn man ‚Currywurst‘ liest, nur um dann wieder enttäuscht zu werden, sobald man sie probiert“, erklärt der Mann seinen lachenden Freunden. Ob er selbst Zwiebeln und Gurken auf seinen Burger mag? „Ja bitte, volle Lotte“, fordert er. Mit Essen versorgt albert die Truppe an den Stehtischen weiter.

Maric mag an ihrem Job, dass sie so viel mit Menschen zu tun hat. Seit zwei Jahren ist sie in Deutschland, dafür spricht sie schon beachtlich gut Deutsch. „Das lernt man hier im Imbiss, weil man viel zuhört und sprechen muss“, sagt die Kroatin. Nur hin und wieder fehlt ihr mal ein Wort, wie zum Beispiel jetzt. Sie möchte die Musicaldarsteller beschreiben, die auch öfters in dem Burgerladen vorbeikommen: „Die sind immer so…“ setzt sie an und gestikuliert dann, bewegt ihre Arme weitschweifend durch die Luft. Künstlerisch? „Ja, genau das ist es. Künstlerisch“, freut sie sich.

Snacks nur aus Rindfleisch

Neben den Menschen aus den um die Musicals besuchen den Möhringer Imbiss tagsüber Handwerker, Angestellte von nahegelegenen Betrieben, Schüler, Stammkunden aus der Umgebung. Aus allen möglichen Ländern kämen die Kunden, Portugal, Italien, den USA. „Wir benutzen nur Rindfleisch, deswegen essen auch Türken gerne bei uns“, erklärt Maric. Das Essen im Imbiss vereint also Anzugträger und Arbeiter genauso wie verschiedene Kulturen.

Die turbulente Gruppe hat den Laden mittlerweile verlassen, Maric macht sich ans Aufräumen. Mit einem Lappen wischt sie über die Arbeitsflächen, räumt Reste weg, säubert die Geräte, zählt das Geld in der Kasse. Dabei schweift sie ab, erzählt von ihrer Heimat Kroatien. Aus Rijeka kommt sie, einer Hafenstadt im Norden des Landes. „Kilometerlange Sandstrände und 300 Tage Sonne im Jahr“, schwärmt sie. Und nur siebeneinhalb Stunden mit dem Auto von Stuttgart entfernt. Doch das Paradies hat eine Schattenseite. „Es gibt dort keine Arbeit“, sagt Maric. Das ist auch der Grund, warum sie mit ihrer Familie vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen ist. Der Sohn studiert mittlerweile Architektur in Freiburg, die Tochter möchte hier gerne Bürokauffrau oder Steuerberaterin werden. Die Mutter schiebt derweil Spätschicht im Imbiss.

Aus den Boxen über der Theke singt Philipp Dittberner: „Das ist dein Leben, das ist wie du lebst.“ Draußen ist es ruhig geworden, nur vereinzelt huschen die Scheinwerfer der Autos an der verglasten Imbiss-Front vorbei. Einen letzten Stammgast versorgt Maric noch mit einem Mitternachts-Snack, bevor sie die Geräte abschaltet. Dann geht sie in den Feierabend.

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Die Geschichten der 24-Stunden-Serie bündeln wir auf www.stuttgarter-zeitung.de/thema/24-Stunden-Serie und www.stuttgarter-nachrichten.de/thema/24-Stunden-Serie.