Ob mit Pommes oder Brötchen, als leichter Snack am Imbissstand oder als „Kraftriegel“ in der Kantine – die Currywurst ist gehört zur Imbissbranche wie das Schnitzel zu Pommes. Currywurstbuden haben auch in Stuttgart einen besonderen Charme.

Stuttgart - Am wackeligen Stehtisch, leicht vornübergebeugt, in der Hand eine fingerlange hölzerne Pommesgabel, die präzise in roter Soße stochert – so wird er genossen, der „Kraftriegel der Facharbeiterinnen und Facharbeiter“, wie der ehemalige Bundeskanzler und Ex-VW-Aufsichtsratmitglied Gerhard Schröder die Currywurst vergangene Woche nannte. In einer VW-Betriebsgastronomie wird die beliebte Stärkung zum Mittagessen jetzt abgeschafft. In Stuttgarter Currywurstbuden hingegen wird unbeirrt fleißig weitergebraten. Glücklicherweise, wie ein Stammgast des Brunnenwirt-Imbiss meint, der in Stuttgart längst Kultcharakter hat:„Ich kann Schröder da nur zustimmen. Die Currywurst ist eben lecker und ein richtiger Klassiker.“ Seit 35 Jahren kommt er zum „Brunnenwirt“, bestellt immer eine Rote Wurst unter der Schicht Currysauce. Eine vegetarische Currywurst? Kommt für ihn nicht in Frage:„Ich bin ein alter, weißer Mann, ich bin Raucher und trinke Bier – da esse ich natürlich auch Fleisch.“

 

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Original-Rezeptur ist bis heute strittig

Tja, aber welches? Die Frage welche Wurst für eine „echte“ Currywurst verwendet werden soll ist und bleibt umstritten. Bei der Metzgerei Widmayer, die zur Mittagszeit neben Fleisch- und Wurstspezialitäten auch den Kult-Snack anbietet, ist diese Frage völlig klar:„Eine Oberländer Bratwurst, aber ohne Haut!“ Bei Martha’s am Stuttgarter Schlossplatz kann man aus drei verschiedenen Wurstsorten auswählen – vielleicht ist das der Grund, warum Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Restaurant zu seinem liebsten Ort zum Currywurstessen wählte.

Anhänger der vegetarischen oder veganen Variante haben an den meisten Currywurstbuden Pech, da Fleischalternativen dort fast immer fehlen:„Meine letzte Currywurst mit Fleisch habe ich vermutlich vor anderthalb Jahren gegessen, eine vegane habe ich bisher noch nicht probiert. Das könnte aber ganz gut schmecken, der meiste Geschmack kommt ja von der Soße“, erzählt ein Stuttgarter Vegetarier. Die Alternative zur Currywurst? Falafel oder Fladenbrot mit Halloumikäse, ein beliebter Ersatz fürs Fleisch.

Das unschlagbare Ambiente von Currywurstbuden zieht an

Doch warum schmeckt denn die Currywurst so gut? Wird sie lieber mit Pommes oder Brötchen verzehrt? „Brrrm“, murmelt ein Mann in Lederjacke und winkt abweisend mit der Hand, „Nicht jetzt!“ sagt ein anderer. Wer Currywurst isst, der hat keine Zeit für ein Interview und will einfach nur genießen – oder hat es eilig. Fehlt nur noch das, was die Wurst zur Currywurst macht: die richtige Würze. In der Markthalle geht es auf die Suche: Welches Currypulver ist denn nun das richtige? Indisches Currypulver wird empfohlen mit Koriander, Cumin, Curcuma und Knoblauch oder fruchtig-süßes englisches Curry mit Senf und Knoblauch. „Zu außergewöhnlich dürfen die Sorten jedoch nicht sein,“ empfiehlt eine kundige Verkäuferin am Gewürzstand und stellt eine Currymischung mit Hibiskus wieder zurück ins Regal.

Fast noch entscheidender als der Geschmack einer Currywurst ist das Ambiente, in dem sie gegessen wird. Pappschälchen, der Geruch von Frittierfett und Stehtische, das gehört einfach dazu. Tobi’s Snackkonzept in den Stuttgarter Königsbau Passagen vermittelt eher Kantinengefühl: Tabletts, eine lange Schlange vor der Theke und bequeme Sitzgelegenheiten. In der Schlange steht eine Gruppe Männer mit teuren, blauen Anzügen und braunen Lederschuhen. Direkt dahinter zwei junge Frauen in grauen, robusten Arbeitshosen mit Firmenlogo eines Schreiners und zwei junge Mädchen mit Sonnenbrillen und langen blonden Haaren. Eine Personengruppe, die wie zufällig zusammengewürfelt wirkt, im Kontext einer Currywurstbude jedoch völlig normal aussieht. Currywurst mag eben irgendwie fast jeder.

Fastfood oder Traditionssnack?

Seit jeher streiten sich Berlin und Hamburg um den Ehrentitel der „Geburtsstadt der Currywurst“ und auch Niedersachsen will die Currywurst erfunden haben – Stuttgart war es jedenfalls nicht. Und doch darf die Landeshauptstadt nicht in der Chronologie der Snackgeschichte nicht fehlen: Der Imbiss Udo Snack eröffnete seine erste Bude rund neun Jahre bevor eine große rot-gelbe Restaurantkette die ersten Filialen in Deutschland öffnete und man überhaupt von „Fastfood“ sprach. Fastfood – ist das etwa auch die gute alte Currywurst? „So eine Currywurst ist keine ganze Mahlzeit, schon eher eine Kleinigkeit für Zwischendurch“, räumt der Stammgast des Brunnenwirt-Imbiss ein. Obwohl die Currywurst zwar die Kriterien dafür erfüllt, ist sie eben doch nicht nur ein ungesunder Snack, sondern ein richtiges deutsches Kultessen und für manche sogar ein unentbehrlicher Kraftriegel.

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