Sebastian Faiß lässt seine Bienen am Fernsehturm ausschwärmen. Rund 40 Kilogramm Honig hat er in diesem Jahr erstmals geerntet, nächstes Jahr soll es noch ein bisschen mehr werden.

Degerloch - Goldgelb tropft er aus dem Glas. Auf der Zunge entfaltet er erst eine herrliche Süße, bevor schließlich im Nachgang auch eine gewisse Würze zur Geltung kommt. Kein Zweifel: Der Fernsehturm-Honig ist eine Delikatesse.

 

Sebastian Faiß schmeckt sogar noch viel feinere Komponenten aus dem Honig heraus, den er unter Stuttgarts Wahrzeichen produziert. Zum Beispiel die Himbeer-, Brombeer- und Lindenblüten, an denen seine Bienen ihren Nektar sammeln. „Honig ist wie Wein“, sagt der 32-Jährige, „jede Lage und jeder Jahrgang sind anders.“

Dieses Jahr zum ersten Mal Bienen am Fernsehturm

In diesem Jahr hat Faiß zum ersten Mal ein Bienenvolk am Fernsehturm angesiedelt. Von Mai bis Juli hat er die sogenannte Bienenbeute, also den Kasten, in dem die Tiere leben, zwischen den beiden mit Stacheldraht bewehrten Sicherheitszäunen platziert, die den Fernsehturm umgeben. Die Mitarbeiter des Turms nennen den Bereich scherzhaft „Todeszone“. Zu Schaden freilich kommt dort niemand. Im Gegenteil: Mehr unberührte Natur dürfte sich nur an wenigen Flecken in Stuttgart finden.

In den drei Monaten, als die Insekten rund um den Turm unterwegs waren, haben sie so viel Honig produziert, dass die Ausbeute, die Faiß abschöpfen konnte, rund 40 Kilogramm betrug. „Das ist nicht besonders viel. Aber dafür, dass es ein eher schlechtes Bienenjahr mit wechselhaftem Wetter war, bin ich zufrieden“, sagt Faiß.

Faiß produziert ausschließlich Bio-Honig

Mittlerweile hat er die Tiere ins Winterquartier auf seinen Hof in Aichwald bei Esslingen gebracht. Dort bekommen sie in den nächsten Wochen ihr Winterfutter, das aus Zuckerwasser und Honig besteht. Außerdem werden die Tiere gegen Schädlinge behandelt – allerdings nur mit natürlichen Mitteln wie etwa Ameisensäure gegen Milben. Denn Faiß produziert Bio-Honigsorten – und auch die nicht in Unmengen. Klasse statt Masse, lautet sein Motto. „Ich habe mich auf spezialisierte Honige verlegt.“ So hat der junge Imker etwa die beiden Stadthonige von Stuttgart und Esslingen im Angebot. Oder auch seltene Sorten wie Honig aus Edelkastanien.

Zudem züchtet der Jung-Imker besonders sanftmütige Bienen, die er auch an Orten ausschwärmen lassen kann, wo Bienen sonst eher nicht vermutet werden: Seine Bienenbeuten stehen zum Beispiel in Kindergärten, auf Hoteldächern oder im kommenden Sommer auch auf der Terrasse der Staatsgalerie. Dadurch, dass die Bienen weniger aggressiv sind als ihre Artgenossen, ist die Gefahr gering, gestochen zu werden. „Ich trage das ganze Jahr über weder Schleier noch Schutzkleidung“, sagt Faiß.

Eher zufällig zur Imkerei gekommen

Zur Imkerei ist Faiß eher zufällig gekommen. Der Bienenzüchter hat an der Uni Stuttgart Energiemanagement studiert. Dort arbeitet er auch heute noch als Berater für Existenzgründer. „Aus Langeweile“ habe er während des Studiums einen Imkerkurs gemacht und gleich ein Bienenvolk geschenkt bekommen, sagt Faiß. „Dann hat es mich gepackt.“ Schon im Folgejahr hatte er zehn Bienenvölker. Heute produziert Faiß ein bis zwei Tonnen Honig pro Jahr im Nebenerwerb.

Und nun eben den Fernsehturm-Honig. Was mit der ersten Ernte passiert, weiß Faiß noch nicht genau. „Das war ja erstmal ein Testlauf“, sagt er. Voraussichtlich wird der Südwestrundfunk als Betreiber des Fernsehturms den Großteil abnehmen. Zudem soll der Honig im Souvenir-Shop verkauft werden. Nachdem sich die Bienen aber an Stuttgarts bekanntestem Turm so offensichtlich wohlfühlen, will Faiß sie auch im kommenden Jahr wieder dort auf Nektarsuche schicken. Schließlich dürften sonst nur wenige andere städtische Wahrzeichen in Deutschland über einen eigenen Honig verfügen.