Im Hasental auf der Schwäbischen Alb stellen Imker aus dem ganzen Land ihre besten Königinnen ab. Ein Besuch auf dem perfekten Platz für Insektenverkehr.

Region: Verena Mayer (ena)

Schopfloch - Der Platz, an dem die Königinnen auf den Sex ihres Lebens warten, liegt so abgeschieden, dass es vieler Hinweisschilder bedarf. Das erste steht an einer Linde in Schopfloch. Es weist ins Grüne. Zu weiten Wiesen und dichten Wäldern. Eine kleine Ewigkeit später taucht wieder eine Tafel auf. Auch sie weist ins Grüne. Also wieder über eine schmale Straße gondeln, vorbei an dunklen Bäumen und vollen Feldern. An Handyempfang ist schon lange nicht mehr zu denken. Dann das nächste Schild. Es weist ins Dunkle. Dorthin, wo der Boden weich ist und matschig und die Sonnenstrahlen nicht mehr warm sind, wenn sie die Zweige endlich durchdrungen haben.

 

Hier muss er sein, der Platz, den die Königinnen jedes Frühjahr bevölkern. Sie sind unbefleckt, wenn sie ankommen, und hochschwanger, wenn sie ihn verlassen. Dass man am Ziel sein muss, verraten die bunten Kistchen, die ordentlich aneinandergereiht auf schmalen Bänken aus Holz stehen. Darin hausen wartende Bienen.

Man kennt Deckstationen für edle Pferde. Man hat potente Bullen im Besamungsstand gesehen und wundert sich nicht über die Begattung erlesener Perserkatzen. Aber ein Platz, wo weibliche Rassebienen von männlichen Rassebienen befruchtet werden – wer macht denn so was? Und warum?

Nach einem Abend im Milieu der Bezirksbienenzüchter von Kirchheim unter Teck weiß man mehr. Der Verein betreibt das abgeschiedene Quartier im Hasental bei Schopfloch auf der Schwäbischen Alb. Es ist der beste Ort für Bienensex weit und breit. Die Imker kommen sogar aus Ravensburg und Heilbronn auf den Platz, der den unerotischen Titel Belegstelle trägt.

Die Königin ist eine Gekeler

Das Schloss von Gerald Schleifers Bienenkönigin steht normalerweise in Aichwald in einem schönen Garten am Waldrand mit Apfel- und Birnbäumen drumrum und 20 anderen Schlössern, die korrekt Beuten heißen und aussehen wie kleine Wehrtürme aus Holz. Für das Treffen mit dem künftigen Vater ihrer künftigen Nachkommen muss Gerald Schleifers Bienenkönigin jedoch verreisen. Im Gefolge hat sie nur ein paar Hundert ihrer untergebenen Arbeitsbienen, die sie in ihrem Behelfsschloss füttern und putzen. Das Behelfsschloss heißt im Imkerdeutsch Begattungskasten, sieht aus wie ein Karton für Kinderschuhe mit Luftloch und besteht aus Styropor. Es ist so handlich, dass Gerald Schleifer 21 Stück davon in sein Auto packen und ins Hasental transportieren kann.

Schleifers Königin ist von der Rasse Carnica und entstammt der Züchterlinie Gekeler. Die Gekeler-Carnica-Bienen sind bekannt für ihre Sanftmut, ihre robuste Gesundheit, ihren Widerwillen auszuschwärmen, um sich in fremden Gärten einzunisten – und dafür, dass sie fleißig Honig produzieren. Die Chance, dass Schleifers Superkönigin im Hasental mit einem Supermann zusammenkommt und Supernachfolger zeugt, ist viel größer als daheim in Aichwald. Denn im Hasental fliegen im Umkreis von mindestens drei Kilometern keine Bienenmänner außer den Superbienenmännern, die die Kirchheimer Züchter auf ihrem Gelände halten. Wobei die Profis ihre Superbienenmänner nicht Superbienenmänner nennen, sondern schlicht und korrekt Drohnen.

Die Belegstelle im Hasental ist eine von vier in Württemberg. Der Bezirksverein hat sie vor fast einem halben Jahrhundert gegründet, um gezielt und kontrolliert reinrassige Honigbienen züchten zu können.

Gerald Schleifers Gesicht ist mit einem Netz verhüllt, der Rest seines Körpers steckt in einem weißen Overall. Sicher ist sicher – Sanftmut hin oder her. Der Imker kann sich nicht darauf verlassen, dass keine Biene aus der Kiste schießt, wenn er gleich den Knopf über dem Luftloch dreht und es damit zum Flugloch verwandelt. Durch diese Öffnung soll die Königin schreiten und das antreten, was im Fachjargon Hochzeitsflug heißt. Wann seine Königin abheben wird, weiß Gerald Schleifer nicht. Er wird sie zwei Wochen im Hasental lassen, ehe er sie wieder heim nach Aichwald holt. Das sollte reichen, um begattet zu werden.

Das Vermehrungsritual

Der Tag, an dem das Vermehrungsritual stattfinden wird, muss warm und trocken sein. Gute Flugbedingungen für die Königin eben, die dann das erste Mal vor ihr Schloss tritt. Und für die Drohnen, die nun den Sinn ihres Lebens finden: die Vereinigung mit der Königin. Die Vorbereitungen für das Zusammentreffen sind ausgeklügelt. Die männlichen Bienen rotten sich an einem Platz zusammen, von dem kein Mensch weiß, wie sie ihn finden. Dort sehnen die Drohnen den Moment herbei, in dem ihnen der Lockstoff der Hochzeitsfliegerin in die Nase steigt. Ist er da, spüren sie das Duftobjekt auf, stürzen sich nacheinander in voller Erregung darauf und tun, was ein Drohn tun muss.

Eine königliche Luftnummer sozusagen – die für die etwa 20 Männchen, die im Flug zum Zug kommen, allerdings tödlich endet. Ihnen wird beim Sekundenakt das Begattungsorgan ausgerissen. Den Kollegen, die ihr Leben nicht für die Lust geben, ergeht es jedoch nicht viel besser: Sie werden am Ende der Paarungszeit aus dem Volk vertrieben und sterben dann.

Die Königin hingegen kehrt nach ihrem Hochzeitsflug ins Schloss zurück und verlässt es nie wieder. Ihre Samenblase ist so reichhaltig gefüllt, dass sie mit dem Spermienvorrat den Rest ihres etwa vierjährigen Lebens Eier für viele Bienenbabys legen kann. Bis zu 2000 Stück an guten Tagen.

„Bienen sind einfach faszinierend“, sagt Gerald Schleifer und nimmt sein Gesichtsnetz ab. Heute krabbelt niemand aus dem Begattungskasten. Es nieselt. Keine gute Zeit für Luft und Liebe.

Das Geheimnis der Insektengene

Die Drohnen im Hasental sind von gedrungener Gestalt. Sie sind ungefähr 16 Millimeter kurz, wiegen etwa 230 Milligramm und lassen sich von den gemeinen Arbeitsbienen durchfüttern. Wie alle Carnica-Drohnen. Was also macht sie zu den gefragten Spermienbombern, die sie sind? Und wo kommen sie her?

Die Antworten kennt Andreas Bosch, der ein sehr bienenfreundliches Äußeres hat: Auf seinem fast haarlosen Haupt können sich keine Insekten verheddern, an den spitzen Enden seines gezwirbelten Bartes können sie sich bequem niederlassen. Andreas Bosch ist der Zuchtobmann der Kirchheimer Bezirksbienenzüchter, also der Chefvermehrer und Qualitätskontrolleur. Andreas Bosch sagt über das Geheimnis der begehrten Insektengene geheimnisvoll: „Königinnenzucht ist die Königsdisziplin.“

Sie beginnt damit, dass der Verein jedes Jahr eine preisgekrönte Königin aus der aktuellen Bestenliste des Landesverbands Württembergischer Imker erhält. Der diesjährige royale Zugang trägt die Nummer 98 und entstammt dem Züchterhause Gekeler. Hoheit Nummer 98 bringt ihre Kinder also auf der Belegstelle zur Welt. Manche ihrer Töchter werden dort ihrerseits zu Königinnen erzogen und gebären ihrerseits reinrassigen Nachwuchs. Die Söhne dieser zweiten Generation sind es, die schließlich als Begatter randürfen. Zu Superbienenmännern werden also die Enkel von Hoheit Nummer 98 geboren. Jedoch erst im nächsten Jahr, wenn Mutter und Großmutter längst in ihre Schlösser zurückgekehrt sind. Die Drohnen, die dieses Jahr im Hasental im Einsatz sind, sind Nachfahren der letztjährigen Hoheit aus dem Hause Schaible-Merz. Bieneninzucht im Wald ist damit ausgeschlossen.

Von Mitte Mai bis Mitte Juli ist die Belegstelle in Betrieb. An zwei Abenden pro Woche ist sie für Anlieferungen und Abholungen geöffnet. Dann gibt Andreas Bosch auch Larven aus, also königlichen 98er-Nachwuchs, mit dem Züchter wie Gerald Schleifer ihr eigene Rasseregentin heranziehen können.

Wieviel kostet eine Rasseregentin?

Am Ende der Saison werden 400 bunte Kisten die Stelle im Hasental belegt und 1800 ausgesuchte Larven den Besitzer gewechselt haben. Für jede befruchtete Königin kassiert der Verein einen Euro, für jeden edlen Engerling 50 Cent. Bei Profizüchtern kann eine Rasseregentin schon mal 75 Euro kosten, eine Edellarve 15.

„Es macht Spaß, mit Bienen zu schaffen“, sagt Bosch. – Aber geht das nicht auch weniger aufwendig, können sie sich nicht einfach daheim fortpflanzen? – Natürlich! Aber dann ist nicht garantiert, dass sich die besten Eigenschaften der besten Bienen weitflächig verbreiten, sagt der Zuchtobmann mit waldhonigklarer Stimme.

Es gibt auch Belegstellen auf einsamen Inseln in der Nordsee oder in verborgenen Hochgebirgstälern in den Alpen. Dort läuft die alljährliche Vermehrung der besten Bienen noch geschützter ab als im Hasental. Es gibt deshalb auch Imker, die ihre gefüllten Begattungskisten mit der Post an diese abgeschiedenen Plätze schicken.

Da ist die Bienenliebe im Hasental doch viel freier. Einfach nach Schopfloch fahren und an der Linde abbiegen.