Die Firma Graze versorgt seit mehr als 150 Jahren Imker aus aller Welt mit hilfreichem Zubehör – vom Bienenstock bis zur Honigschleuder. Den Juniorchefs ist nicht bange.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Wenn die ersten Blüten erscheinen und die Temperaturen allmählich steigen, beginnen die Bienen normalerweise mit dem Fliegen, um Nektar und Pollen zu sammeln. Spätestens dann fällt auch der Startschuss für die Imker. Sie müssen ihre Bienenstöcke inspizieren und vorbereiten, um sicherzustellen, dass die Bienen genügend Platz und Ressourcen haben, um ihre Aktivitäten zu beginnen.

 

Spätestens dann schwärmen die Bienenzüchter und Honigproduzenten in die Staffelstraße 5 nach Weinstadt: Dort produziert und verkauft die Firma Graze mittlerweile in der fünften Generation Imkereizubehör. Vom Bienenstock, den sogenannten Beuten, in denen die Bienen mit ihrer Königin leben , über Holzrähmchen, in denen die Bienen ihre Waben bauen und den Honig speichern. Bis hin zu stichfesten Imkeranzügen mit Hut, Schleier und Handschuhen, um sich vor Bienenstichen zu schützen.

„Nicht jeder Imker arbeitet mit Schutzanzug, Schleier und Handschuhen“, sagt Michael Graze. „Ohne Schutz geht man vorsichtiger mit den Bienen um, und zerdrückt sie nicht so leicht.“ Das sei aber wie so manches in der Branche eine Glaubensfrage und nicht jedermanns Sache. Es gebe aber auch Allergiker unter den Imkern, für sie sei der passende Schutz unerlässlich. Und zweifellos empfehlenswert sei ein Rauchgerät, der Smoker, um die Insekten zu beruhigen und sie leichter zu handhaben.

Die Bienenrassen Carnica und Buckfast sind beliebt

Welche Bienenart besonders fleißig ist, auch darüber scheiden sich die Geister: „Carnica und Buckfast sind hier in der Gegend besonders verbreitet“, sagt Graze, der mit seinen drei Brüdern Benjamin, Johannes und Konrad das Unternehmen führt. „Wir selbst haben zwölf Stöcke mit der Rasse Carnica, die gelten zumindest als zahm.“ Honig wird in dem Fachgeschäft ebenso angeboten wie Kerzen und Fachliteratur. Den Löwenanteil in der Produktion machen freilich handfeste Geräte aus wie die Holzrahmen und Beuten. „Von den Rähmchen für die Waben verkaufen wir im Jahr mehr als 100 000  Stück in alle Welt.“

Gefragt seien aber auch Hilfsmittel wie Stockmeißel zur Arbeit am Bienenstock, besondere Besen zum Entfernen von Bienen, die sich auf den Rahmen oder im Inneren der Beuten breit gemacht haben und freilich auch eine Auswahl an Honigschleudern – um an den goldenen Saft zu gelangen. „Es geht los mit einfachen mechanischen Schleudern, in die drei Rahmen passen bis hin zu großen, elektrischen Schleudern für 36 Rahmen.“ Nicht wenige der knapp 1500 Produkte im Sortiment im Hause Graze wurden von den Vorfahren entwickelt; unter anderem Schleudern, bestimmte Rahmen sowie ein Gerät, um Wachsplatten für den Wabenbau akkurat herzustellen. „Es funktioniert im Prinzip wie ein Waffeleisen“, so Michael Graze. Das Wachs werde erwärmt und dann zu einem Rechteck mit dutzenden Wabenmustern gepresst. Diese Mittelwände, die durch Drähte in die Holzrahmen fixiert werden, helfen den Bienen Waben zu bauen, die genauer und gleichmäßiger sind. Dadurch wird die Qualität des Honigs verbessert; er ist sauberer und leichter zu ernten.

Mehr als 70 Kilogramm Honig pro Bienenstock

Wie viel Honig aus einem Stock geerntet werden kann, hänge von mehreren Faktoren ab, erklärt der Juniorchef. Der Größe des Stocks etwa, dem Wetter und den örtlichen Bedingungen für die Bienen. Durchschnittlich seien es etwa 20 bis 30 Kilo Honig pro Beute. „Bei mir waren es im vergangenen Jahr 35 Kilo.“ Es gebe aber auch Kunden, die mit ihren Bienenstöcken den Blüten hinterherwandern und auf diese Weise mehr als 70  Kilo herausholten. „In jedem Fall muss man Futterteig oder Sirup zufüttern und dafür sorgen, dass die Bienen nicht verhungern.“ Zu schaffen machten den Bienen zunehmend auch die Pflanzenschutzmittel und die die Varroa-Milbe. Gegen den Parasit gebe es immerhin schon verschiedene Mittel. Eines davon sei, Ameisensäure im Stock zu verdunsten.

Wer in die Imkerei einsteigen wolle, für den gibt es bei Graze ein „Starter-Set“ für knapp 270 Euro – Beuten, Rahmen, Meisel, Schutzanzug und Smoker inklusive. „Bienenvölker verkaufen wir nicht, es gibt aber ein Schwarzes Brett im Laden. Da bieten Imker Völker zum Verkauf an – mit rund 150 Euro muss man rechnen.“ Imkern liege im Trend, das Hobby sei nicht zuletzt auch ein Beitrag zum Naturschutz. In jedem Fall empfiehlt Graze Neulingen, in einen Bienenzüchterverein einzutreten oder eine Schulung zu machen. „Die Imkerei ist ein weites Feld – es gibt viel zu lernen und man kann als Anfänger einiges falsch machen.“

Imkerbedarf gibt es bei Graze seit 1872

Vieles richtig gemacht hat jedenfalls der Firmengründer, Michaels Ururgroßvater Christian Bernhard Graze. Der hatte im Jahre 1870 nach der Rückkehr aus dem Deutsch-Französischen Krieg die Schreinerwerkstatt seines Vaters Eberhard übernommen. Der schwäbische Tüftler reparierte nicht nur Mühlräder, baute Möbel, mechanisches Kinderspielzeug und Musikinstrumente – er übernahm auch die Liebe seines Vaters zur Bienenzucht. Früh erkannte der findige Schreiner, dass die Zeit der geflochtenen Bienenkörbe zu Ende geht und Holzbeuten mit beweglichen Rähmchen viel praktischer und im Kommen sind. 1872 begann er die Holzkästen mit passenden Rahmen und Zubehör selbst herzustellen.

Seine drei Söhne Christian, Karl und Ernst übernahmen später den Betrieb und erweiterten das Unternehmen unter dem Motto „Alles für den Imker“. Fortschrittlich ging es weiter: Die Fabrik stellte 1885 die ersten elektrisch betriebenen Maschinen zur Holzbearbeitung im Remstal auf. Um 1910 war sie der größte Spezialbetrieb des Kontinents für Bienenzuchtgeräte. Bereits vor Beginn des Ersten Weltkriegs verließen jährlich mehr als 10 000 Beuten die Fabrik. Schließlich wurde auch die Metallverarbeitung angegliedert und die Produktion auf das Zubehör rund um die Bienenzucht erweitert. Dutzende Patente trugen zum guten Ruf und wirtschaftlichen Erfolg bei.

Doch auch Schicksalsschläge galt es zu verkraften; neben persönlichen Verlusten durch Todesfälle im Krieg gab es zwei Großbrände die 1937 und 1989 den größten Teil der Werksanlagen vernichteten. Beide Male wurde der Betrieb wieder aufgebaut und heute in der fünften Generation weitergeführt. Aktuell leiten die vier Brüder den Betrieb, ihr Vater Bernhard ist aber nach wie vor täglich vor Ort.

Bis heute haben viele Hunderttausende Beuten das Werk verlassen sowie ungezählte Honigschleudern und anderes Zubehör – zur Freude der Imker und ihrer Bienen.