Dieses Hobby erfreut sich wachsender Beliebtheit: Immer mehr Menschen imkern in ihrer Freizeit. In Stuttgart-Sillenbuch gibt es einen Stammtisch für alle, die sich gern über Bienchen und Blümchen austauschen wollen.

Sillenbuch - Mit zwei Völkern hat es vor etwa sechs Jahren angefangen. Mittlerweile teilen sich die Jickelis ihren Garten in Riedenberg mit 14 Bienenvölkern. Was dort wächst, ist auf den Geschmack der Insekten ausgerichtet. So pflanzt Annette Jickeli (53) „massenhaft“ Krokusse, damit ihre Tierchen nach dem Winter gleich ausreichend Nahrung finden. Und danach muss das sogenannte Trachtfließband bis zum Herbst weitergehen, damit die Bienchen das ganze Jahr über Blümchen anfliegen können.

 

Annette Jickeli und ihr Mann Alexander (55) sind leidenschaftliche Imker und gehen ganzheitlich an das Hobby heran. Außergewöhnlich finden die Eheleute das nicht. Im Gegenteil. „Bei der Einführungsvorlesung an der Uni Hohenheim war der Hörsaal voll“, sagt Alexander Jickeli.

Bis zu 180 Neu-Imker im Jahr

Tatsächlich ist das Imkern im Trend. Zu den Einführungskursen an der Uni Hohenheim kommen im Schnitt 400 Interessierte. Doris de Craigher von der Landesanstalt für Bienenkunde schätzt, dass daraus pro Jahr 150 bis 180 Neu-Imker hervorgehen. Auch Kurt Mailänder, der Vorsitzende des Imkervereins Stuttgart, spricht von einem Boom. In vier Jahren sei die Zahl seiner Mitglieder von 145 auf knapp 300 gestiegen. Berichte über das Bienensterben und die Folgen sind oft Auslöser fürs „Urban Beeing“. Das Umweltbewusstsein ist auch für die Jickelis ein Antrieb, aber nicht der einzige. „Ich könnte stundenlang davorsitzen und zugucken“, sagt Annette Jickeli und erzählt, dass sie sich vom Sozialleben der Völker viel abschaut und Parallelen zur Menschengesellschaft zieht.

Ähnlich geht es Elisabeth Gekeler (54). „Ich finde es faszinierend, wie sie sich organisieren und alles hinkriegen“, sagt sie. Das Schwärmen für die Schwärme hat viele in Sillenbuch ergriffen. Auf der Liste des privaten Imkerstammtischs, der sich etwa sechsmal im Jahr trifft, stehen knapp 20 Namen. Die Teilnehmer tauschen und helfen sich aus, verleihen Geräte wie Honigschleudern oder bestellen gemeinsam Material. „Und es ist einfach gesellig“, fügt Annette Jickeli an.

Das frostige Frühjahr vermasselte den Honig

Vor drei Jahren ist Bärbel Retter (57) dazugestoßen. Ihr Obst gedeihe durch die fleißigen Bestäuber viel besser, „und ich habe viel mehr im Fokus, was überhaupt in meinem Garten wächst“. Dabei ist die Imkerei bisweilen auch mit Rückschlägen verbunden. Durch den Kälteeinbruch im Frühjahr hat Detlef Weik (56) heuer überhaupt keinen Honig in Gläser füllen können. „Die ersten Blüten sind erfroren. Davon haben sich die Bienen nicht erholt“, sagt er. Zwei Völker bei den Jickelis wiederum haben in dieser Saison eine wahre Turboproduktion hingelegt und jeweils 50 Kilogramm Honig hergestellt. „Jedes Volk ist anders“, sagt Elisabeth Gekeler, und die anderen am Stammtisch nicken zustimmend.

In den Genuss der süßen Sillenbucher Masse kommen allerdings nur wenige. Den Honig verzehren die Imkerfamilien zumeist selbst, ab und an wird auch mal ein Glas verschenkt. Dabei würden sich gern viel mehr am Bezirkserzeugnis laben. Elisabeth Gekeler hat die Erfahrung gemacht, dass ihr die Nachbarn den Honig „aus den Händen reißen“, wenn sie ein Schild an den Gartenzaun hängt, dass sie Gläser verkauft.

In diesem Jahr gibt es Riedenberger und Sillenbucher Honig auch öffentlich – als einmalige Verkaufsaktion, und zwar, um ein soziales Vorhaben von Elisabeth Gekelers Tochter Sarah zu unterstützen. Unter dem Namen „300 x 110“ hat sie ein Projekt initiiert, bei dem in Indien tausende Mangrovenbäume gepflanzt und Frauen in der Imkerei und im Obstanbau ausgebildet werden; zwei Maßnahmen, die ineinandergreifen. Annette Jickeli und Elisabeth Gekeler schwebt vor, ihren Honig beim Martinimarkt am 5. November anzubieten. Die ursprüngliche Idee, einen Stand auf dem Wochenmarkt aufzubauen, scheiterte an strengen Reglementierungen.

Die wenigsten dieser Imker wollen Honig verkaufen

Für den Honigverkauf macht aber keiner am Sillenbucher Stammtisch sein Hobby. Einzig Detlef Weik verfolgt ein übergeordnetes Ziel. Ihm gehört eine Firma, die Wachsprodukte herstellt. „Meine Motivation ist, irgendwann auch eigenes Wachs zu verwenden“, sagt der Sillenbucher, der den Umgang mit Bienen von seinem zukünftigen Schwiegersohn, einem Studenten der Agrarwissenschaften, gelernt hat. Lehrgeld inklusive. Auf die Frage, ob denn einer von ihnen schon mal gestochen worden sei, bricht am Stammtisch schallendes, nicht enden wollendes Gelächter aus. Detlef Weik: „Wer nein sagt, der lügt.“

Kontakt:

Neue Imker aus dem Stadtbezirk können sich dem Stammtisch anschließen. Infos erhalten Interessenten per Mail an die Adresse elisabeth@gekeler.com.