Die Rechte hat es geschafft, ihre Positionen weit in die Mitte zu tragen. Nun zeigt auch die Kriminalstatistik, wie Antisemitismus und Rassismus wachsen. Der Staat agiert ratlos, kommentiert unsere Korrespondentin Katja Bauer

Berlin - Zahlen kann man nicht fühlen. Aber der jüdische Wirt in Chemnitz, der im Herbst zum x-ten Mal die Polizei holte, weil sein Restaurant angegriffen wurde, kann etwas darüber berichten, wie es sich anfühlt, sich verbarrikadieren zu müssen. So wie das elfjährige Mädchen in Osnabrück, dem im April ein erwachsener Mann an einer Bushaltestelle das Kopftuch herunterriss, und gleich noch einige Haare dazu. Es sind nur zwei der 7700 fremdenfeindlich und 1800 antisemitisch motivierten Straftaten vom vergangenen Jahr – und es sind zwei, die öffentlich registriert wurden. Über viele Vorfälle wissen wir gar nichts. Aber selbst die gesichtslosen Zahlen sagen aus, dass wir in einem Land leben, in dem Judenhass und Fremdenfeindlichkeit zum Alltag gehören.

 

Der Hass wächst. Die Kriminalstatistik weist nach, worauf Politologen und Verfassungsschützer hinweisen: Die extreme Rechte hat es geschafft, ihre Positionen weit in die Mitte zu tragen, Tabus zu brechen, die Debatte zu enthemmen. Unsagbares ist sagbar, lange Unvorstellbares geschieht einfach. Nichts bremst diese Entwicklung. Der Innenminister hat recht, wenn er von einem massiven Problem spricht. Die Ratlosigkeit darüber, was der Staat dagegen ausrichten kann, ist den Verantwortlichen anzumerken. Appelle zu hohen Feiertagen werden nicht helfen.