Wer richtig schwimmen kann, lebt ungefährlicher. Doch viele unterschätzen die Gefahren, die Gewässern lauern können. Wir sprachen mit dem Extremschwimmer Oliver Halder aus Winnenden.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart/Winnenden - Mindestens jeder zweite Grundschüler in Deutschland kann nicht richtig schwimmen. Das ist das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Demnach besitzen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen.

 

Wir sprachen mit dem Extremschwimmer und Schwimm-Event-Manager Oliver Halder über das Problem der wachsenden Zahl an Nichtschwimmern in Deutschland und die Gefahren, die in Gewässern lauern können.

Herr Halder, die Zahlen der DLRG hinsichtlich des Schwimmreife der Deutschen sind erschreckend. Ist es wirklich so schlimm?
Katastrophal. Ganz klar. Die Tendenz ist rückläufig. Das ist Fakt. Das haben wir auch in Kooperation mit dem Schwimmverband Württemberg, mit denen wir seit 2013 zusammenarbeiten, festgestellt. Die Problematik ist die: Wasser hat keine Balken.
Das heißt?
Wenn man beim Laufen stolpert, verstaucht man sich vielleicht den Knöchel. Im Wasser kann das tödlich enden, wenn man nicht schwimmen kann. Was erschreckend ist, ist die Fehleinschätzung des Wassers. Viele sind sich über die Gefährlichkeit von Wassers überhaupt nicht im Klaren. Die Leute hüpfen in tiefes Wasser und merken plötzlich, dass sie nicht schwimmen können. Es sieht so einfach aus, aber das ist es nicht - und das trifft nicht nur bei Kindern zu, die nicht schwimmen können.
Früher war Schwimmunterricht eine Selbstverständlichkeit. Warum ist das heute nicht mehr so?
Wir haben einen Fachkräftemangel. Die Zahl der Lehrer und verfügbare Bäder, sowie freie Wasserzeiten darin reichen nicht aus für einen ordentlichen Schwimmunterricht. Viele Lehrer sind überhaupt nicht ausgebildet, um Schwimmen zu unterrichten. Nicht jeder, der schwimmen kann, kann andere im Schwimmen unterrichten oder retten.
Wer früh schwimmen lernt, bekommt das Seepferdchen-Schwimmabzeichen. Ist das nicht ausreichend?
Es sind Welten zwischen Schwimmen-Können und dem Seepferdchen. Die Anforderungen, die gestellt werden, sind einfach ein über-Wasser-Halten, ein paar Schwimmbewegungen und eine kleine Distanz überbrücken. Mit Schwimmen-Können hat das nichts zu tun.
Es muss nicht jeder wie Sie ein Extremschwimmer sein, den Bodensee queren oder in Wildwasser schwimmen. Was sollte ein normaler Mensch hierzulande können?
Man kann im Freibad schwimmen. Aber im Freibad trifft man nicht auf Anforderungen wie im Baggersee, im Bodensee oder am Meer. Auch als extrem guter Schwimmer kann man an Punkte kommen, wo nichts mehr geht. Es gibt im Wasser Aggregatzustände, die kann man durch Kraft und Schwimmvermögen nicht kompensieren. In dem Fall muss man aber diese Zustände kennen, sich darauf einlassen und nicht in Panik geraten.
Zum Beispiel mit dem Wasser im Baggersee.
Baggerseen können gefährliche Orte sein. Dort gibt es durch Ausbaggerungen Untiefen. Durch einen Unterwassererdrutsch können plötzlich Strudel, Wellen oder ein Sog entstehen, mit denen man gar nicht rechnet.
Und die Gefahr ist, dass man nicht vorbereitet ist.
Genau. Man kann von einem Kind nicht erwarten, solche Gefahren zu sehen und alle Eventualitäten zu beherrschen. Aber Heranwachsende müssen das Element Wasser kennenlernen. Sie müssen wissen, was im Wasser passiert, ob sie sich bei Wellen aufs Meer raustreiben lassen oder dagegen ankämpfen sollen.
Wer kann Abhilfe schaffen? Eltern, Schule, Vereine?
Viele Eltern können selber nicht schwimmen. Deshalb können sie es ihren Kindern auch nicht beibringen. Die Schulen können es zum Teil auch nicht leisten. Schwimmvereine sind sehr gut, weil man es dort tatsächlich lernt. Bei der DLRG oder der Wasserwacht in Bayern lernt man schwimmen und Menschen in Gefahrsituationen zu retten. Vor allem ist es wichtig, auch freies Gewässer kennen zu lernen. Es wäre das Optimum, wenn jeder ehrenamtlicher Wasserretter wäre, der zudem noch Mitglied in einem Schwimmverein ist und das möglichst frühzeitig. Denn wenn man einmal schwimmen kann, verlernt man es nicht mehr.