Banken und Sparkassen schließen immer mehr Filialen. Wie erledigen Menschen künftig ihre Bankgeschäfte – vor allem in ländlichen Gebieten? Die Branche testet verschiedene Konzepte. „Da verändert sich etwas“, meint ein Branchenkenner.

Stuttgart - Auf den ersten Blick erinnert wenig an eine Bankfiliale: Backsteinwände, Parkettboden, Holztische. Möglicherweise macht das die Kunden neugierig. Die ersten stehen lange vor der Tür, bevor die Commerzbank in Möhringen nach dem Umbau wiedereröffnet. Möhringen ist seit kurzem einer von zwei Standorten in Stuttgart, an denen die Commerzbank ihr Pilotprojekt der City-Filiale testet. Statt wie bisher 200 Quadratmeter hat die Filiale jetzt nur noch 80 Quadratmeter. Die Mitarbeiter in den Stuttgarter City-Filialen tragen keine Krawatten zum Hemd. Die Bank will Distanz abbauen, so die Begründung.

 

Und Kosten sparen. Nehmen die Kunden die neuen Filialen an, sollen mehr und mehr Standorte nach diesem Konzept umgebaut werden. Die kleinere, reduzierte Filiale verursacht nur ein Drittel der Kosten einer herkömmlichen Filiale und stellt laut Commerzbank trotzdem die meisten Kunden zufrieden. „95 Prozent der Kunden, die eine Filiale aufsuchen, wollen eine Serviceleistung: sie wollen Geld abheben, eine Überweisung aufgeben oder eine kaputte Scheckkarte ersetzt bekommen“, sagt Werner Braun, Bereichsvorstand Privat- und Unternehmerkunden Süd der Commerzbank. Das alles lässt sich in der City-Filiale erledigen. Für eine weitergehende Beratung kann ein Termin mit dem Berater vereinbart werden. Nach den Vorzeigefilialen mit Kaffeetheke, kostenlosem Internetzugang und Großbildleinwand setzt die Großbank nun also zusätzlich auf die schlanke, rustikale Form. Zudem soll es weiterhin Filialen geben mit einem größeren Beratungsangebot. Die Einheitsfiliale hat ausgedient, heißt es bei der Commerzbank. Das Beispiel zeigt: Deutschlands Bankenlandschaft präsentiert sich vielfältig, auch wenn die Zahl der Filialen insgesamt seit Jahren schrumpft und der Trend an Tempo gewinnt.

Die Zahl der Bankfilialen ist massiv gesunken

„Die Entwicklung beschleunigt sich im Moment deutlich“, sagt Stephan Schorn, Sprecher des Sparkassenverbands Baden-Württemberg mit seinen 51 Instituten. Die ganze Branche ächzt unter den regulatorischen Anforderungen mit immer strengeren Eigenkapitalanforderungen. Das belastet die Institute sehr. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank und die Digitalisierung erhöht den Druck auf Banken und Sparkassen noch. Gleichzeitig suchen Kunden immer seltener eine Filiale auf und erledigen viele Bankgeschäfte online.

Von 2000 bis 2015 hat sich die Zahl der Bankfilialen in Baden-Württemberg um rund 34 Prozent auf 5037 verringert. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage der AfD hervor. Allerdings wurden hier nur Filialen von Banken gezählt, die ihren Sitz im Land haben. Filialen etwa von Commerzbank oder Postbank im Land sind da noch nicht mitgerechnet. Das mit Abstand dichteste Filialnetz in Baden-Württemberg haben die Volks- und Raiffeisenbanken mit 2218 Filialen und 603 SB-Standorten gefolgt von den Sparkassen mit 1747 Filialen und 402 SB-Stellen.

Die rollende Bankfiliale hat alles an Bord

Groß ist die Sorge gerade bei der älteren Bevölkerung in ländlichen Gebieten, von der Versorgung mit Bankdienstleistungen abgeschnitten zu werden, wenn die Wege zur nächsten Filiale immer länger werden. Doch Volksbanken und Sparkassen, die bisher die Versorgung in der Fläche sichern, arbeiten an Alternativangeboten. Eines davon ist die rollende Bankfiliale, die zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufkreuzt. Sie sieht aus wie ein großes Wohnmobil und hat alles – vom Geldautomaten bis zum Berater – an Bord. Eingesetzt wird die rollende Filiale etwa schon von den Volksbanken Heidenheim und Hohenlohe sowie von der Sparkasse Bodensee und der Kreissparkasse Göppingen. Einige Institute bieten Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, zudem an, dass der Bankberater zum vereinbartem Termin nachhause kommt, oder dass ihnen Bargeld vorbeigebracht wird. „Ein besonderes Vertrauensverhältnis und die Kundennähe sind und bleiben uns extrem wichtig“, sagt Roman Glaser, Präsident des baden-württembergischen Genossenschaftsverbands mit seinen 193 Volks- und Raiffeisenbanken.

Immer häufiger kommen auch Kooperationen mit lokalen Händlern zustande. „In einigen Gebieten können Kunden ihr Bargeld vom Bäcker holen“, nennt Sparkassensprecher Schorn ein Beispiel. Das erinnert an die Post, die in vielen kleinen Zeitungsläden mit einem Paket-Shop vertreten ist. Bargeld gibt es auch in immer mehr Supermärkten, Discounter, Baumärkten und Tankstellen. Bis zu 200 Euro können Kunden etwa bei Rewe, Edeka, Netto, Penny, Toom oder Aldi-Süd abheben. Allerdings muss dazu im Wert von mindestens 20 Euro eingekauft werden. „Ich brauche keinen Geldautomaten, um an Bargeld zu kommen“, sagt Andreas Küchle, Sprecher der Sparda-Bank Baden-Württemberg. „Da verändert sich etwas.“

Der Druck auf die Erträge lässt noch ganz andere Überlegungen zu. Manchmal teilen sich Volks- oder Raiffeisenbanken mit der Sparkasse in der Nachbarschaft die Geldautomaten und damit die Kosten für das Auffüllen und die Wartung der Geräte. In wenigen Fällen geht die Zusammenarbeit noch weiter. Da teilen sich die Institute auch schon Filialen – etwa in Vaihingen/Enz im Stadtteil Aurich. Je nach Wochentag wird die Filiale mal von der Kreissparkasse, mal von der Volksbank genutzt.

Qualifizierte Beratung wird immer wichtiger

Andernorts wiederum setzen Institute ein Mitarbeiterteam einer Filiale an zwei benachbarten Standorten ein – mit jeweils eingeschränkten Öffnungszeiten. Dort, wo auch das nicht gut angenommen wird, ersetzen Automaten die Mitarbeiter. „Es bleibt Aufgabe der Sparkassen, auch für ältere Menschen ein Angebot zu erhalten, wenngleich nicht mehr in der gleichen Dichte wie bisher“, betont Schorn.

In fünf Jahren, so Commerzbanker Braun, wird es „dramatisch weniger Filialen“ in der Branche geben. Viele Bankgeschäfte würden mobil über das Smartphone erledigt. „Und trotzdem werden die Menschen Beratungsbedarf haben und in die Filiale kommen.“ Thomas Rosenfeld, BW-Bank-Vorstand und dort für das Privatkundengeschäft im Land verantwortlich, ist überzeugt: „Qualifizierte Beratung wird am Ende der entscheidende Wettbewerbsfaktor sein.“