Für viele Bürger wird Wohnen mittlerweile unerschwinglich. Die Kosten für den Bau von Häusern und Wohnungen steigen seit einigen Jahren massiv. Zwei Faktoren haben zu dieser Entwicklung geführt.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Für Carmen Mundorff, Geschäftsführerin der Landesarchitektenkammer, ist die Lage klar: „Bei der Politik ist die wahre Dramatik des Wohnungsmangels noch nicht angekommen.“ Anders kann sie es sich nicht erklären, warum Grüne und CDU monatelang darüber gestritten haben, ob man bei der Novelle der Landesbauordnung die Vorschriften streicht, Fassaden zu begrünen und Fahrradstellplätze zu bauen. Vergangene Woche hat man sich nun geeinigt – die begrünten Fassaden bleiben, bei den Radstellplätzen gab es Abstriche. Aber das seien Details, sagt Mundorff. Die wahren Ursachen für die stark gestiegenen Baupreise lägen ganz woanders.

 

Tatsächlich schießen die Kosten derart in die Höhe, dass bezahlbarer Wohnraum kaum mehr gebaut werden kann. Eine bis heute unübertroffene Studie aus 2015 zum Thema „Kostentreiber für den Wohnungsbau“, in Auftrag gegeben von Immobilienunternehmen, Baustofffachhandel und Mieterbund, kam zu dem Ergebnis, dass sich die Bauwerkskosten zwischen 2000 und 2014 um 40 Prozent erhöht haben – ein Quadratmeter Wohnfläche war 2000 für knapp 1000 Euro zu bauen, 2014 waren es 1432 Euro.

Handwerkerkosten und Auflagen schlagen schwer zu Buche

Zwei Faktoren haben dazu geführt. Der eine sind die überproportional steigenden Preise für Material und Arbeitslohn – sie machen laut der Studie die Hälfte der höheren Kosten aus. Diese Entwicklung hat sich fortgesetzt: Im Mai 2018 verzeichnete das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Baupreise um 4,1 Prozent gegenüber Mai 2017. Das sei der höchste Anstieg seit 2007. Volle Auftragsbücher machen es den Handwerkern leicht, höhere Preise durchzusetzen.

Der zweite Faktor sind strengere Vorgaben von Bund, Ländern und Kommunen, die zusammen weitere 15 Prozentpunkte der höheren Kosten ausmachen. Darunter versteht man Auflagen für Brandschutz und Erdbebensicherheit, aber auch höhere Gebühren und Steuern. Die Landesregierung hat kräftig mit an der Preisspirale gedreht: Schon 2011 hat sie die Grunderwerbsteuer von 3,5 auf fünf Prozent erhöht.

Der am hitzigsten diskutierte Punkt bei den staatlichen Auflagen sind aber die energetischen Anforderungen – sprich: Dämmung und Heizung. Die Energieeinsparverordnung ist 2016 erneut verschärft worden. Diese Vorgaben hätten den Bau einer Wohnung allein um acht Prozent verteuert, heißt es in mehreren Studien. Das Forschungsinstitut für Wärmeschutz in München hat dagegen dargelegt, dass sich die höheren Kosten fast immer im Laufe von acht bis 17 Jahren aufgrund geringerer Heizkosten amortisierten.

Nicht ganz so stark ins Gewicht fällt bei der Studie von 2015 der Anstieg der Grundstückspreise. Allerdings hat sich das in den vergangenen Jahren nochmals zugespitzt, vor allem in den Ballungsräumen, wo die Wohnungsnot besonders groß ist. In Baden-Württemberg ist baureifes Land in den vergangenen 20 Jahren im Schnitt um 70 Prozent teurer geworden. Laut dem Statistischen Landesamt kostete 2016 ein Quadratmeter gut 167 Euro. In vielen Gegenden wäre das aber immer noch ein Schnäppchen. In der Region Stuttgart sind 500 Euro pro Quadratmeter nicht selten – da kostet etwa ein 400-Quadratmeter-Grundstück allein 200 000 Euro. Für Mundorff ist dies ein Ansatzpunkt: Die Kommunen müssten dafür sorgen, dass Bürger und Genossenschaften günstiger an Bauland kämen – in Ulm etwa könne die Stadt die Preise bestimmen, weil kein Baugebiet eröffnet wird, bevor die Stadt nicht Besitzerin aller Flächen ist.

Auch wenn die Auto- und Fahrradstellplätze bei der Preisdynamik nicht allzu sehr ins Gewicht fallen, haben manche Kommunen doch begonnen, ihre Satzungen zu entschärfen. So müssen Bauherren in Freiburg seit 2016 pro Wohnung nur noch einen halben statt laut Landesbauordnung einen ganzen Kfz-Stellplatz errichten, wenn es sich um Studierenden- oder Seniorenwohnungen handelt, eine ausreichende Unterbringung für Fahrräder vorhanden und eine Bushaltestelle in der Nähe ist.

Trotz der hohen Kosten gelingt es manchen Bauherren noch, Wohnungen günstig zu errichten und in der Folge günstig zu vermieten. So ist das Projekt Neckarfair der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WBG in Villingen-Schwenningen jetzt mit dem Bauherrenpreis 2018 ausgezeichnet worden. Vier holzverschalte Häuser mit 47 Wohnungen seien mit „reduzierter Architektur, aber sehr hoher Qualität“ gebaut worden, so Geschäftsleiter Rainer Müldner. Man habe die Planungs- und auch die Folgekosten gering gehalten – so sei es möglich geworden, mit 1700 Euro Baukosten pro Quadratmeter auszukommen. Die Mieten liegen jetzt bei rund sechs Euro pro Quadratmeter.

Solche Projekte braucht es viel mehr, da sich immer mehr Menschen eine angemessene Wohnung kaum noch leisten können. So zeigt eine Prognos-Studie, dass sich eine Familie mit zwei Kindern in den Großstädten schon jetzt eine angemessene Wohnung mit 110 Quadratmetern nicht mehr leisten kann, selbst wenn beide Elternteile arbeiten – es sei denn, sie sind Topverdiener.