Sowohl die Mieten als auch die Kaufpreise für Wohneigentum steigen. Doch die Schere zwischen den beiden geht immer weiter auseinander – aus Sicht von Experten ein Grund zur Sorge.

Stuttgart - Unsere Daten enthalten Zündstoff“, sagt Stephan Kippes, der Leiter des Marktforschungsinstituts des Immobilienverbands Deutschland (IVD). Nach der Analyse der Experten geht die Schere zwischen den Mieten und den Kaufpreisen für Wohneigentum immer weiter auseinander. Dadurch, so die Einschätzung des Verbands, könnte sich das ohnehin schon extrem knappe Angebot an Mietwohnungen in Stuttgart weiter reduzieren. Extreme Verteuerungen der Wohnkosten wären die wahrscheinliche Folge.

 

Während die Kaufpreise für Eigentumswohnungen zwischen Frühjahr 2009 und Frühjahr 2016 um 67 Prozent zugelegt haben, stieg das Mietniveau bei neueingerichteten Wohneinheiten im selben Zeitraum lediglich um 19 Prozent. Das geht aus dem aktuellen Marktbericht des IVD-Instituts hervor, der in Stuttgart vorgestellt wurde. „Zwar steigen die Mieten, doch das eigentliche Produkt, nämlich die Wohnung, die vermietet wird, wird viel schneller teurer“, erklärt Stephan Kippes. Das Problem dabei: „Dadurch wird es aus finanzieller Sicht trotz steigender Mieten immer uninteressanter, eine Wohnung zu vermieten.“

Steigen die Zinsen, könnte das Angebot auf dem Wohnungsmarkt noch geringer werden

Der einzige Grund, aus dem Investoren noch Geld in den Wohnungsbau investierten, sei der Mangel an Anlagemöglichkeiten. „Das liegt an den extrem niedrigen Zinsen“, so Kippes weiter. Sobald es wieder auch nur ein Anzeichen für lukrative Anlageoptionen außerhalb der Immobilienbranche gebe, könnten die Investitionen in den Wohnungsbau schlagartig abbrechen. „Das hätte eine nochmals deutliche Verknappung des ohnehin schon sehr begrenzten Angebots an Mietwohnungen in Stuttgart zufolge“, so der Institutsleiter am Donnerstag bei der Vorstellung.

Wie ernst ist dieses Szenario zu werten? „Ich sehe darin ein erhebliches Gefahrenpotenzial“, sagt Kippes und fügt an: „Irgendwann wird die Phase der niedrigen Zinsen einmal enden.“

Mit Blick auf die aktuellen Marktdaten kommen die Fachleute des IVD zu ähnlichen Schlüssen wie die städtischen Gutachter. Das heißt: Immobilienpreise und Mieten steigen in rascher Geschwindigkeit.

Kritik äußert der IVD jedoch an der Wohnbaupolitik der Stadt. Die Verwaltung hatte vergangene Woche die Zahl der in Stuttgart fertiggestellten Wohneinheiten als Erfolg gewertet. Mit 2129 Einheiten habe man im Vergleich zu 2014 eine Steigerung um elf Prozent erreicht, hieß es dazu in einer Pressemeldung aus dem Rathaus. Das Ziel von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) von 1800 neuen Wohnungen pro Jahr habe man damit übertroffen, teilt die Stadt.

Der IVD hält die Erfolgsmeldungen der Stadt nicht für einen Grund zu feiern

„Das ist keinerlei Grund die Sektkorken knallen zu lassen“, entgegnet jedoch Stephan Kippes. Die Frage sei immer, welche Vergleichsgröße man wähle, so der Institutsleiter. Zwar sei die Zahl vom Vorjahr übertroffen worden, im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre, liege man bei Baugenehmigungen und Fertigstellungen jedoch deutlich dahinter. „Das gilt für Baden-Württemberg genau wie für die Landeshauptstadt“, sagt Stephan Kippes.

Das Fazit des IVD lautet daher: „Die Wohnungsproduktion reicht bei weitem nicht aus.“ Auf die Frage, ob ein Mehr an Angebot, die extremen Preissprünge der vergangenen Jahre aufhalten könnte, sagt Kippes: „Die Preise würden mit großer Sicherheit nicht zurückgehen.“

Allerdings könne ein größeres Angebot an neuen Wohnungen eine gewisse Entspannung des Marktes bewirken. Vielleicht würden die Preise sogar für gewisse Zeit stagnieren. „Auch das wäre schon ein Erfolg“, analysiert der Leiter des IVD-Instituts die Situation.