Der Immobilienwahnsinn in Stuttgart geht weiter: alleine bei den vier größten Deals im Jahr 2015 wurde eine Summe von knapp 600 Millionen Euro bewegt. Trotzdem mangelt es weiter an Häusern und Wohnungen.

Stuttgart - Nimmt man das Geld zusammen, das bei den vier größten Immobiliengeschäften des vergangenen Jahres in Stuttgart geflossen ist, kommt man auf eine Summe von knapp 600 Millionen Euro. Doch trotz der enormen Preise ist der Markt nicht von einem Mangel an Käufern, sondern von einem Mangel an zum Verkauf stehenden Häuser gekennzeichnet.

 

„Was sich da abspielt, ist schon verrückt“, sagt Frank Leukhardt, einer der Geschäftsführer der Gewerbemakler von Colliers in Stuttgart. „Es ist enorm viel Geld unterwegs.“ 2006 und 2007, in den Jahren vor der Bankenkrise, sei das auch so gewesen. Trotzdem sieht Leukhardt nicht die Gefahr einer Immobilienblase. „Im Unterschied zu damals wird heute mit eigenem Kapital bezahlt.“ Kaufen ohne Eigenmittel, das werde nicht mehr gemacht, so der Investmentspezialist. Und: „Gefährlich wird es nur, wenn auf Vorrat, also ohne echte Nachfrage gekauft wird.“

Wer kauft sich in Stuttgart ein?

Doch wer sind diese Anleger, die 100 oder 200 Millionen Euro aus der eigenen Tasche für ein Gebäude in Stuttgart ausgeben? Frank Leukhardt nennt sie die „klassischen Anleger: Versicherer oder Pensionskassen. Auch das Geld von privaten Kleinanlegern heimischer Banken findet seinen Weg in Form von Immobilienfonds auf den Investmentmarkt“, so Leukhardt.

Ein Beispiel dafür ist das Gebäude des ehemaligen Schreibwarenhändlers Haufler am Marktplatz. Gekauft wurde es von einer Firma namens Real I.S. Dabei handelt es sich im Grunde um einen Dienstleister in Sachen Immobilienkauf. Die Firma erstellt einen Fonds, kümmert sich um alle nötigen Verfahren und Formalitäten und handelt im Auftrag eines Anlegers – in diesem Fall der Kreissparkasse Ludwigsburg. Viele Käufer agieren entweder über Firmen wie die Real I.S. oder über sogenannte Asset Manager. „Die haben eine ähnliche Funktion, nur stellen sie nicht den Fonds bereit“, sagt Leukhardt. Speziell bei Anlegern, die nicht über ein detailliertes Wissen auf dem Immobilienmarkt verfügen, oder für Investoren aus dem Ausland sei dieser Weg interessant, sagt der Geschäftsführer.

Die Hälfte des Geldes kommt aus dem Ausland

Der Anteil ausländischer Investoren auf dem deutschen Immobilienmarkt steigt seit Jahren kontinuierlich. Von bundesweit insgesamt rund 55 Milliarden Euro kommen 26 Milliarden aus dem Ausland. Der größte Teil dieses Geldes stammt mit 52 Prozent aus Europa, 36 Prozent kommen aus den Vereinigten Staaten und Kanada, lediglich 7,6 Prozent aus Asien. „Doch dieser Anteil wächst“, erklärt Leukhardt.

Auch Stuttgart wird bei internationalen Geldanlegern immer beliebter. Trotzdem ist der Anteil im Vergleich mit anderen Städten noch gering. Während in Berlin 49 Prozent des investierten Geldes aus dem Ausland stammen, sind es in Stuttgart lediglich 25 Prozent. Auch Städte wie München (44 Prozent), Hamburg (57 Prozent) oder Frankfurt (54 Prozent) weisen einen wesentlich höheren Teil an internationalen Investitionen auf. Der Grund, weshalb sich in Stuttgart weniger Amerikaner, Briten und Chinesen einkaufen? „Ein Objekt wird für internationale Anleger in der Regel erst ab einem Wert von 70 bis 80 Millionen Euro interessant“, sagt Leukhardt und fügt an: „So viele Immobilien dieser Kategorie stehen in Stuttgart pro Jahr schlicht nicht zum Verkauf.“

Die größten Geschäfte in Stuttgart

Und welche Immobilien werden nun konkret als Geldanlagegehandelt? Die vier größten Verkäufe aus dem vergangenen Jahr waren das Zeppelin-Carré am Hauptbahnhof mit rund 170 Millionen Euro, die ehemalige Karstadt-Filiale an der Königstraße für etwa 200 Millionen Euro, der sogenannte Hindenburgbau für rund 100 Millionen Euro und das Bosch-Areal für einen Preis von rund 115 Millionen Euro. Insgesamt rechnet man bei Colliers mit einem Transaktionsvolumen in Stuttgart im gewerblichen Bereich von knapp 1,7 Milliarden Euro für das Jahr 2015. Damit bewegt man sich in der Stadt wieder auf dem Rekordniveau vor der Bankenkrise. Damit ist im Übrigen auch klar, zu welchem Immobiliengeschäft mit „fast einer viertel Milliarde Euro“ Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) Ende November keine näheren Angaben machen wollte: es war das ehemalige Karstadt-Gebäude.

Also der ideale Zeitpunkt für Immobilienbesitzer, um große Gebäude zu verkaufen? „Nicht ganz“, sagt Leukhardt. Wer ein Gebäude veräußere, könne zwar enorme Summen verlangen. Doch wohin mit dem ganzen Geld? „Die Verkäufer stehen dann da wie die Käufer zuvor“, erklärt Leukhardt, „sie haben plötzlich eine große Summe in der Hand und wissen nicht, wie sie das Geld gewinnbringend anlegen sollen.“

Immobilien statt Aktien

Der Grund, weshalb Immobilien bei Anlegern so gefragt sind: „Es gibt kaum Alternativen, die interessante Renditen versprechen“, so der Investmentspezialist. Früher seien beispielsweise Staatsanleihen gekauft worden, sagt er. „Doch die bringen derzeit kaum Rendite.“ Zudem seien Investoren immer auf der Suche nach sicheren Anlageformen. „Angesichts der plötzlichen Kurssprünge an den Börsen sind Aktien für viele nicht die Lösung – jedenfalls nicht ausschließlich“, so Leukhardt.

Bleibt die Frage: Was unterscheidet einen gewerblichen von einem privaten Immobilienkäufer? „In der Regel die investierte Summe“, sagt Leukhardt lakonisch. Für einen institutionellen Anleger seien meist erst Objekte ab einem Wert von fünf Millionen Euro interessant.

Ob auch 2016 ein Jahr der Rekordergebnisse auf dem Immobilienmarkt sein wird, kann Leukhardt jedoch noch nicht abschätzen. „Das Geld zum Kaufen ist derzeit reichlich vorhanden“, sagt er. „Die Frage ist vielmehr: Sind die Objekte zum Verkauf auch da?“ Wenn an der Königstraße beispielsweise drei Gebäude in einem Jahr verkauft würden, sei das sehr viel. Doch eine Größe spricht dafür, dass auch 2016 große Summen auf dem Immobilienmarkt bewegt werden. Leukhardt zieht erneut die Königstraße als Beispiel heran: „Dort sind maximal noch drei bis fünf Immobilien in Privatbesitz.“ Der weitaus größte Teil gehört institutionellen Investoren. „Die verkaufen die Objekte in der Regel wesentlich schneller als private Hausbesitzer.“