Immobilienmarkt auf den Fildern Pro Wohnung 500 Interessenten oder mehr

Der Immobilienmarkt auf den Fildern in Stuttgart und dem Kreis Esslingen ist extrem angespannt. Wenn überhaupt etwas verfügbar ist, erhalten in der Regel Besserverdiener den Vortritt. Wer in der Masse nicht untergehen will, muss kreativ sein.
Filder - Im Mai haben Hansjörg Auch-Schwarz (32) und seine Nele (29) geheiratet, seit sechs Monaten krönt die kleine Ida das Glück. Die Dachgeschosswohnung in Echterdingen platzt vor Liebe aus allen Nähten. Im tatsächlichen Wortsinn. Die knapp 80 Quadratmeter mit den vielen Schrägen werden der Familie spätestens dann zu klein werden, wenn die Tochter größer wird. Geschwister: nicht ausgeschlossen. Ein Häuschen wünschen sich der Vater, der im IT-Bereich arbeitet, und die Filialleiterin einer Bank, „man will irgendwas hinterlassen“, sagt Nele Auch-Schwarz und wiegt ihr Kind im Arm. Doch für den Verlauf der bisherigen Suche hat Hansjörg Auch-Schwarz nur ein Wort: Katastrophe. „Ich dachte schon, dass es schwer werden würde, aber nicht so schwer“, sagt er.
Obwohl das Paar betont, etwa an der Martin-Luther-Straße mehrere leer stehende Häuser gesehen zu haben, sucht es seit bald anderthalb Jahren. Auf Portalen, per Zettel an Bushaltestellen, per Facebook, über Banken, über Gartenzaungespräche, bei Zwangsversteigerungen. Sogar den Pfarrer haben die Eheleute ins Vertrauen gezogen – wie fünf andere Paare, stellte sich dann heraus. Wenn man überhaupt etwas finde, sei in der Regel der Preis viel zu hoch, sagt Nele Auch-Schwarz. „Man sieht häufig Bieterverfahren, da brauchen wir gar nicht antreten“, erklärt sie.
„Ich kann ja nicht 500 Leute zurückrufen“, sagt der Makler
Wie angespannt die Situation auf den Fildern ist, weiß Mirko Mosenthin von Immobilien Weber mit Sitz in Möhringen. Der Markt sei leer gefegt. Vor rund fünf Jahren habe er noch doppelt oder dreifach so viele Objekte anbieten können. Dementsprechend groß sei der Run in der Zuzugsregion. „Wenn wir eine Mietwohnung haben und online stellen, haben wir nach 20 Minuten 30 bis 50 Anfragen und nehmen sie wieder heraus“, sagt der Makler. Auf ein Mietobjekt in Stuttgart kämen vermutlich 500 bis 600 potenzielle Interessenten, „aber ich kann ja nicht 500 Leute zurückrufen“.
Gekämpft wird mit harten Bandagen. Gesuche gleichen Kontaktannoncen. Der „deutsche Unternehmensberater“ sucht mit Krawatten-Porträt, das „sympathische Lehrerpaar“ mit Zweier-Selfie, die „junge und zuverlässige Akademikerin (26) mit geregeltem Einkommen“ mischt mit. Weniger gut Verdienende oder auch Menschen mit ausländischen Namen kämen mitunter kaum dagegen an, bestätigt Mirko Mosenthien. Die Entscheidung fälle letztlich der Vermieter, „aber wenn dreimal das kinderlose Ehepaar von Daimler dabei ist, tun sich andere schwer“. Zumal: hiesige Preise können sich ohnehin fast nur noch Besserverdiener leisten. Mirko Mosenthin moniert, die Kommunen hätten es verschlafen, auf den Fildern bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
„Es heißt immer: Tut uns leid, schon vergeben“
Mongia Khamassi (62) aus Sillenbuch ist eine, die wohl bei manchem Vermieter durchs Raster fällt. Seit im Oktober 2017 ihr Mann starb, sucht sie eine günstigere Bleibe. Vergebens. Auf die Zettel, die sie in Supermärkten ans Schwarze Brett hängt, habe sie keine Resonanz erhalten, Termine bei Maklern oder Wohnungsbaugesellschaften hätten nichts gebracht, „obwohl die Stadt doch baut und baut“. Einladungen zu Besichtigungen habe sie nicht erhalten. „Es heißt immer: Tut uns leid, schon vergeben“, sagt die Tunesierin, die seit 42 Jahren in Deutschland lebt. Sie glaubt, dass Jüngere den Vortritt erhalten und Leute, die nicht wie sie wegen eines Bandscheibenvorfalls aktuell nur einen Minijob plus Mietzuschuss vom Jobcenter vorweisen können. „Große Leute, kleine Leute“, sagt sie.
Im Moment müsse man kreativ sein, betont Makler Mosenthin. Das Ehepaar Auch-Schwarz wuchert daher jetzt mit einem besonderen Pfund: den Wurzeln. Hansjörg Auch-Schwarz’ Vater, den Landwirt Fritz Auch-Schwarz, kennen Alteingesessene. Das Paar hat 1250 Flyer drucken lassen und in Briefkästen geworfen – mit einem Familienfoto drauf, dem Nachname in großen Buchstaben und dem Hinweis, gebürtig aus dem Ort zu sein. „Wir versuchen, mehrere Generationen anzusprechen“, sagt die junge Mutter. Sie hofft auf jemanden, dem es nicht „schnurzpiepegal“ ist, wem er das eigene Haus anbietet. Falls Sympathie nicht zieht, gibt es Plan B. Auf den Flyern wird eine 4000-Euro-Prämie für die Vermittlung einer Immobilie oder eines Grundstücks ausgelobt. Hansjörg Auch-Schwarz schnauft: „Irgendwas muss man sich einfallen lassen.“
Kontakt: Die Familie Auch-Schwarz kann man per E-Mail an auch-schwarz@mail.de kontaktieren.
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