Es werden zu wenige Wohnungen gebaut und kaum noch Objekte verkauft. Die Preise für Immobilien steigen ins Astronomische – nicht nur in Ludwigsburg, sondern auch in der Region Stuttgart. Oft helfen nur: Mieten oder Pendeln. Doch auch da gibt es Probleme.

Ludwigsburg - Es sind drastische Zahlen, die Hans Schmid am Dienstag im Ludwigsburger Rathaus präsentiert. Schmid war mal Baubürgermeister der Stadt, aber jetzt hat er in anderer Funktion zur Pressekonferenz geladen. Als ehrenamtlicher Vorsitzender des Gutachterausschusses darf er einmal pro Jahr den kommunalen Immobilienmarktbericht vorstellen. Dass die Preise für Wohneigentum seit Jahren sukzessive steigen, ist kein Geheimnis, aber das neueste Zahlenwerk beweist: Es ist alles noch viel schlimmer geworden.

 

Schmid, der in der Stadt als zurückhaltender Mensch bekannt ist, wählt für sein Fazit ungewöhnlich emotionale Worte: „Normalverdiener können sich in Ludwigsburg in der Regel kein Eigentum mehr leisten – das ist die eigentlich traurige Aussage dieses Berichts.“

Die Kurve kennt nur eine Richtung: steil nach oben

Die Aufgabe des Gutachterausschusses ist es, mit dem Immobilienmarktbericht das Preisgefüge und die Preisentwicklung von Bodenwerten und Eigentumswohnungen zu analysieren, und in beiden Kategorien kennt die Kurve nur eine Richtung: steil nach oben. Die Bodenpreise in Ludwigsburg sind von 2016 bis 2017 um acht Prozent gestiegen, Wohnungen wurden um durchschnittlich 18 Prozent teurer. In besten Lagen werden für neue Wohnungen bis zu 6200 Euro pro Quadratmeter fällig – getoppt werden solche Werte in der Region nur noch in Stuttgart, wo der Quadratmeter in Einzelfällen sogar bis zu 10 000 Euro kosten kann.

Ebenso besorgniserregend ist, dass in der Barockstadt kaum noch günstige Immobilien auf dem Markt sind. Der Ausschuss hat festgestellt, dass der größte Preissprung bei Objekten erfolgte, die vor 1944 entstanden sind – sie wurden innerhalb eines Jahres um satte 45 Prozent teurer. „Das zeigt, dass die Interessenten inzwischen bereit sind, Preise zu zahlen, die sie früher nicht gezahlt hätten“, sagt Olaf Dienelt, Geschäftsstellenleiter des Gutachterausschusses. Preisgünstige Lagen gibt es kaum noch. Zwar sind Grundstücke in der Oststadt oder der Stadtmitte immer noch teurer als in Poppenweiler oder Grünbühl-Sonnenberg, aber die Preissteigerung hat alle Stadtteile, alle Viertel und alle Straßenzüge erfasst.

Weniger Verkäufe bei steigendem Umstatz

Die Gründe hierfür sind bekannt. Die Einwohnerzahl der Stadt wächst schnell, das Angebot an Wohnungen wächst langsam. „Ludwigsburg ist eben eine hochattraktive Stadt in einer wirtschaftlich brummenden Region“, sagt Schmid. Die Schattenseiten des Booms: Die Straßen werden immer voller und Wohnungen immer teurer. Schmid glaubt nicht, dass die Stadt das Problem überhaupt noch lösen kann – auch nicht über die mit viel Tamtam angekündigte Wohnbaulandoffensive. „So viel kann man gar nicht bauen, um die Nachfrage noch zu bedienen.“

Das Dilemma potenziert sich noch dadurch, dass zudem immer weniger Altimmobilien zum Verkauf angeboten werden – denn wer in Zeiten von niedrigen Zinsen eine Wohnung besitzt, trennt sich davon nur ungern. Der Markt sei praktisch zum Erliegen gekommen, sagt Schmid. Wechselten 2016 immerhin noch 1413 Wohnungen in Ludwigsburg den Besitzer, waren es 2017 nur noch 971, obwohl der Umsatz im gleichen Zeitraum sogar leicht auf 290 Millionen Euro angestiegen ist. Heißt: Die wenigen Objekte kamen zu wesentlich höheren Preisen an den Mann.

Vielen bleibt nur die Flucht in die Miete

Normalverdienern bleibt fast nur die Flucht in die Miete. Die Mieten steigen auch seit Jahren kontinuierlich an, aber weniger stark. „Die Schere zu den Kaufpreisen geht immer weiter auseinander“, so Schmid. Das Schwabenklischee vom Häuslebauer dürfte in der Region bald ausgedient haben. Auch wenn Ludwigsburg als Wohnstandort außerordentlich beliebt ist – „im Ballungsgebiet um Stuttgart ist die Lage fast überall ähnlich“, sagt Dienelt.

Die Immobilienpreise um Stuttgart ziehen sogar stärker an als in der Landeshauptstadt. Berechnungen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts zufolge stieg der Quadratmeterpreis für Eigentum in Stuttgart im vergangenen Jahr um 6,9 Prozent, in den Landkreisen der Region zwischen 10,1 Prozent in Esslingen und 11,2 Prozent im Rems-Murr-Kreis. Der Anstieg erfolgt jedoch von einem vergleichsweise niedrigeren Niveau: Ein Quadratmeter kostet in den umliegenden Landkreisen etwa 1000 Euro weniger als in Stuttgart.

Der Wohnungsmarkt ist in der ganzen Region angespannt

Für Thomas Kiwitt, den Leitenden Direktor beim Verband Region Stuttgart (VRS), ist klar: „Wir haben einen angespannten Wohnungsmarkt in der gesamten Region.“ Der teure Wohnraum sei nach einer einfachen Faustregel verteilt: „Sobald Sie einen S-Bahn-Zugang haben, gibt es keinen billigen Wohnraum mehr“, sagt Kiwitt. Man müsse schon an den Rand der Region ziehen, um Preise im bundesdeutschen Mittel zu bekommen.

Eine aktuelle Studie im Auftrag der Postbank hat den Vergleich gemacht, ob es auf Dauer günstiger ist, in Stuttgart Wohnraum zu kaufen – oder in den Landkreisen drumherum, um dann für den Job einzupendeln. Die Quadratmeterpreise liegen laut Studie in den umliegenden Landkreisen im Schnitt 15 Prozent unter dem Niveau der Landeshauptstadt, wo ein Neubau im Schnitt 5840 Euro pro Quadratmeter kostet.

Pendeln lohnt sich am ehesten in Waiblingen

Das Ergebnis der Postbank-Studie: Das Pendeln lohnt sich am ehesten in Waiblingen; zum einen, weil hier der Quadratmeterpreis mit 2760 Euro am niedrigsten ist, zum anderen, weil die Pendelzeit von Waiblingen nach Stuttgart nur 13 Minuten beträgt. Der Kaufpreisvorteil wäre dann laut Studie erst nach 24,3 Jahren verfahren, während die Ersparnis in Esslingen bereits nach 21,3 Jahren und in Ludwigsburg bereits nach 20,3 Jahren aufgebraucht wäre – hier schlagen die leicht höheren Quadratmeterpreise zu Buche. Sindelfingen schneidet wegen schlechter Anbindung mit 8,8 Jahren am schlechtesten ab.

Nun kann das Ergebnis der Studie insofern angezweifelt werden, als der durchschnittliche Quadratmeterpreis im gesamten Landkreis nicht den Preis in der bevölkerungsreichsten Stadt des Kreises wiedergibt. Thomas Kiwitt vom VRS sieht aber auch die Probleme des Pendelns: Weil es zu wenig Wohnraum gebe, entstünde mehr Pendelverkehr, auf den Schienen, aber vor allem auch auf der Straße. „Unsere eigentlich gute Ausgangsstruktur geht damit verloren“, sagt er.