Impeachmentverfahren gegen Trump So wenig Schuldbewusstsein gab’s noch nie

Das US-Repräsentantenhaus hat abgestimmt: Gegen Donald Trump wird offiziell ein Amtsenthebungsverfahren eröffnet. Warum das Verfahren gegen Trump historisch einmalig ist.
Washington - So viel Mühe sich Donald Trump gibt, sich in der Rolle des unschuldig verfolgten Opfers zu inszenieren, an den Fakten ändert es nichts. Die haben 17 Zeugen – Diplomaten, Ministerialbeamte, Mitarbeiter des Weißen Hauses, mithin keine parteiischen Gegenspieler des Präsidenten – übereinstimmend bestätigt.
Demnach hat Trump über Monate hinweg versucht, die Regierung der Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen Rivalen Joe Biden zu bringen. Weil Biden im November 2020 sein Widersacher sein könnte, führen die Demokraten zu Recht ins Feld, dass es sich um einen Angriff auf das Herzstück amerikanischer Demokratie handelt. Um den Versuch, mit ausländischer Hilfe eine amerikanische Wahl zu manipulieren. Ließe man es Trump durchgehen, warnen sie, wackelten die Fundamente der Demokratie.
Lesen Sie hier: Wie funktioniert ein Impeachment-Verfahren?
Amtsenthebungsklage wird in den Geschichtsbüchern stehen
Das Repräsentantenhaus stimmte am Mittwochabend (Ortszeit) für die offizielle Eröffnung eines Impeachment-Verfahrens. Das Repräsentantenhaus zeigte sich dabei, wie schon in den Monaten zuvor, tief gespalten. Die Republikaner stimmten geschlossen gegen die Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens. Die Demokraten wiederum votierten fast alle dafür: Bei ihnen gab es nur wenige Abweichler – zwei beim ersten und drei beim zweiten Votum.
Damit wird der 18. Dezember 2019 als historischer Tag in die Chronik eingehen. Erst zum dritten Mal in der Geschichte der USA beschließt die Abgeordnetenkammer, die Absetzung des Staatschefs zu verlangen. Der Malus der Amtsenthebungsklage wird nun für alle Ewigkeit in den Geschichtsbüchern stehen. Das wurmt Trump, gerade ihn, da er doch stets nur in Superlativen über seine Amtsführung spricht – die tollste Wirtschaft, die niedrigste Arbeitslosigkeit, überhaupt die beste Zeit seit Gründung der Republik.
Weniger Schuldbewusstsein als je zuvor
Und noch etwas ist historisch: Es gab noch nie einen US-Präsidenten, der jegliches Schuldbewusstsein derart komplett vermissen ließ. Bill Clinton ließ 1998, nach seinem Meineid zur Sexaffäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky, immerhin Reue erkennen. Richard Nixon kam 1974, als sich maßgebliche Parteifreunde von ihm abwandten, der Demütigung der Amtsenthebung durch seinen Rücktritt zuvor.
Trump dagegen tut, was er immer getan hat. Er dreht den Spieß um. In einer Brandschrift, die sich wie eine Aneinanderreihung von Twitter-Tiraden liest, nur eben sechs Seiten lang und auf Briefpapier des Weißen Hauses verfasst, spricht er von einem Putschversuch. Von Gegnern, die ihre Macht missbrauchten. Von Feinden der Demokratie. Zu behaupten, selbst bei den Hexenprozessen von Salem, in deren Ergebnis am Ende des 17. Jahrhunderts zwanzig Unschuldige hingerichtet wurden, sei es fairer zugegangen, ist der absolute Tiefpunkt dessen, was Trump bisher zu dem Thema einfiel.
Wie geht es weiter?
Dennoch, die Republikaner werden ihn retten, sie werden im Januar im Senat aus der letzten Runde des Impeachment-Duells eine Übung in parteiischer Lagerdisziplin machen. Statt die Tatsachen objektiv zu beurteilen, schließen sie die Reihen um einen Präsidenten, der die Basis ihrer Partei so fest im Griff hat, dass eventuelle Rebellen mit sofortiger Rache und damit einhergehendem Mandatsverlust zu rechnen haben. Die stolze „Grand Old Party“, die im Laufe des Watergate-Skandals auf Distanz zu Nixon ging – sie ist nur noch ferne Erinnerung.
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