Ein kanadischer Multimillionär hat sich mit einem Privatjet in eine von Ureinwohnern bewohnte Siedlung fliegen lassen, um sich dort unter Verstoß gegen geltende Impf- und Quarantäneregeln eine Corona-Impfung zu erschwindeln.

Vancouver - In Kanada hat ein Multimillionär für Empörung gesorgt, weil er sich unter Vortäuschung eines falschen Jobs und Wohnortes eine Corona-Impfung auf Kosten der Ureinwohner organisiert haben soll. Der 55-jährige Manager hatte sich dazu mit einem Privatjet in eine entlegene Siedlung fliegen lassen, die überwiegend von Indigenen bewohnt wird, welche in Kanada prioritär geimpft werden.

 

„Ich glaube nicht, dass ich jemals von einem so verabscheuungswürdigen, ekelhaften Anspruchsdenken gehört habe, das jeglichen moralischen Kompass vermissen lässt“, sagte der Generalstaatsanwalt der kanadischen Provinz British Columbia, Mike Farnworth, der Zeitung „Vancouver Sun“. Vertreter der kanadischen Ureinwohner sprachen von einem Skandal und forderten harsche Strafen.

Im Privatjet und mit falscher Identität zur Corona-Impfung

Rod Baker, der bisherige Vorstandschef der Casino-Firma Great Canadian Gaming Co., war laut kanadischen Behörden letzte Woche mit seiner Frau Ekatarina 5000 Kilometer von seinem Wohnort Vancouver nach Beaver Creek in den Norden Kanadas gejettet, um sich dort bei einer mobilen Impfstation den Moderna-Impfstoff spritzen zu lassen, der für die rund einhundert meist indigenen Bewohner des Ortes vorgesehen war.

Dabei hatten sich die schwerreichen Eheleute kurzerhand als neue Mitarbeiter eines lokalen Motels ausgegeben, um den Impftermin zu erschwindeln und nicht als Fremde aufzufallen. Das war ihnen zunächst auch gelungen, weil in vielen Orten im Norden Kanadas Saisonkräfte aus dem Süden zum Alltag gehören und viele dieser Mitarbeiter oftmals keine lokalen Ausweisdokumente besitzen.

Das Paar drängelt sich vor und verstößt gegen Quarantäneauflagen

Baker und seine 32-jährige Frau, eine russisch-kanadische Schauspielerin, hatten sich dabei nicht nur unzulässig vorgedrängelt und die Impfrichtlinien in Kanada ausgehebelt. Bei der Anreise hatten sie zudem gegen Quarantäneauflagen verstoßen. In Kanada müssen alle Reisenden, die in die entlegene Region rund um Beaver Creek kommen, sich zunächst für zwei Wochen isolieren. Der Ort liegt im Yukon-Territorium unweit der Grenze zum US-Bundesstaat Alaska.

Die beiden Impfschwindler hatten ihr Hotelzimmer jedoch schon zwei Tage nach Ankunft verlassen. „Damit haben sie die Gesundheit unseres Volkes und unserer Stammesältesten aus purem Eigennutz und Egoismus gefährdet und potenziell tödliche Folgen für uns in Kauf genommen“, erklärte Stammeshäuptling Angela Demit von der Gruppe der White River First Nation in Beaver Creek.

In Kanada gelten die indigenen Bewohner in der Coronakrise als besonders verwundbar. Viele ihrer Dörfer liegen weit von den großen Zentren des Landes entfernt, und es gibt vor Ort kaum Ärzte oder Krankenhäuser. Dazu kommen die oftmals beengten Wohnverhältnisse. In vielen indigenen Familien leben mehrere Generationen unter einem Dach, was zu einer höheren Ansteckungsgefahr führt.

Auch während der Spanischen Grippe waren die indigenen Dörfer besonders betroffen

Belastend wirkt auch die verhängnisvolle Geschichte der Eroberung und Besiedlung Kanadas, die bei vielen Ureinwohnern bis heute Ängste auslöst. Im 19. Jahrhundert hatten weiße Siedler in vielen Regionen Kanadas unbekannte Krankheiten eingeschleppt und so ganze Familien ausgerottet. Auch während der Spanischen Grippe im Jahre 1918 waren indigene Dörfer besonders schwer betroffen.

Nicht zuletzt deswegen sind die Corona-Auflagen in den in den nordischen und arktischen Regionen Kanadas heute besonders strikt. Viele Dörfer werden weitgehend abgeschottet und durch Reisebeschränkungen geschützt. Bei der Zuteilung der Corona-Impfstoffe werden die Ureinwohner Kanadas neben Heimbewohnern und Angehörigen von Gesundheitsberufen prioritär behandelt.

Den Betrügern droht eine Haftstrafe, mindestens aber eine Geldstrafe

Casino-Manager Baker und seine Frau flogen am Ende auf, weil sie gleich nach ihrer Impfung zurück zum Flughafen wollten und nicht zu dem Motel, in dem sie vorgaben zu arbeiten. Wegen des öffentlichen Aufschreis in Kanada ist Baker inzwischen als Unternehmenschef zurückgetreten. Außerdem drohen dem Paar eine Geldstrafe von mehreren Hundert Dollar sowie bis zu einem halben Jahr Haft.

Bakers Ex-Arbeitgeber betonte, der Manager habe mit seiner Spritztour in die Wildnis den Werten des Unternehmens zuwidergehandelt. Great Canadian betreibt in Kanada rund 20 Casinos sowie Hotels, Restaurants und Pferderennbahnen und war kürzlich von einer US-Private-Equity-Gesellschaft für etwa 2,5 Milliarden Dollar gekauft worden. Von der Transaktion dürfte auch Baker erheblich profitiert haben.

Keine zweite Dosis

Auf die nötige zweite Dosis des Impfstoffs wird der Millionär nun allerdings warten müssen. Laut dem Gesundheitsministerium der Provinz British Columbia muss sich Baker jetzt anstellen wie jeder andere Kanadier auch. Gemäß offiziellem Impfplan ist die Altersgruppe der Eheleute erst zwischen Juli und September dran – viele Monate nach dem vom Hersteller empfohlenen Zeitpunkt für die zweite Spritze.