Bernhard Schneider, der Chef der Evangelischen Heimstiftung, nennt die einrichtungsbezogene Impfpflicht „ein großes bürokratisches Ärgernis“. Er fordert von der Politik die schnelle Einführung einer allgemeinen Impfpflicht.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Der Chef der Evangelischen Heimstiftung, Bernhard Schneider, fordert die Politik auf, endlich den Mut zur schnellen Einführung einer allgemeinen Impfpflicht gegen das Coronavirus zu finden. Die vom 15. März an geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeheimen sei ein „großes bürokratisches Ärgernis“. Diese sei „nur schwer umsetzbar und mit vielen rechtlichen Hürden verbunden“, kritisiert Schneider. So fehle ihm als Träger von der Politik etwa die „Klarheit und Rückendeckung bei der arbeitsrechtlichen Durchsetzung der Impfpflicht“.

 

Steigende Zahl von infizierten Beschäftigten

Bei der Heimstiftung, die mit rund 10 000 Beschäftigten in 165 Einrichtungen in Baden-Württemberg zu den großen Trägern im Land zählt, seien unter den Mitarbeitern „derzeit 90 Prozent geimpft oder genesen“, so Schneider. Von den restlichen zehn Prozent will man durch weitere Ansprachen und Anschreiben noch einen guten Teil vom Impfen überzeugen. Aber man geht davon aus, dass ein „harter Kern von zwei bis drei Prozent“ sich auch bis Mitte März nicht wird impfen lassen, also 200 bis 300 Beschäftigte. Darunter seien „50 bis 60 Fachkräfte“. Es gebe auch schon einige Kündigungen und Anfragen nach Aufhebungsverträgen.

Da man zum Schutz der Heimbewohner von der Notwendigkeit einer Impfpflicht überzeugt sei, werde man bei deren Inkrafttreten ungeimpfte Beschäftigte „unverzüglich freistellen“ und diese wie vorgesehen dem Gesundheitsamt melden, so Bernhard Schneider. Er bekräftigte diese Haltung mit den jüngsten Infektionszahlen und der Omikron-Welle. Man verzeichne in 30 Einrichtungen sechs infizierte Bewohner, aber 50 infizierte Beschäftigte. Diese Zahl werde angesichts der Inzidenzentwicklung stark steigen. „Wir sehen, was auf uns zukommt“, erklärte Schneider.

Wie lange dauert das Prozedere?

Allerdings beginnen mit der Freisetzung ungeimpfter Beschäftigter für die Träger die Unsicherheiten und Risiken. Nicht er als Hauptgeschäftsführer oder die Einrichtungen hätten im weiteren Verlauf die Entscheidungskompetenz, sondern die Gesundheitsämter, welche die Betroffenen nach einer Einzelfallprüfung mit einem Beschäftigungsverbot belegen. Zuvor gibt es ein Anhörungsverfahren. Hier fragt Bernhard Schneider: „Wie lange dauert es, bis das Beschäftigungsverbot kommt – zwei, vier, sechs oder acht Wochen?“ Erst dann kann der Arbeitgeber den Betreffenden kündigen. Aber auch der Bescheid des Gesundheitsamtes sei „anfechtbar“. Man müsse also mit einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung rechnen. An deren Ende womöglich ein Gericht urteile, dass man einen ungeimpften Mitarbeiter, da die Impfpflicht nur bis zum Jahresende gelte, in der Zwischenzeit an anderer Stelle beschäftigen müsse, fürchtet Schneider.

Mit all diesen Problemen „lässt uns der Gesetzgeber alleine“, kritisierte er. Das gelte auch für die Tatsache, dass man ungeimpfte Beschäftigte kündige, aber ungeimpfte Angehörige mit negativem Test die Einrichtungen weiter besuchen könnten. „Dieses Risiko besteht weiter“, sagte der Hauptgeschäftsführer. Er forderte Kanzler Scholz auf, sein „Versprechen einzulösen“ und eine allgemeine Impfpflicht einzuführen. Schneider: „Lassen Sie uns nicht im Regen stehen.“

Stadt fordert klare Anleitungen von Bund und Land

Bei der Stadt Stuttgart treffen die Äußerungen von Bernhard Schneider offenbar auf Verständnis. Man stehe in der Sache „in engem Austausch mit Trägern, Sozialministerium und dem deutschen Städtetag“, sagte Sprecher Sven Matis auf Anfrage. Wichtig seien „klare Handlungsanleitungen von Bund und Land“. Und man hoffe, „dass sich ungeimpfte Pflegekräfte doch noch für eine Impfung entscheiden“, so Matis.