Stuttgart - Mit Beratungsgesprächen versuchen in diesen Tagen die Krankenhäuser, Pflegeheime und Behinderteneinrichtungen noch ungeimpfte Mitarbeiter von der Corona-Impfung zu überzeugen. Denn vom 15. März an gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht dort, wo besonders vulnerable Gruppen versorgt werden. Mitunter wird auch sanfter Druck ausgeübt: „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen bekannt ist, dass sie aktuell noch nicht geimpft sind, wurden durch das Klinikum noch einmal postalisch kontaktiert und gebeten, die Impfangebote wahrzunehmen“, teilt die Uniklinik Heidelberg mit, dabei liege die Impfquote hier bei guten 90 bis 95 Prozent.
Ein kleines Pflegeheim hat nur 31 Prozent Geimpfte
Anfragen unserer Zeitung bei einem Dutzend Einrichtungen im Südwesten ergaben ein vielfältiges Bild. Die Impfquote reicht von 31 Prozent in einem kleinen Pflegeheim in Radolfzell (Kreis Konstanz), wo es heißt, man habe „noch nie einen Corona-Fall gehabt“, bis hin zu 97 bis 98 Prozent bei der Evangelischen Heimstiftung. Aber selbst wenn nur drei Prozent Ungeimpfte ab Mitte März ausfallen würden, droht wegen des gleichzeitigen Fehlens von Personal aufgrund von Qmikron-Infektionen und den Quarantänen eine Notlage: „Alle Einrichtungen fahren den Krisenmodus hoch, erstellen Pandemieteams und Notfallpläne. Wir organisieren regionale Springerpools“, sagt Bernhard Schneider, Geschäftsführer der Heimstiftung. Bei der Caritas der Diözese Rottenburg heißt es, schon jetzt gebe es erhebliche Engpässe wegen der Omikron-Variante, ab Mitte März sei die Aufrechterhaltung der Versorgungsinfrastruktur in Baden-Württemberg in hohem Maße gefährdet. „Es zeichnet sich ab, dass Einrichtungen oder einzelne Wohngruppen geschlossen werden müssen“, so Caritas-Sprecherin Barbara Deifel-Vogelmann. Hunderten von Patienten in der ambulanten Pflege drohe, dass sie nicht mehr versorgt werden könnten.
Hoffen auf den Totimpfstoff
Alarm schlagen auch Krankenhäuser. „Das gibt eine Trias von Problemen: Impfpflicht, Omikron-Personalausfälle und mehr Omikron-Patienten auf den Stationen“, sagt Mark Dominik Alscher, Chef des Robert-Bosch-Krankenhauses in Stuttgart. Zehn Prozent des Personals sei bei ihm ungeimpft, „wenn wir die alle freistellen, kriegen wir ein Problem“. Alscher hofft, dass der Totimpfstoff Novovax, der ab 21. Februar da sein soll, noch einige zum Impfen bewegen werde. Bei den SLK-Kliniken in Heilbronn hält man es für ein Fazit zu früh, derzeit liege die Impfquote im SLK-Verbund bei 87 Prozent. „Eine valide Aussage ist erst Mitte März möglich, erst dann kennen wir alle Impfnachweise,“ sagt SLK-Sprecher Mathias Burkhardt.
Für die Saison unüblich hoher Krankenstand
Laut einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts unter 246 Krankenhäusern liegt die Impfquote bei ihnen im Bundesdurchschnitt bei 90 Prozent. Zwei Drittel der Häuser erwarten eine Einschränkung der Patientenversorgung wegen der Freistellungen ab Mitte März. Besorgnis erregend ist, dass jetzt schon drei Viertel aller Kliniken von einem für die Saison unüblich hohen Krankenstand berichten, bei zwölf Prozent ist jeder fünfte Mitarbeiter krankgeschrieben.
Ungeimpften droht Beschäftigungsverbot
Aber was kommt im März auf ungeimpftes Personal zu? Steffen Jürgensen, Direktor des Klinikums Stuttgart, wo fünf Prozent ungeimpft sind, sagt: „Wir gehen zunächst nicht von Kündigungen aus, aber von Beschäftigungsverboten unter Wegfall der Lohnfortzahlung für wenige, die die Nachweise nicht vorlegen können oder wollen.“ Die Einrichtungen müssen am 16. März ungeimpfte Mitarbeiter den Gesundheitsämtern melden, die aber einen Ermessensspielraum haben und der „Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Einrichtungen“ Bedeutung zumessen dürfen. Bernhard Schneider von der Heimstiftung sagt: „Sobald uns ein Bescheid vom Gesundheitsamt vorliegt, prüfen wir die rechtlichen Folgen im Einzelfall.“ Sie können von einer Freistellung ohne Bezüge bis hin zur Kündigung reichen.
Gewerkschaft Verdi: Kündigung von Ungeimpften ist nicht so einfach
Recht
Pflegekräften, die sich nicht impfen lassen, kann nicht ohne weiteres gekündigt werden, sagt Verdi-Rechtsexperte Daniel Stach. Arbeitgeber müssten sie ans Gesundheitsamt melden. Das werde eine Frist einräumen, die Impfung nachzuholen. Danach drohe ein Bußgeld. Wegen seiner Fürsorgepflicht müsse der Arbeitgeber darauf hinwirken, dass es nicht zum Betretungs- und Tätigkeitsverbot komme.
Klage
Pflegekräfte verzichteten mit der Berufswahl nicht auf ihr Grundrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper, sagt Stach. Komme es zur Kündigung, könne Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden.