Sie sieht aus wie beim Beten, wartet aber nur auf die nächste Mahlzeit. Außerdem frisst sie gelegentlich ihr Männchen. Ansonsten ist die Gottesanbeterin harmlos – und sogar geschützt.

Ludwigsburg: Sandra Lesacher (sl)

Wer jemals in südlichen Gefilden, etwa im Urlaub, eine Gottesanbeterin entdeckt hat, weiß, welch imposantes Tierchen das ist. Das stattliche Insekt misst bis zu acht Zentimeter. Mittlerweile sind Gottesanbeterinnen auch im Landkreis Ludwigsburg heimisch. Das liegt am Klimawandel. „Gottesanbeterinnen profitieren im Gegensatz zu vielen anderen Arten bisher von den steigenden Temperaturen“, sagen die Experten im Landratsamt Ludwigsburg.

 

Besonders im westlichen Landkreis Ludwigsburg sind in diesem Sommer weitaus mehr Exemplare der Europäischen Gottesanbeterin gesichtet worden als noch im vergangenen Jahr. Deutlich zu sehen ist das auf einer Karte der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Hier kann man Fundorte melden und sie werden mit Foto vermerkt.

Gut angepasst an ihre Umgebung

Auch wenn die Tiere recht groß sind, einfach zu finden sind sie nicht, denn sie sind gut getarnt. Die Mantis religiosa – das ist der lateinische Name – kann sich farblich ihrer Umgebung anpassen. Das geschieht jeweils, wenn sie sich häutet. So ist sie knallig grün wie ein Grashalm oder auch braun wie der Ast, auf dem sie sitzt.

Die Gottesanbeterinnen gehören zur Ordnung der Fangschrecken. Wie viele andere ihrer Artgenossen praktizieren sie so genannten sexuellen Kannibalismus. Das hat für die Männchen die unangenehme Folge, dass sie während oder nach der Paarung vom Weibchen aufgefressen werden. Laut BUND tun das die Tiere „in schlechten Zeiten“, wenn also die Nahrung knapp ist, und decken damit ihren Eiweißbedarf.

Doch auch die weiblichen Tiere werden nicht besonders alt. Ende Juli bis Anfang August schlüpfen die erwachsenen Gottesanbeterinnen, schon im Herbst sterben sie. Die 100 bis 200 Eier, die vorher abgelegt werden, überwintern in einer schleimigen Schutzhülle und entwickeln sich dann von der Larve zum fertigen Insekt.

Der Name der imposanten Fangschrecke ist übrigens irreführend. Denn die Gottesanbeterin ist überhaupt nicht fromm. Den Namen verdankt sie ihrer Körperhaltung. Sie hält ihre Vorderbeine so vor der Brust, als würde sie beten. Dabei wartet sie nur auf ihre nächste Beute: Heuschrecken, Fliegen oder Schaben, die sie blitzschnell packt.

Die Mantis religiosa mag es gerne warm. Sie kam ursprünglich von Afrika in den europäischen Mittelmeerraum und ist inzwischen eine heimische Art in Baden-Württemberg. „Ursprünglich war sie nur am Kaiserstuhl, mittlerweile ist sie in allen tieferen beziehungsweise wärmeren Lagen Baden-Württembergs anzutreffen, beispielsweise auch im Naturpark Stromberg-Heuchelberg“, sagt Dietmar Gretter vom Naturparkzentrum. Die Gottesanbeterin profitiere vom Klimawandel und von der Globalisierung, wie etwa auch die Malveneule (ein Nachtfalter, der in der Nähe des Naturparkzentrums entdeckt wurde) oder der Stahlblaue Grillenjäger.

„Die Klimaerwärmung macht für die wärmeliebenden Arten nördlicher und höher gelegene Areale als Lebensraum geeignet“, sagt Gretter. Auch Wanderschmetterlinge wie der Admiral stellen sich darauf ein, überwintern zwischenzeitlich in Mitteleuropa oder wandern im Sommer bis nach Island. Viele Insekten würden durch den weltweiten Warentransport verbreitet, viel schneller, als dies über natürliche Ausbreitung möglich wäre, und auch etwa auf isoliert gelegene Inseln.

Darunter befinden sich auch „schädliche“ Arten wie Japankäfer, Buchsbaumzünsler oder Tapinoma-Ameisen. Letztere tauchten dieses Jahr zum Beispiel in Hessigheim auf. „Die Neuankömmlinge suchen sich in der Regel ihre ökologische Nische und werden Teil des natürlichen Räuber-Beute-Systems, bei dem die Einteilung in nützlich oder schädlich nicht so einfach möglich ist“, erklärt Gretter.

Keine Gefährdung für heimische Fauna

Die Gottesanbeterin ist ein imposantes Insekt. Foto: Michael Brettschneider

Bei der Gottesanbeterin gibt er allerdings Entwarnung. „Die Wissenschaft geht aktuell davon aus, dass sie keine Gefährdung der heimischen Fauna beziehungsweise Biodiversität darstellt.“ Umgekehrt bilde sie eine der wenigen Insektenarten, deren Population sich in den vergangenen Jahrzehnten stark vergrößert hat, in Zeiten, in denen die Insektenbiomasse um drei Viertel zurückgegangen ist, was sich etwa auf die Nahrungssituation der Vögel sehr negativ auswirkt.

Obwohl sie immer häufiger gesichtet wird, steht die Gottesanbeterin auf der roten Liste der gefährdeten Arten und genießt besonderen Schutz. Das heißt: Finger weg! Gottesanbeterinnen aus freier Natur dürfen weder gefangen noch gehalten werden. Beobachten kann man sie noch bis Oktober/November an sonnigen Hängen, Büschen, Sträuchern und Waldrändern.