Beim Impro-Theater wissen weder Darsteller noch Zuschauer, was als nächstes kommt. Ein Gespräch mit Constantin Schnell, dem Initiator der neuen Reihe des Theaters Atelier im Stuttgarter Osten.

Stuttgart-Ost – - Am Donnerstag fällt der Startschuss für die neue Veranstaltungsreihe „Stuttgart improvisiert“ im Theater Atelier. Gruppen, Spieler und Formate aus der Stuttgarter Improszene werden dem interessierten Publikum vorgestellt. Wir haben uns mit dem Initiator der Reihe, Constantin Schnell, vorab unterhalten.
Herr Schnell, wann und wie ist die Idee zur neuen Veranstaltungsreihe entstanden? Und warum haben Sie sich für das Theater Atelier als Veranstaltungsort entschieden?
Ich war schon vor längerer Zeit mit Vladislav Grakovskiy, dem Leiter des Theater Atelier, in Kontakt. Er lud uns ein aufzutreten, doch unsere Gruppe „Fachbetrieb“ hatte sich gerade neu formiert und wir waren noch nicht bühnenreif. Ich wusste, dass Vlad generell aufgeschlossen ist gegenüber Improtheater und fragte ihn, ob wir statt einer oder zwei Improgruppen nicht alle Gruppen im Theater Atelier auftreten lassen sollten. Dass er sofort zugesagt hat, habe ich für ein gutes Zeichen genommen.
Und warum Impro-Theater? Was reizt Sie persönlich an dieser Theaterform?
Man weiß am Anfang einer Szene nie, wie sie verlaufen wird und wie sie enden wird. Außerdem ist es wie bei improvisierter Musik: es kommt wahnsinnig darauf an, auf seine Mitspieler einzugehen.
Impro-Theater lebt ja von der Spontaneität und der Fantasie der Darsteller, die im richtigen Moment abgerufen werden müssen. Ist das nicht besonders riskant?
Beim Impro gibt es immer das Risiko, dass eine Szene in die Hose geht. Wenn man mit Impro anfängt, meint man, die größte Schwierigkeit sei es, immer eine noch bessere, noch originellere, noch witzigere Idee haben zu müssen. Doch Schlagfertigkeit und Witzigkeit sind nur ein Aspekt beim Impro. Spannender wird Improvisationstheater, wenn interessante Charaktere auf der Bühne entstehen, wenn Emotionen zu spüren sind, wenn zwischen den Figuren etwas passiert. Doch auch das gelingt nicht immer. Dann leiden natürlich wir Spieler - und das Publikum leidet mit.
Wie können sich Darsteller auf ein Stück ohne Drehbuch überhaupt vorbereiten? Gibt es auch beim improvisierten Theater gewisse Regeln? Und was macht man gegen eine plötzliche Leere oder Blockade auf der Bühne? Gibt es Tricks?
Wir von „Fachbetrieb“ proben einmal in der Woche, und auch alle anderen Gruppen proben regelmäßig. Logischerweise proben wir nicht nach einem Text. Wir üben vielmehr grundlegende Bühneneigenschaften ein: Wie lasse ich eine Figur entstehen? Wie bleibe ich sensibel für das, was meine Spielpartner machen – obwohl ich doch selbst gerade eine tolle Idee im Kopf habe? Wovon handelt die Szene, die ich gerade spiele, eigentlich wirklich? Ein Improspieler ist immer Schauspieler und Regisseur gleichzeitig. Gerade das muss man üben.
Und welche Rolle spielt das Publikum bei der Sache?
Meist gibt das Publikum ein Stichwort vor, auf das die Spieler dann improvisieren. Wenn es auf der Bühne lustig wird, darf das Publikum dann lachen. Ich persönlich finde aber, dass das Publikum beim Improvisationstheater ein Recht auf mehr hat: Es darf ruhig auch mal beunruhigt, gespannt, empört oder traurig sein. Ja, warum sollte das Publikum beim Impro nicht auch mal weinen dürfen? Das ist das Schöne an der Reihe „Stuttgart improvisiert“: Man kann die unterschiedlichsten Formen des Improtheaters kennenlernen.
Auf was darf sich das Publikum bei „Stuttgart improvisiert“ freuen?
Zunächst hat das Publikum die Möglichkeit, praktisch alle Stuttgarter Gruppen an einem Ort kennenzulernen. Jede Gruppe hat dabei eine ganz eigene Art, Improtheater zu spielen. Im ersten Halbjahr zeigt zum Beispiel „Fachbetrieb“ ein Format, dass noch nie in Stuttgart zu sehen war. Und wer fünf Mal dabei war, bekommt sogar den Eintritt zu allen weiteren Auftritten des Jahres geschenkt.
Wie geht es nach dem ersten Halbjahr weiter?
Es gibt mehr als ein Dutzend Improgruppen im Großraum Stuttgart, so dass immer wieder neue Gruppen und Konstellationen auf der Bühne stehen werden. Eine Gruppe hat zum Beispiel eine neue Zwei-Personen-Impro angekündigt. Wenn die Reihe „Stuttgart improvisiert“ etabliert ist, werden wir auch Gruppen von außerhalb einladen. Und hoffentlich weiteres Impro-Neuland betreten.

Start
Die Reihe „Stuttgart improvisiert“ startet am morgigen Donnerstag, 21. Januar, um 20 Uhr mit „frackwürdig“. Mit der neuen Reihe bekommt das Publikum die Möglichkeit, die Vielfalt der Stuttgarter Improszene im Lauf des Jahres an einem einzigen Spielort kennenzulernen. Gleichzeitig bietet sie auch für die Improspieler die Möglichkeit, sich dem Publikum über das eigene „Stammpublikum“ hinaus zu präsentieren.

 

Spielort
Bis Juni sind einmal pro Monat weitere Gruppen aus der Stuttgarter Improszene zu sehen. Spielort ist das Theater Atelier, Stöckachstraße 55. Der Eintritt kostet neun Euro.