In der neuen Etappe seiner Stadt-Expedition wandert StZ-Kolumnist Erik Raidt von Weilimdorf nach Feuerbach. Nach Gelüsten auf eine Ferienabschlusswurst trifft er im Kreativzentrum IW 8 in der Siemensstraße den doppelten Felix.

Stuttgart - Manchmal halte ich Dinge für ausgestorben und bin hinterher überrascht, dass sie noch existieren. Kaugummiautomaten beispielsweise. Unweit des Weilimdorfer Löwen-Markts hängt einer dieser Automaten, an denen ich schon früher nie vorbeikam. Es ist unfair, der Automat wirbt: „Lass Dich überraschen! Kaugummi oder Leuchtpistole.“ Daneben ein Warnhinweis: „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigen.“ Noch neugieriger kann ich nicht mehr werden. Ich frage mich, ob der Hinweis den Kaugummis oder den Leuchtpistolen gilt. 20 Cent und eine ratschende Umdrehung am Automaten später bin ich schlauer. Im Auswurfschacht des Automaten landet ein Kaugummi in Form und Optik eines menschlichen Auges.

 

Donnerstag, Tag fünf der Stuttgart-Expedition. Schon beim Auftakt in Weilimdorf merke ich: Formkrise. Kürzlich habe ich gelesen, dass Koalas 18 Stunden am Tag schlafen. Ich wäre jetzt gern ein Koala, stattdessen schleppe ich mich durch ein Wohngebiet. Für menschliche Waschlappen hat der Schwabe ein schönes Wort erfunden: Trieler. Die Sonne brennt, ich triele Feuerbach entgegen. Bei den Tennisplätzen des TV Feuerbach kreuzt eine Horde junger Waldheim-Trampeltiere laut singend meinen Weg. Beneidenswerte Energie. Aber irgendwann endet alles, die Kindheit und der Sommerurlaub. Der Feuerbacher Abenteuerspielplatz ist darauf vorbereitet. Ein Aushang informiert, dass zum Ende der Sommerferien gegrillt wird, der Programmpunkt heißt „Ferienabschlusswurst“. Ich finde, wenn die Ferien schon enden müssen, dann nur mit einer Ferienabschlusswurst.

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In Stuttgart wird übrigens immer noch gearbeitet, obwohl Felix Fuchs und Felix Geiling gerade auf einer Holzbank vor ihrem Büro sitzen, die Beine ausstrecken und Pause machen. Die beiden arbeiten im IW 8 in der Feuerbacher Siemensstraße. Früher stellten die Arbeiter des Stuttgarter Familienunternehmens Behr im IW 8 Kühler und Klimaanlagen her, aber die große Produktion ist ausgezogen und von den jungen Wilden abgelöst worden. In dem Kreativzentrum arbeiten Grafik- und Modedesignerinnen, die Metal-Band Helldorados hat hier genauso ihre Heimat gefunden wie ein Skater, der Möbel entwirft.

Felix Fuchs, 27, und Felix Geiling, 32, lernten sich beim Studium des „Industrial Design“ an der Kunstakademie kennen, seit April haben sie im IW 8 ein Büro und eine Werkstatt bezogen. „Die Wand im Büro haben wir selbst eingebaut“, erzählt Felix Geiling, „das hätte niemand sonst so hinbekommen, wie wir es wollten“, ergänzt Felix Fuchs. Die beiden wollen sich etwas aufbauen – derzeit tüfteln sie für die Firma Festo daran, wie sich Erkenntnisse aus der Bionik in Produkte umsetzen lassen. Felix Fuchs hat in seiner Diplomarbeit beschrieben, wie sich die Schwimmbewegungen eines Fischs nutzen ließen, um einen Schiffsantrieb zu entwickeln. Zwei junge Tüftler in Sichtweite von Bosch. „Hier sind die Mieten überschaubar“, sagt Felix Fuchs. „Außerdem sind wir schnell bei unseren Kunden“, so Felix Geiling. Ihr Erfolg soll eine Teamarbeit werden, und eigentlich müsste die Sache harmonisch laufen: weil der eine Felix mit zweitem Vornamen Wolfgang heißt. Und der zweite Amadeus.

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