Seit drei Jahren kümmert sich Stephan Maul um die Belange des Nürtinger Radverkehrs. Keine leichte Aufgabe in Zeiten, in denen die Zulassungszahlen des motorisierten Verkehrs weiter steigen.
Um seine berufliche Zukunft muss sich Stephan Maul keine Sorgen machen. Noch vor der Sommerpause hat der Gemeinderat in der alten Besetzung Mauls im kommenden Jahr auslaufende Stelle als Nürtinger Radkoordinator neu aufs Gleis gesetzt und grünes Licht für eine unbefristete Tätigkeit als Beauftragter für nachhaltige Mobilität gegeben. Schon jetzt hat der 45-Jährige eine beachtliche Visitenkarte mit Blick auf das Themenfeld abgegeben.
Die Verkehrswende im Blick
Als die Stelle 2021 für auf vier Jahre befristet neu geschaffen wurde, sollte damit zunächst vor allem der Radverkehr in Nürtingen mit Blick auf die Verkehrswende gestärkt werden. Das wurde mit einem finanziellen Schmankerl versüßt, da das Land die 100-prozentige Förderung über zwei Jahre im Rahmen der Personalförderung für nachhaltige Mobilität zusagte. Der Anstoß kam von den Gemeinderatsfraktionen NT 14 und SPD.
Maul machte sich an die Arbeit und hat seither die Projektsteuerung und Bauherrenvertretung bei Planung, Ausbau und Erhaltung des Radnetzes und der Radwegeplanung übernommen. Wobei schnell klar wurde, dass im verdichteten urbanen Raum kaum neue Radwege entstehen würden. Und Straßensperrungen wie beispielsweise in der Alleenstraße bei der Entstehung des Stadtbalkons oder Einbahnlösungen für den motorisierten Verkehr hält Stephan Maul angesichts der immer noch steigenden Kfz-Zulassungszahlen für „eher unrealistisch“.
Entsprechend konzentriert sich Maul darauf, für Radlerinnen und Radler parallele Strecken zu ertüchtigen. Als erstes ist die Sigmaringer Straße als Fahrradstraße ausgewiesen worden, um den aus Nordwesten ankommenden Radverkehr vom Neckartalradweg vorbei an der Realschule in die Innenstadt Richtung Bahnhof zu lenken. Wie es weiter Richtung Südosten durch die geplante Bahnstadt gehen soll, müsse sich mit der Weiterentwicklung der dortigen Stadtplanung aber noch weisen, erklärt der passionierte Radler aus Metzingen, der den Weg zur Arbeit bevorzugt auf seinem motorisierten Drahtesel absolviert und sich in seiner Freizeit gemeinsam mit seiner Familie gerne im „traumhaften Mountainbikerevier“ rund um die Schwäbische Alb tummelt.
Viele kleine Veränderungen sind nötig
Bei solchen Planungen handle es sich genauso wie bei den Verhaltensänderungen von Menschen häufig um langwierige Prozesse. „Da geht es um eine Maßnahme hier und eine dort“, sagt der 45-Jährige über die komplexen Zusammenhänge und Maul freut sich, dass mit dem von ihm betreuten Dienst-E-Bike seit 2022 immerhin mehr als 2500 dienstliche Kilometer klimaschonend zurückgelegt worden sind.
Viel zu tun gebe es auch beim Thema Radverkehrsinfrastruktur, bei der zum Beispiel Radabstellplätze ausgewiesen werden und Standorte für Radboxen und E-Ladesäulen gefunden werden müssen. Oft seien Markierungsarbeiten oder Änderungen bei Überwegen erst sinnvoll, wenn sowieso Straßenarbeiten beispielsweise für eine Kanalsanierung anfielen. Aber er habe das geplante Radwegenetz immer im Hinterkopf.
Naturgemäß handle es sich um ein sehr breites Aufgabenfeld, das ihm viele Kontakte beschere. „Die Leute kennen einen mit der Zeit“, weiß Maul, der sich über Anregungen aus der Bevölkerung freut und die Radler auffordert, sich beispielsweise auch am aktuellen ADFC-Fahrradklima-Test zu beteiligen, mit dem die Fahrradfreundlichkeit in der jeweiligen Kommune bewertet werden kann.
Viele Anregungen erreichten ihn auch über lokale Gruppen wie Fridays for future oder die Nürtinger Klimataskforce, berichtet der Fahrradkoordinator, der bundesweit vernetzt ist mit Rad- und Fußverkehrsbeauftragten. Neben seinem Engagement für das betriebliche Mobilitätsmanagement und als Digital- und Klimalotse für das Tiefbauamt engagiert sich Maul auch als Tourguide für Radtouren sowie bei der Verkehrsschau und in der Unfallkommission. Als gemeinsamen Erfolg aller Beteiligten verbucht er in dem Zusammenhang die Entschärfung für den Radverkehr am Kreisel in der Max-Eyth-Straße, der lange Zeit ein Unfallschwerpunkt war.
Manche Leistung ist messbar
Stephan Mauls Arbeit ist laut der Verwaltungsvorlage zur besagten Abstimmung übrigens auch bares Geld wert. In der Aufzählung heißt es: „Herr Maul hat durch zahlreiche Förderanträge Förderzusagen in Höhe von rund 156 000 Euro erzielt“ und weitere Anträge in Höhe von rund 170 000 Euro seien gestellt. „Ohne den Einsatz und die Federführung durch Herrn Maul wären diese hohen Fördersummen nicht erreichbar gewesen“, ist dort außerdem zu lesen und es wurden „planerische Fremdleistungen in geschätzter Höhe von rund 40 000 Euro eingespart“.
Längst hat sich Mauls Blick auch auf andere Mobilitätsformen geweitet – und das liegt wohl in der Natur der Sache, wenn es darum geht, das Nürtinger Mobilitätskonzept fortzuschreiben und zu klären, welchen Verkehrsteilnehmern wie viel Raum zur Verfügung stehen soll. Und auch da schwingt Mauls Grundeinstellung im Hintergrund mit: „Jedes Auto, das nicht auf der Straße ist, tut den anderen Verkehrsteilnehmern gut.“
Der Kraftverkehr hat die Nase vorn
Kraftverkehr
Der Bestand an Kraftfahrzeugen in Baden-Württemberg wächst beständig auf zuletzt insgesamt 8,5 Millionen. Im Kreis Esslingen wurden laut dem Statistischen Landesamt Anfang 2023 insgesamt 413 624 Kraftfahrzeuge gemeldet. Das ist mit Ausnahme der Landeshauptstadt die höchste Anzahl in der Region Stuttgart. Bei den Pkw-Neuzulassungen sind die Zahlen im Kreis Esslingen zwar seit 2017 rückgängig, sie betrugen aber 2022 immerhin 25 858 Fahrzeuge, was in der Region Stuttgart die zweithöchsten Zulassungszahlen nach dem Kreis Böblingen bedeuten.
Radverkehr
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) lädt vom September bis zum Ende November 2024 Radfahrerinnen und Radfahrer ein, wieder zu bewerten, wie es um die Fahrradfreundlichkeit in ihren Städten und Gemeinden bestellt ist. Die Umfrage findet sich unter: www.fahrradklima-test.adfc.de.