1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland: Das Ensemble Asamblea Mediterranea beeindruckt beim Gastspiel in der katholischen Kiche Mariä Himmelfahrt in Aidlingen.

Aidlingen - Auf Einladung des Arbeitskreises Kunst und Kultur in Aidlingen führte am Sonntagabend die Musikgruppe Asamblea Mediterranea ihr Programm zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ in der katholischen Kirche in Aidlingen auf.

 

Kurt Köhler vom Kirchengemeinderat betonte bei seiner Begrüßung, wie wichtig Toleranz, Achtung und Verständnis für Völker, Kulturen und Religionen sind. Er freue sich, dass eine solche Veranstaltung in der katholischen Kirche stattfinde und betonte, dass der Dialog der Religionen heute zum Grundverständnis des katholischen Kirche gehöre.

Jüdische Worte im deutschen Sprachgebrauch

Bürgermeister Ekkehard Fauth überraschte das Publikum mit seinem Intro: „Sie sind dufte“, „Reden wir Tacheles“, „Lasst uns zocken“ – er nannte zahlreiche Beispiele für Wörter und Ausdrücke mit jüdischen Wurzeln, die deutlich machen, wie eng die Kulturen untereinander verbunden sind.

Fauth gab einen kurzen Abriss über die Geschichte der Juden in Deutschland und äußerte sich schließlich hoffnungsvoll, „dass man aus dieser Geschichte nun endlich gelernt haben sollte und in der Folge für antisemitische Handlungen in unserer Zeit nur noch Entsetzen übrig haben kann“. Es sei wichtig, dieses Jubiläum unter dem Motto „Shalom“ (Frieden) zu begehen, so Fauth.

Edikt von Kaiser Konstantin

Das 1700-Jahr-Jubiläum bezieht sich auf ein Edikt von Kaiser Konstantin aus dem Jahr 321 nach Christus. Der Erlass gilt als die früheste erhaltene schriftliche Quelle zur Existenz von Juden nördlich der Alpen.

Der eigentliche Programmbeginn verlief dann anders als erwartet: Statt einer Darbietung oder einem Vortrag zu lauschen, durften zunächst alle im Publikum an einer Übung von Moshé Feldenkrais zur bewussten Körperwahrnehmung teilnehmen. Der israelische Wissenschaftler und Trainer hat nicht nur sich selbst dadurch von schweren Schmerzen und Unbeweglichkeit befreit, sondern auch vielen Menschen auf dieser Welt durch seine Übungen geholfen. Danach konnten die Gäste ganz entspannt das detailliert ausgearbeitete und ausgedruckte Programm genießen.

Ergreifende Geschichten und Musik

Innerhalb eines Jahres wurden unter Alon Wallach, dem Gitarristen und Leiter des Ensembles Asamblea Mediterranea, Dokumente jüdischer Menschen in Europa gesichtet und zu einem Programm verwoben, das mit Textbeiträgen und viel Musik den Bogen über die 1000 Jahre spannte. Die frühesten Dokumente stammten aus dem 10. und 11. Jahrhundert.

Ergreifende Geschichten über die Liebe, das Zusammenleben und den Glauben wurden zum Teil mit zarter instrumenteller Begleitung gelesen. Im Wechsel dazu spielte Asamblea Mediterranea passende jüdische Musik aus den Jahrhunderten verschiedener europäischer Länder. Die Band hat sich der Musik der Juden aus Spanien und Portugal, der sogenannten Sepharden, verschrieben.

Erinnerungen eines Holocaustüberlebenden

Es war ein fein zusammengestelltes Programm, abwechslungsreich mit unterschiedlichsten Musikstilen, mal sehr traurig und melancholisch, dann aber auch wieder rhythmisch und mitreißend. Klezmer mit der Klarinette als charaktergebendes Instrument würde man leicht als jüdische Musik erkennen, aber ein Madrigal des Italieners Salmone Rossi aus dem 17. Jahrhundert oder ein Sinfonie von Gustav Mahler? Die versierten Musiker meisterten alles mit Bravour.

Erschütternd war gegen Ende der Text des Holocaust-Überlebenden Jacques Stroumsa, der in jungen Jahren einfach nicht glauben wollte, dass Menschen zu so viel Niedertracht und Grausamkeit fähig wären. Als bitter-ironische Begleitung präsentierten die Musiker daraufhin Franz Grothes „Die schönste Zeit des Lebens“ – jenes Musikstück, das die Mitglieder des KZ-Orchesters damals für ihre Mörder spielen mussten. Danach holte Asamblea Mediterranea das Publikum aus der tiefen Erschütterung mit der „Melodie in h-Moll“ von Alon Wallach.

Vielfalt jüdischer Musik

Asamblea Mediterranea gelingt es, die Vielfalt jüdischer Musik und jüdischen Lebens zu vermitteln. Und mehr noch, wie der Percussionist Andreas Pastorek am Ende sagte: „Was für eine Welt wollen wir morgen haben? Die Antwort gibt jeder und jede für sich selbst. Je mehr Überflüssiges der Mensch für sich begehrt, umso schwieriger wird sie zu finden sein. Jetzt müssen wir Musiker Lieder für eine nachhaltige, friedliche und gerechte Zukunft komponieren.“